Ein Mann fühlt sich verfolgt. Die Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn, krampfhaft hält er eine Aktentasche in seinen kraftlosen Händen. Der Mann ist Molekularbiologe. Und was er da so arglos mit sich herumträgt, sind genmanipulierte, höchst infektiöse Fliegenlarven. Erfunden hat er sie nicht ohne Grund. Der Mann ist Biowaffen-Experte der NATO. Er will aussteigen. Doch das geht nicht mehr. Grimme-Preisträger Hartmut Schoen (“Warten ist der Tod”) erzählt in dem spannenden zweiteiligen TV-Thriller “Gefährliche Nähe und du ahnst nichts” die Geschichte vom Verfall eines Menschen, einem Mann, dem plötzlich klar wird, dass das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Forschung die Menschheit vernichten kann.
Ein Mann an einem Wendepunkt. “Es ist ein aus einer falschen Ruhe und Sicherheit aufgeschreckter Mensch, der plötzlich erkennen muss, dass das, was er macht nicht richtig ist”, betont sein Darsteller Hans-Michael Rehberg. So wie der Theaterschauspieler seinen Professor Buchheim von Beginn an spielt, hat dieser keine Chance mehr: ein gesundheitliches Wrack, ein Mann, der nur noch sein Gewissen beruhigen will. Er will seine hochbrisanten Forschungsdaten ins Ausland schleusen. Doch der MAD kann das nicht zulassen. Rund um die Uhr wird der Wissenschaftler mit allen Mitteln der Überwachungskunst beschattet. Big Brother ist überall. Selbst Buchheims Sohn und seine Bekannten werden observiert.
“Es ist schon faszinierend, was Technik heute vermag”, sagt Regisseur Hartmut Schoen, der auch das Drehbuch geschrieben hat. “Wenn man beispielsweise mit einer Glasfaserkamera von der Größe einer Bleistiftspitze jemanden beobachten kann.” Er habe genau recherchiert, und es hat ihm den Atem verschlagen. “Man muss sich einmal vorstellen, dass man heute Gespräche hinter verschlossenen Fenstern – allein durch die Scheibenvibration – per Infrarot abfragen kann.” Die Überwachungs-techniken sind perfekt, die Menschen nicht. Das macht den besonderen Reiz von “Gefährliche Nähe und du ahnst nichts.“ Hier sind keine Super-Agenten im Einsatz, sondern kleine Beamte, die den Traum von James Bond schnell aufgeben mussten. Die Banalität des Überwachungsalltags ist spürbar. Es ist ein frustrierender Job. Besonders für die weibliche Heldin. Peggy, ein Frischling beim MAD, will gut sein in ihrem Beruf. Doch als sie eine Liebesbeziehung mit Buchheims Sohn anfangen soll, kommt sie mehr und mehr ins Grübeln darüber, was sie hier eigentlich tut. Schoen: “Sie muss sich zunehmend fragen, geht es mir in erster Linie um Karriere und denke ich, dass mich das glücklich macht, oder bleibe ich mir treu und achte auf meine dünnhäutige Seele?” In vielen Szenen ist die von Claudia Michelsen gespielte Peggy Hans Michael Rehbergs und später Johannes Brandrups Gegenspielerin. Dennoch gelingt es Schoen, alle drei Figuren gleichermaßen sympathisch zu zeichnen. In Sachen Identifikation und Spannung ist dieser Zweiteiler vorbildlich, weil er nicht auf die gut/böse-Muster setzt. Selbst Hübchens MAD-Hardliner erhielt eine private Geschichte. Verabscheuungswürdig sind allenfalls die sich verselbständigenden, unmenschlichen Organisationen: die politischen Machtapparate und Überwachungssysteme.
Wie Schoen Moral und Genrekunst verbindet, das war auch der Grund, weshalb Tobias Moretti zu seiner Nebenrolle als Ex-Sicherheitsdienstler, der sich als Sicherheitsrisiko erweist, nicht lange überredet werden musste. “Meine Figur ist ein schräger Loser, fast eine Märchenfigur”, sagt der österreichische Star, dem diese Rolle sichtlich Spaß gemacht hat. Vor allem aber wollte Moretti endlich einmal mit Schoen drehen.
„Der liebt einfach die Menschen, er liebt sie in ihrer Unvollkommenheit. Er ist ein Hingucker auf die alltägliche Wahrheit. Überzeugende Vision einer Bedrohung. Hochspannend“ (TV-Spielfilm)
„Schauspielerisch überzeugt vor allem Hans-Michael Rehberg als alternder, immer weiter verfallender Forscher. Wer den ersten Teil sah, wird auf den zweiten, etwas schwächeren, am Sonnabend nicht verzichten.“ (Hamburger Abendblatt)
„Rehbergs gefühlvolles Spiel lässt nachvollziehen, wie das Menschliche allmählich wieder Überhand über den Ehrgeiz des Wissenschaftlers gewinnt. Hübchen zieht in seinem großkotzigen Chef-Gebaren allen Hass auf sich, um im nächsten Moment am Krankenbett seiner Mutter die Sympathien zurückzugewinnen. Über die gesamten 180 Minuten baut der Film immer wieder eine neue Spannung auf, auch deshalb weil Schoen mit viel Liebe den Blick ebenso auf das Kleine – wie etwa die privaten Sorgen seiner Figuren – lenkt.“ (Kino.de)