„Leidenschaft auf vier Beinen: die Kriminalkommissarin und der Polizeipsychologe – ja, geschieden müsste man sein!“ Ein bisschen Nachhilfe in „Flemming“-Vorgeschichte muss sein. Die Einschaltquoten der ersten Staffel waren wenig berauschend, aber sowohl das Konzept als auch das Hauptdarsteller-Duo waren für eine Krimi-Serie so erfrischend anders, dass sich das ZDF für eine zweite Staffel entschieden hat. Um offenbar noch ein paar Zuschauer hinzu zu gewinnen, gibt es zum Start einige jener frei schwebenden Klugscheißer-Psycho-Monologe weniger, statt dessen unterzieht der Polizeipsychologe einen Verdächtigen dem Dauerbeschuss verunsichernder Sätze, um so dessen Aggressionspotenzial abzurufen. Diese eindringliche Szene am Rande der Psycho-Folter korrespondiert mit der wuchtigen Eingangsszene, in der derselbe ehemalige Straftäter auf dem „heißen Stuhl“ innerhalb eines Anti-Aggressionstrainings sitzt. „Die Stufen der Lust“ heißt die Episode. Doch was Flemmings Schützling in den beiden Szenen erlebt, sind eher die Stufen der Wut.
Nach der Sichtung einer weiteren Folge der neuen Staffel erhärtet sich der Eindruck, dass die selbstverliebte Intellektualität der Heiligengestalt Flemming zurückgefahren wird. Der Womanizer treibt seine Spielchen zunehmend näher am klassischen Krimi-Konzept. Allein, er will noch immer lieber verstehen statt richten. Auch, wie er die Frauen sieht und liebt, scheint sich verändert zu haben. Schon in der ersten Folge erkennt die attraktive Bewährungshelferin (Nicolette Krebitz) in seinem Blick nur „die eine, die Einzige“. Und die, Kommissarin Ann Gittel, holt sich ihren Ex mal eben wieder ins Bett zurück und – ist schwanger von Flemming.
Ausgerechnet in der Folge „Sexsüchtig“ stellt er seinen Körper endgültig auf Familienmodus. Sagt er jedenfalls. Ann kennt ihren Vincent, dem öfters „mal was aus der Hose springt“, wie er es selbst gegenüber einem Tatverdächtigen formuliert, und lehnt deshalb seinen Heiratsantrag ab. Dennoch wird das Potenzial der beiden Figuren stärker vereint. Auch Samuel Finzi und Claudia Michelsen kommen im Miteinander sympathischer und liebenswerter herüber als im spielerischen Gegeneinander – was für eine deutsche Serie seit jeher die beste Voraussetzung für Erfolg ist. Außerdem könnte die Situation, ein geschiedenes Paar bekommt ein Kind, mehr Zwischentöne zulassen als die Idee vom glücklich geschiedenen, sich immer noch liebenden Paar, das gemeinsam ermitteln muss und dabei fast immer anderer Meinung ist. „Man kriegt wärmere Töne in diese Beziehung rein“, glaubt Drehbuchautor Gregor Edelmann. „Das ist etwas anderes, als wenn die zwei sich nur über Kriminalfälle streiten, oder darüber, in welcher Dame Vince die letzte Nacht gesteckt hat.“
Mehr Konsens auch im Team: Maren Kroymanns Kriminaldirektorin hat als Frau einen anderen „Zugang“ zu Flemming und seinen Methoden als der von Felix Vörtler feist und ignorant gespielte Vorgänger. Etwas Farbe und schrägen Touch bringt die esoterisch angehauchte Chefsekretärin, gespielt von Nadja Petri, ins Spiel. Schade, dass mit dem Verlust des Freigeistigen auch Flemmings Freund ausgemustert wurde: Hanns Zischler hat die Serie beträchtlich aufgewertet. Ein herber Verlust ist der Verzicht auf Regisseure mit Handschrift: Alle Folgen wurden von Serien-Routinier Bernhard Stephan gedreht. Wäre nicht das Charisma der Schauspieler – „Flemming“ könnte leicht im Mittelmaß versinken.