„Roberta ist die Arschkarte unter den Müttern – und ich habe sie gezogen.“ Die knapp 16-jährige Nana ist immer öfters genervt von ihrer Mutter. Die ist Ende 30, hat ihr Leben aber noch nicht auf die Reihe bekommen. Sie arbeitet als Reisebegleiterin in einem Dorf an der deutsch-schweizerischen Grenze. Ständig kreuzen Männer ihren Weg, immer sind es die falschen: Alkohol, Versprechungen, Sex, der große Rausch, danach kommt das böse Erwachen und Nana muss das Chaos stets ausbaden – sprich: sich um die kleineren Geschwister kümmern. Nach einem Nacktbadeunfall mit Liebhaber setzt das Jugendamt der flippigen Mutter das Messer auf die Brust: Roberta hat drei Monate Zeit, ihren Lebenswandel zu ändern. Keine Männer, keinen Alkohol, keine Abstürze, sie kriegt das zwar hin, hält sogar Zwiesprache mit einer Leidensgenossin, der Jungfrau Maria, dafür aber findet sie keine Arbeit mehr. Derweil machen sich die Kids immer größere Sorgen um ihre Mutter und befürchten, dass sie bald wieder irgendeinen unmöglichen Typen anschleppt. Also suchen sie selbst – und finden den neuen Landarzt. Blöd, dass sich Nana selbst in den Halbgott in Weiß verliebt…
Foto: SWR / Antonelle
Güzin Kur bezeichnet ihren Debütfilm „Fliegende Fische müssen ins Meer“ treffend als „Dramödie“. So wie sich Tragik und Komik in dieser sympathischen kleinen deutsch-schweizerischen Kino-Koproduktion durchmischen, so sind auch die Motive der Handlung in unterschiedlichen Genres zuhause: die Mutter-Tochter-Kiste erinnert ein wenig an den Hollywoodfilm „Meerjungfrauen küsst man nicht“ oder den Fernsehfilm „Unsere Mutter ist halt anders“ mit Martina Gedeck; die Geschichte des jungen Mädchens, das zu früh Verantwortung übernehmen muss, ist ein beliebtes Rollenmuster im TV-Drama, genauso wie die Kids, die einem Elternteil den richtigen Partner verpassen wollen. Dennoch hat man als Zuschauer nicht den Eindruck, das alles so schon zu oft gesehen zu haben. Dafür sind die Zutaten zu ungewöhnlich, ist die Filmsprache zu frisch und verspielt: schräger Humor, skurrile Typen, schrille Optik – diese doppelte Coming-of-age-Story besitzt augenscheinlich etwas vom Charme der „Fabelhaften Welt der Amélie“. Ästhetisch wird offenbar eine Art Neo-Jugendstil angestrebt, der in der von Meret Becker wunderbar „authentisch“ verkörperten Hauptfigur und dem kichernden Frauendorfclub ihre Entsprechung findet.
Die zweite Hauptfigur, die sich ständig sorgende Teenager-Tochter, schlägt eine ganz andere Tonart an. Elisa Schlott („Das Wochenende“) gibt Nana, dem Drama ihrer Jugend, ein Gesicht, sorgt für leise Töne und mitfühlende Momente. Beide Seiten von „Fliegende Fische müssen ins Meer“, das Komisch-Grelle und das Nachdenklich-Emotionale, sind für sich genommen faszinierend, doch so richtig zusammen gehen sie nicht. Auch trägt die Dramaturgie der überraschenden Knallbonbons nicht die ganzen 85 Minuten und die Dialoge sind zu sehr auf Pointe getrimmt. Dennoch: ein bemerkenswerter Debütfilm, originell überspitzt erzählt, liebevoll inszeniert und filmsprachlich überaus einfallsreich.