Daniela Tannek wohnt in Wien, steht kurz vor ihrer Beförderung zur Oberärztin und ist gerade dabei, sich ihres Ehemanns Franz zu entledigen. Vor Jahren hieß sie einmal Dana Gan, lebte 2000 Kilometer flussabwärts im Donau-Delta, ein Steinwurf vom Schwarzen Meer entfernt. Ihrem Mann und ihrer Tochter hat sie verschwiegen, dass sie Rumänien-Deutsche ist. Sie hat sich ihrer Herkunft geschämt. Als ein 14jähriger Junge, der unverkennbar der Sohn ihres Bruders ist, in Wien auftauscht und sie auffordert, mit ihm in ihre alte Heimat zu kommen, gerät ihr schönes neues Leben in Gefahr. Tiefer Schmerz und Scham befallen sie. Kopfüber verlässt sie Wien. Mit der Tannek-Lüge will sie weiterleben, mit dem vermeintlichen „Verrat“ an ihrer Herkunftsfamilie nicht. Doch der Empfang ist frostig. „Hier wartet keiner auf dich“, herrscht der Bruder seine Schwester an. Eine Nacht bei einem alten Freund, dann nichts wie weg! Doch am nächsten Morgen stehen plötzlich Franz und Tochter Paula fragend vor ihr.
„Wiedersehen an der Donau“ ist eine kleine Perle auf dem romantischen Sonntagsplatz im ZDF. Der Film von Torsten C. Fischer („Romy“) begnügt sich nicht mit dem für „Herzkino“ üblichen eskapistischen Realitätsentwurf. Mit dem fürs Genre typischen subjektiven Zugriff einer weiblichen Hauptfigur, die mit dem Filmbeginn in einen Selbstfindungsprozess eintritt, streift die Geschichte auch historische und sozialpolitische Aspekte der europäischen Gemeinschaft. Die Rumänien-Deutschen und ihre Unterdrückung während der Zeit des Kommunismus’ sind so gut wie vergessen. Auf diese Fußnote der Geschichte ausgerechnet in einem Unterhaltungsfilm hingewiesen zu werden, ist eine erfrischende Durchbrechung der im Fernsehen üblichen Genregrenzen. Und auch geografisch erweitert dieser Film, der an Originalschauplätzen in Rumänien unter schwierigen Bedingungen im Donau-Delta gedreht wurde, im wahrsten Sinne des Wortes den Horizont des „Herzkino“-Zuschauers.
Foto: ZDF / Toni Salabasev
Auch wenn der Ausgangspunkt dieses Films sicher die Überlegung war, einen weitgehend unentdeckten und damit für den Zuschauer reizvollen Landstrich aufzutun, so hat man doch bei „Wiedersehen an der Donau“ aus der Reihe „Fluss des Lebens“ nicht den Eindruck, dass die Geschichte nur Vorwand ist, um das Donau-Delta, dieses telegene Biotop, zu „bespielen“. Dazu ist die Landschaft viel zu sehr eingebunden in die Geschichte der Heimkehrerin und ihren Familien. So wenig wie dieser Selbstfindungsplot auf Harmonie und 100%iges Happy End gebürstet ist, so wenig verklärt der Film diesen Teil Rumäniens zum Sehnsuchtsort. So sehr diese Natur, die so urwüchsig und unberührt wirkt mit ihren schmalen Kanälen und dem sich im Wind wiegenden Schilf überall, auch wild romantische Gefühle weckt, die Armut, die Einfachheit des Lebens hier bleiben stets spürbar, so wie der Staub, der über die kargen Wege weht, eine Ahnung davon gibt, was es bedeutet, in diesem einsamen Landstrich mit den vergessenen Menschen zu leben. Auch die Hitze des Sommers macht sich mitunter in den Bildern breit. Die Geschichte sagt es, aber auch die Bilder: Das ist eine sterbende Kultur.
Der Fluss wird zur Lebensader. Er beeinflusst sichtlich die Menschen, die entlang des Ufers leben. Der Fluss spiegelt damit auch Landschaft und Leute, sagt etwas aus über den „Geist“, der an diesem Fluss herrscht. Das ist ideal für Filme, die davon leben, wie Mensch und Milieu auf spezifische Weise zusammenfinden. Der Reihentitel „Fluss des Lebens“ wird so zur Metapher und einem Versprechen, das „Wiedersehen an der Donau“ sehr viel stimmiger einlöst als der erste Versuch der Reihe, „Verloren am Amazonas“, der das Existenzielle weitgehend unter dem Liebesmelodram begrub. Die Fragen, die der zweite Film stellt, sind nicht die Fragen, die ein Diskurs-Drama stellt, und auch die Antworten sind universaler Art. „Man kann vor der Vergangenheit nicht davonlaufen“ oder „Man sollte sich seiner Herkunft nicht schämen“ – das mögen Gemeinplätze sein. Solche vermeintlich banalen Subtexte sind aber der richtige Nährboden für Unterhaltungsfilme, die nicht mehr wollen (und das ist schon einiges), als den Zuschauer für ein Gefühl, eine Haltung, eine Lebensdevise, zu sensibilisieren.
Foto: ZDF / Toni Salabasev
Die Frage des „Wie“ entscheidet dabei weitgehend über die Qualität des Films. „Wiedersehen an der Donau“ ist ein ästhetischer Gewinn fürs ZDF am Sonntagabend. Torsten C. Fischer und Kameramann Hagen Bogdanski locken den Zuschauer mit Bildern, die gleichsam das poetische als auch das realistische Potenzial des Donau-Deltas einfangen. Realistisch ist auch der Umgang mit der Sprache. Die Doppelsprachigkeit ist Teil der Geschichte, Teil der Verdrängung, Teil der Abspaltung der eigenen Kultur, Teil der verschütteten Gefühle. Und die guten, stimmig gecasteten Schauspieler sind – anders als bei Pilcher oder häufig bei „Inga Lindström“ – nie Stichwortgeber vor Landschaft. Das liegt auch daran, dass die Konflikte ernst genommen werden. Und dass die aktuelle Beziehungskrise mit der aus der Kindheit mitgeschleppten „Krise“ vielleicht(!) bewältigt werden könnte, ist weit mehr als ein dramaturgischer Kniff. Beide Krisen haben denselben Kern. (Text-Stand: 1.6.2014)