Sie wurden gefeiert als Schnittstelle zwischen Kraftwerk und der Neuen Deutschen Welle und galten Musikkennern als die Urväter von Techno und Electronica: Fraktus. Doch Mitte der 80er Jahre nach nur drei Langrillen und der Top-50-Single „Affe sucht Liebe“ endete die vielversprechende Karriere von Dickie Schubert, Bernd Wand und Torsten Bage mit einem Paukenschlag: Bei einem Konzert brach Feuer aus, es legte die Halle in Schutt und Asche und zerstreute die drei in alle Winde. Mit dem von diesem Schlussakkord inspirierten Bild, dem Phoenix aus der Asche, will nun der mit nicht allzu großem Talent gesegnete Musikproduzent Roger Dettner ein Comeback von Fraktus anschieben. Ein Hypochonder, ein Spinner und ein Partybumsmusik-Affe, alle drei dazu ausgemachte Egozentriker… für diese Reunion braucht Dettner einen langen Atem und eine noch längere Schleimspur. Als endlich alle mitspielen und auch die Plattenfirma spurt, geht es ins Studio. Dort machen die drei alles außer Musik. Ein Hit-Produzent soll retten, was zu retten ist. Aber ist Fraktus überhaupt noch zeitgemäß?
O-Töne aus der Mockumentary „Fraktus“:
„Ohne Fraktus wäre ich selber nie auf die Idee gekommen, Musik zu machen.“ (H.P. Baxxter)
„Erst Jahre später hat man gemerkt, was für’n Impact Fraktus hatten.“ (Jan Delay)
„Ohne Fraktus hätte es Techno nie gegeben. Weder Kraftwerk, Yello noch New Order haben den Techno beeinflusst, sondern Fraktus.“ (Steve Blame)„Die Studio-Braun-Mitglieder und ihr Schauspieler-Kollaborateur Devid Striesow persiflieren die verschiedensten Formate und Typen. Mal ist es der raunende Erzählton öffentlich-rechtlicher Jugendkultur-Erklärungssendungen wie ‚Pop 2000’, mal der Scripted-Reality-Schmonzes von TV-Reihen wie ‚Die Geissens’ oder ‚Goodbye Deutschland’, der die Überzeichnungsschablone liefert.“ (WELT)
Fraktus“ von Lars Jessen ist die deutsche Antwort auf die legendäre Mockumentary „This is Spinal Tap“ (1984) von Rob Reiner. Der Film zieht auf eine unaufgeregte, angenehm undeutsche Art alles durch den Kakao, was mit der Musikbranche zu tun hat: die Pop-Geschichtsschreiber und selbsternannten Experten, die Plattenbosse, Manager und natürlich die exzentrischen Musiker selbst. Narzissmus und Geniekult sind die Pfeiler, auf denen die Mythologie auch der Rockmusik errichtet wird. Das ist seit den Siebzigern nichts Neues. Das weiß jedes Kind. Aber so entspannt und zugleich lustvoll und irre komisch ist das dem Musikfan lange nicht mehr erzählt worden. Zu Gute kommt den Machern, dass sie tatsächlich Ahnung haben vom Big Business, von der Rockmusik, deren Geschichte und vor allem auch von deren Geschichtsschreibung – wozu nicht zuletzt auch die Art und Weise gehört, in der Popmusik-Dokus aus Statements zusammengebastelt werden. So kommen beispielsweise H.P. Baxxter (Scooter), Jan Delay, Stephan Remmler (Trio), Steve Blame, Peter Illmann, Peter Urban, Westbam, Dieter Meier (Yello) oder Marusha im Film zu Wort.
In dieser wunderbar detailverliebten Rundum-Verarsche stimmt einfach alles: die musikalische Erfindung Fraktus aus dem Geist der frühen 80er Jahre und als Motor für die Electro-Szene, jedes Foto, jedes Cover, jede Pose, jede Floskel („Wir müssen da einfach noch härter dran arbeiten“), jede Phrase („der Spirit von früher“), das Styling der Band, aber auch die angespielten Songs treffen den 80er-Jahre-Zeitgeist und erwisch(t)en gerade noch das Electro-Revival. Und so veröffentlichte das Künstlerkollektiv Studio Braun, Strunk, Schamoni, Palminger, nach der Kino-Premiere ein Album und gingen als Fraktus auf Tour.