Heidi, die Biene Maja, Pan Tau, der Pumuckl: Alle hatten ihr Comeback; höchste Zeit also, dass auch „Hallo Spencer“ aus der Mottenkiste geholt wird. Die NDR-Reihe, 1979 erschaffen, um nicht ausschließlich auf die Puppenwelten von Jim Henson („Muppet Show“, „Sesamstraße“) angewiesen zu sein, wurde zwar bis 2001 produziert, ist im Grunde genommen jedoch ein Klassiker des westdeutschen Kinderfernsehens der Achtzigerjahre. Ostern hätte für die Auferstehung von Spencer, Nepomuk, Kasimir und Poldi natürlich besser gepasst, aber Weihnachten ist auch ein schöner Rahmen, selbst wenn Sendezeit und Sendeplatz zunächst verwundern. Allerdings lässt sich nachvollziehen, warum das ZDF den Film nicht im Nachmittagsprogramm zeigt, sondern beim Ableger Neo, und das auch erst um 20.15 Uhr (die Ausstrahlung im „Zweiten“ am 27. Dezember ist gar erst um 23.45 Uhr): Die Stars sind zwar alle dabei, doch „Hallo Spencer – der Film“ ist kein Kinderfernsehen, sondern ein mediensatirisches Drama für all’ jene, die mit den Klappmaulpuppen aufgewachsen sind. „Spencer“-Fan Jan Böhmermann (Jahrgang 1981) hatte gemeinsam mit Tim Wolff die Idee und ist außerdem einer von drei Produzenten.
Foto: ZDF / Gordon Timpen
Die dem Lebenswerk von „Spencer“-Schöpfer Winfried Debertin nachempfundene Handlung beginnt mit einer Ausmistung: Beim Nordrundfunk (NRF) wird der ganze alte „Spencer“-Plunder aussortiert und zum Vater der Reihe gebracht. Jakob Sesam (Rainer Bock) verbringt seinen Lebensabend umgeben von Erinnerungen in einer ehemaligen Landdisco. Da er schon lange keine Miete mehr zahlt, soll das Anwesen nach dem Willen von Besitzerin Peggy (Victoria Trauttmansdorff) einer Seniorenresidenz weichen. Immerhin macht sie Sesam ein Angebot: Treibt er innerhalb der nächsten zwei Wochen zehn Millionen Euro auf, gehört das einst legendäre „Coconut Cave“ ihm. Das ist natürlich unmöglich, aber Spencer bringt Sesam auf eine Idee: Ein Film mit den Puppen wäre garantiert ein Kassenknüller, der bestimmt zwanzig Millionen Euro einspielen würde. Dank der Inspiration durch die Puppen sowie Gattin Luise (Margarita Broich) ist das Drehbuch im Nu geschrieben. An der Ausgangslage hat sich jedoch nichts geändert, denn nach wie vor braucht er zehn Millionen Euro, nun für die Produktionskosten.
Bis zu diesem Punkt würde „Hallo Spencer“ vermutlich auch in der Kika-Zielgruppe funktionieren; Geschichten über böse Menschen, die anderen aus Habgier das Leben schwer machen, gibt es im Kinderfernsehen schließlich zuhauf. Für Verwirrung könnte allein Luise sorgen; nicht mal allen Erwachsenen wird von Anfang an klar sein, dass Jakobs Frau bereits vor zehn Jahren verstorben ist. Mit der Einführung eines etwas skurrilen Paars verlässt der Film jedoch die kindheitstaugliche Ebene: Dem Ehepaar Magnus und Jette Wilde (Jens Harzer, Marina Galic) gehört unter anderem ein kleines Medienimperium, deshalb ist es im Besitz der Rechte an „Hallo Spencer“. Ein Beraterduo (Aybi Era, Hendrik von Bültzingslöwen) betrachtet die Lizenz als Basis für ein „Cinematic Universe“ und zählt all’ das auf, was Jakob zuvor für sich ausgeschlossen hatte: Er will weder eine 3D-Animation noch eine computergestützte Realverfilmung, sondern „gute alte Handarbeit“; entsprechend fruchtlos sind seine Verhandlungen mit den Wildes. Bei deren Kreation hatte das Autorentrio womöglich einen Berliner Unternehmer und seine Frau vor Augen, die mit dem Kauf eines ostdeutschen Traditionsblatts in die Medienbranche eingestiegen sind.
Foto: ZDF / Gordon Timpen
Soundtrack: Laid Back („Sunshine Reggae“), The 5th Dimension („Puppet Man“), One Thousand Violins („Like One Thousand Violins“), „Das ist die Kunst“ (Dirk von Lowtzow), Dota („Wir rufen Dich, Galaktika“)
Für die Geschichte ist es nicht weiter von Belang, ob man „Hallo Spencer“ je gesehen hat, zumal die Puppen zu Beginn vorgestellt werden. Die Ensemble-Mitglieder tauchen zwischendurch immer wieder mal auf, wenn zum Beispiel der erschütterte Kasi eine Rundfahrt durchs zerstörte „Runddorf“ macht, und Spencer selbst wirkt natürlich ebenfalls mit, aber diese Ausflüge sind ebenso wie die Ausschnitte aus früheren Folgen in erster Linie eine Reminiszenz an die Generation Böhmermann. Interessanter, origineller und naturgemäß bissiger als die nostalgischen Momente sind die Seitenhiebe aufs Mediengeschäft, etwa die Videogespräche mit den verschiedenen Streaming-Anbietern, die alle vom gleichen Personal repräsentiert werden (darunter Olli Dittrich). Wie diese Dienste ticken, erfährt Jakob beim Besuch eines alten Weggefährten (Achim Hall, einst Spieler und Sprecher von Spencer): „Inhalt egal, Hauptsache Content“. Regisseur Timo Schierhorn hat vor seinem fiktionalen Langfilmdebüt unter anderem Videos für Tocotronic gedreht, deren Sänger Dirk von Lowtzow gemeinsam mit den Quietschbeus ein Lied zum Besten geben darf.