Friesland – Der Blaue Jan

Maxim Mehmet, Sophie Dal, Rieke, Weisz, Rensing. Gewohnte Muster, kleine Abweichungen

Foto: ZDF / Willi Weber
Foto Harald Keller

Der Krimiplot von „Der Blaue Jan“ folgt bewährten, in letzter Zeit beinahe ein wenig überstrapazierten Mustern. Die Aneignung des für die Reihe „Friesland“ (ZDF / Warner Bros. ITVP Deutschland) typischen Humors und der Marotten der Stammfiguren erscheint etwas weniger gelungen, könnte allerdings auch Zeichen einer Weiterentwicklung der Charaktere sein. Die Fangemeinde wird das wenig kümmern. Schon mehr hingegen der Ausstieg von Florian Lukas aus der immer erfolgreicher werdenden Samstagskrimi-Reihe. An die neue Figur, verkörpert von Maxim Mehmet, wird man sich erst noch gewöhnen müssen. Das Drehbuch schrieb im Übrigen Jürgen Kehrer (gemeinsam mit Sandra Lüpkes), Erfinder des Münsteraner Privatdetektivs Georg Wilsberg; sein erstes Buch für eine andere Reihe.

Die Verwandtschaft war immer schon da. Arne Nolting und Jan Martin Scharf hatten schon mehrfach für die erfolgreiche ZDF-Krimireihe „Wilsberg“ geschrieben, als sie 2014 mit „Friesland“ ein neues Format etablierten. Wie „Wilsberg“ lebt „Friesland“ von den Komponenten des Regionalkrimis, von trüben Machenschaften in Wirtschaft und Verwaltung, von lokalen Bräuchen und kommunalen Verstiegenheiten. Beiden Reihen gemeinsam ist zudem eine komische Grundierung aus lakonischem Humor und einer mal mehr, mal minder ausgeprägten Spleenigkeit der Figuren. Beide Reihen werden von ZDF-Redakteur Martin R. Neumann betreut. Fast folgerichtig, hier einmal ein „Crossover“ anzuzetteln, wie es US-Serien-Produzenten schon seit langem praktizieren. In der „Wilsberg“-Episode „Morderney“ (6.1.2018) kommt es erstmals dazu – ein Teil des „Wilsberg“-Personals begibt sich in die Sommerferien und trifft an der Küste auf die „Friesland“-Figuren Kommissar Jan Brockhorst (Felix Vörtler) und die „forensische Apothekerin“ Insa Scherzinger (Theresa Underberg). Eine bekömmliche Auffrischung der Langlauf-Reihe.

Friesland – Der Blaue JanFoto: ZDF / Willi Weber
Appetit aufeinander. Wolfgang Habedank (Holger Stockhaus) und Stadtmarketing-Chefin Elke Heseding (Franziska Weisz) haben Gefallen aneinander gefunden.

Ein Gegenbesuch der Friesen im westfälischen Münster zeichnet sich ab. Zunächst aber schrieb Jürgen Kehrer, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Sandra Lüpkes, erst einmal ein Skript für die „Friesland“-Reihe. Das kriminogene Zweiergespann bleibt sich motivlich treu. Eine Lokalpolitikerin wird in ihrem Büro erstochen aufgefunden. Die Mordwaffe: eine historische Harpune. Entgegen allem Dafürhalten ein unauffälliges Gerät, denn am Tatabend beging Leer das Fest des „Blauen Jans“, Gelegenheit für Regisseur Marc Rensing und Kameramann Pascal Schmit, in der Auftaktsequenz eine Gruselstimmung nach Art der deutschen Edgar-Wallace-Filme aufzuziehen – Kopfsteinpflaster, Schattengestalten, Dunst und Düsternis. Die Sagengestalt „Blauer Jan“ ist eine Inkarnation des Teufels und diente einst heimkehrenden Walfängern dazu, in Kostüm und Maske ihre daheim gebliebenen Frauen in Angst und Furcht zu versetzen, um ihnen während ihrer Abwesenheit etwaig aufgekeimte emanzipative Flausen auszutreiben. Einmal im Jahr verkleiden sich vier Leeraner als „Blauer Jan“, streben in allen vier Himmelsrichtungen durch die Straßen der Stadt und treiben ihren Schabernack. In diesem Jahr ist noch eine fünfte Person vermummt und mit Harpune bewaffnet unterwegs, fällt natürlich nicht auf und kann unbehelligt ihre blutige Tat verüben.

Derweil begleitet Streifenpolizistin Süher Özlügül (Sophie Dal) das Treiben andernorts mit missbilligendem Blick. Als sie ihren neuen Kollegen Henk Cassens (Maxim Mehmet) unter einer der vogelähnlichen Larven entdeckt, muss der sich einen entsprechenden Kommentar gefallen lassen. Des misogynen Hintergrunds wegen wollte die nun garstig hingemeuchelte städtische Frauenbeauftragte Gesa Dieken diesen Brauch abschaffen und hatte sich damit Feinde gemacht. Doch da ist noch mehr. Gab es Zank mit ihrem Ehemann Weert Dieken (Janek Rieke), einem Fahrlehrer, dem nachgesagt wird, seinen Fahrschülerinnen etwas zu zutraulich zu begegnen? Aber dann fällt auch Weert dem vermummten Harpunierer zum Opfer. Die Diekens besaßen Grundstücke, die die Begehrlichkeiten eines Investors geweckt hatten. Sie wollten aber nicht verkaufen. Liegt darin das Mordmotiv? Apropos Motiv. Ein ähnliches, die Gier nach lukrativem Bauland, gab es erst in der vorletzten „Friesland“-Folge mit dem Titel „Irrfeuer“ und gerade, vor einer Woche, im besagten Crossover „Morderney“.

Friesland – Der Blaue JanFoto: ZDF / Willi Weber
Oha, wo ist die historische Harpune?! Maxim Mehmet, Holger Stockhaus & Felix Vörtler in „Friesland – Der Blaue Jan“

Mit der Episode „Der Blaue Jan“ übernimmt Maxim Mehmet die männliche Hauptrolle von seinem Vorgänger Florian Lukas. Der Produktionsturnus der Reihe wird auf zwei Filme pro Jahr erhöht, laut ZDF geriet Florian Lukas dadurch in Konflikt mit anderen Verpflichtungen und schied deshalb aus. Die neue Reihenfigur heißt Henk Cassens und wird nicht eigens eingeführt, sondern ist von Anfang an im Geschehen. Am Rande klingt an, dass er nach längerer Abwesenheit nach Leer zurückgekehrt ist. Das Verhältnis zu Süher Özlügül ist eher gespannt. Deren Beschreibung ihrer Partnerschaft lautet: „Ich bin das Hirn, du die Uniform.“

„Friesland“ fällt ins Fach der Krimikomödie. Kehrer und Lüpkes legen den Humor wie sonst auch in „Wilsberg“ bodenständiger, kantiger an als im Vergleich Stefan Rogall in „Morderney“. Friesisch herb sozusagen. So ganz aber ist ihnen die Adaption der fremden Figuren nicht gelungen. Die sonst so typischen, liebevoll feingemeißelten Eigenschaften fehlen. Zumal der quirligen Insa Scherzinger wird das Drehbuch nicht gerecht. Angelegt war dieser Part ursprünglich als gewitzte, wortgewandte, naseweise Hobbyermittlerin, deren liebenswerter offener Art und übersprudelndem Charme nicht einmal der finstere Misanthrop Brockhorst zu widerstehen vermochte. Für die Darstellerin Theresa Underberg, die hier regelmäßig glänzen darf, fast schon eine Lebensrolle. Sie bekommt seitens der Autoren in dieser Folge wenig Spielmaterial, mit dem sich an das etablierte Rollenbild anknüpfen ließe. Entsprechend wird Insa Scherzinger unter der Regie von Marc Rensing zurückgenommen, wirkt charakterlich eher durchtrieben als pfiffig. Natürlich ist ein solcher Stimmungswechsel legitim, sogar Kennzeichen guter Seriendrehbücher. Er müsste aber begründet werden.

Eine leichte Veränderung lässt sich bei der ehrgeizigen Streifenpolizistin Süher Özlügül ausmachen. Süher hat an Kraft und Durchsetzungsvermögen gewonnen. Nicht allen Männern behagt das. Denen auf fiktionaler Ebene nicht, auch nicht manchen im Zuschauerraum vor den Bildschirmen. Zudem wandeln sich Sühers Handlungsmotive. Einst ging sie auf eigene Faust und in stetem Kampf gegen die Bremswirkung ihres eher zögerlichen Partners Jens Jensen den Verbrechen auf den Grund, um ihre Karriere zu befördern. Nunmehr setzt sie ihre Karriere sogar trotzig aufs Spiel, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Eine Entwicklung der fiktionalen Persönlichkeit, die stimmig ist und durchaus begrüßt werden darf, sofern sie denn in den weiteren Folgen entsprechend fortgeführt wird. Freuen darf sich wieder einmal Leers Fremdenverkehrswerbung. Die Farbsättigung ist hier auf Anschlag gestellt, der Himmel tiefblau und mit Schäfchenwolken übersät, die Sonne scheint, Mohnblumen schwanken im zarten Sommerwind. Malerisch. Immerhin landen Süher und Henk dieses Mal im schmutziggrauen Schlick der Ems. In anderen Episoden wurde Leer auch schon mal ein herrlicher Strand angedichtet. Der befindet sich in Wahrheit auf Norderney.

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Reihe

ZDF

Mit Sophie Dal, Maxim Mehmet, Theresa Underberg, Holger Stockhaus, Felix Vörtler, Yunus Cumartpay, Franziska Weisz, Janek Rieke, Peter Jordan, Anna Grisebach

Kamera: Pascal Schmit

Szenenbild: Jutta Freyer

Schnitt: Marco Baumhof

Musik: Thomas Mehlhorn.

Soundtrack: David Bowie („Suffragette City“, Titelmusik)

Redaktion: Martin R. Neumann

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Anton Moho, Sabine de Mardt

Drehbuch: Sandra Lüpkes, Jürgen Kehrer

Regie: Marc Rensing

EA: 13.01.2018 20:15 Uhr | ZDF

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