Das Anbaggern zeigt nun doch Wirkung. Dorfhelferin Katja ist bei Tierarzt Mark eingezogen. Ein Traummann mit Traumhaus und Traumberuf, wie ihre Chefin ihr vorschwärmt – doch Katja will unabhängig bleiben. Deshalb freut sie sich über ihren neuen Auftrag: Sie muss im Haushalt einer Frau mit Problemschwangerschaft aushelfen. Ein lockerer Job. Da fordert ihr Tochter Kiki momentan mehr ab: Sie leidet schwer unter Liebeskummer; Matze hat eine andere. Aber auch Katjas vermeintlicher Sorglos-Dienst bei einem vermeintlichen Traum-Ehepaar bringt sie alsbald in eine moralische Zwickmühle. So wird sie Zeuge eines zärtlichen Kusses zwischen dem glücklichen Familienvater, dessen Frau im Krankenhaus in den Wehen liegt, und dessen neuem Angestellten. Aktiv werden oder es einfach laufen lassen? Für Katja, die vor Jahren von ihrem Mann selbst betrogen wurde, kann es nur eine Antwort geben.
Die ZDF-Dorfhelferin hilft weiter – in „Frühlingsgeflüster“ muss sie sich fast schon als Liebestherapeutin bewähren. Gefühlschaos zwischen Feld, Wald und Wiese, zwischen Krankenhaus und Kleinbürgermief. Was tun, wenn das Fundament einer Liebe aus Lügen besteht? „Ich hab’ meine Geschichte mit Ihrer vermischt“, sagt die Heldin zum schwulen Familienvater, für den ein Coming-out nicht in Frage kommt. Sie entschuldigt sich, muss dann aber doch eingreifen, wohl wissend, dass eine solche Affäre in einem Dorf wie Frühling, in dem soziale Kontrolle erste Bürgerpflicht ist, nur in einer Tragödie enden kann. Dorfhelferin Katja & der Zuschauer werden Zeuge einer Inszenierung. Die Pervertierung der romantischen Liebe wird uns hier vorgeführt, das Glück alles nur Schein – und das im ZDF-„Herzkino“!
Aber die Liebe kennt auch andere Formen. Die Hauptfiguren machen es vor. Da ist Katja, die unermüdliche Beziehungsarbeiterin, die Simone Thomalla überzeugend spielt, so klein(teilig) und alltagsnah, dass man glatt vergessen kann, wie sie einen als „Tatort“-Kommissarin bisweilen nervt. Da ist Mark, ein Frauenversteher, aber auch einer, der klar seine (männliche) Meinung sagt, mit der er nicht immer falsch liegt. Das muss die Heldin erkennen, aber auch die Zuschauerrinnen, die ohnehin schnurren dürften, wenn Marco Girnths Tierarzt bei Wein und Dämmerschein weich und weise argumentiert. Überhaupt, die typischen Mann-Frau-Gespräche, der beiläufige, für die Zuschauer immer, für die Figuren nicht immer entspannte Austausch von Ansichten und Grundsatzpositionen, aber auch die fast unmerklichen kleinen Sticheleien im Vorbeigehen sind die besondere Stärke dieser fünften „Frühling“-Episode.
Und bei aller Schönheit der Landschaft geht es thematisch mehr denn je um die Enge in der bayerischen Provinz. Aus dieser Enge entstehen Lebenslügen – sogar die Jugend fängt schon damit an. Mit einer sanften Form des Liebeswahns bekommt es die Dorfhelferin schließlich auch noch zu tun. Auch hier macht es die Tochter der Heldin (Carolyn Genzkow hat viele Tonlagen zu meistern) besser als andere: Sie überwindet ihr Liebesleid, lässt los und muss erkennen: was vorbei ist, ist vorbei. Unterstützt werden die Stimmungslagen der neuen Patchworkfamilie von sonnigen Bildern, einer extrem bewegten (oft fliegenden) Kamera und einer sehr flüssigen Montage. Die Filmsprache setzt einen Kontrapunkt zur dörflichen Enge. Es ist auch kein Zufall, dass der Herr Doktor ein frei und allein stehendes Haus am Hang einer Wiese bewohnt. Diese kleinen Fluchten sind auch an den Zuschauer gerichtet. Der dramatische Stoff wird überführt ins visuelle Dur. Der Diskurs über die Liebe wird zum leichten Lehrstück, nicht weltbewegend, aber in sich stimmig & rund. (Text-Stand: 9.1.2014)