“Was bin ich? Ein Souvenir deiner alten Liebe?“ Dahna weiß nicht so recht, was sie von ihrem Vater halten soll. Ihre Mutter Ayana, geboren in Kenia und einst ein in Europa gefeiertes Fotomodell, hat ihr Victor Frey auf dem Sterbebett als ihren „Erzeuger“ präsentiert. Sie war die Liebe seines Lebens. Und jetzt ist dieser Mann, ein Patriarch alter Schule und ein weltweit erfolgreicher Kosmetikhersteller, wie vernarrt in seine frisch gebackene Tochter. Er will sie zur Geschäftsführerin einer Stiftung machen, die der Hilfsorganisation ihrer Mutter zugutekommen soll. Außerdem beschließt er, ein neues Parfum herauszubringen namens Ayana, um seiner Liebe ein Denkmal zu setzen. Ehefrau Alexa und Tochter Isolde sind mehr als irritiert. Der Haussegen hängt schief, die Stimmung in der Firma ist angespannt. „Alles ist wie damals…!“, orakelt die Herrin des Hauses. Und ein altes Familiengeheimnis drängt ans Licht.
„Was sind das für Menschen? Was ist das für eine Familie?“, fragt sich die weibliche Hauptfigur in Carlo Rolas „Familiengeheimnisse“. Eine Afrikanerin rechnet ab mit der westlichen Lügengesellschaft, in der Kapital und Gefühle gedankenlos miteinander vermengt werden. Der 140-Minüter setzt auf klare Konflikte und eine geradlinige Erzählung. Was den Film von Carlo Rola reizvoll macht, sind die dichten, emotional ausgespielten Szenen, die sich auf dem schmalen Grat bewegen zwischen Familiendrama & melodramatischen Archetypen, zwischen Wahrheit & Trivialität. Dieser Film gibt Rätsel auf – weniger die Geschichte betreffend (die Geheimnisse werden nach & nach offen gelegt). Das Rätsel dieses Films sind seine formalen Merkwürdigkeiten, in denen sich offenbar die Produktionsgeschichte spiegelt.
Foto: ZDF / Carlo Rola
„Familiengeheimnisse“ (Trailer) sollte eigentlich als Event-Zweiteiler über die ZDF-Bühne gehen. Drei Wochen vor Ausstrahlung lag noch keine endgültige Sendefassung vor. Mal wirkt die Szenerie seltsam spröde, mal werden die Worte bedeutungsschwer und hölzern in die luxuriöse Welt hinausgesagt. Dann wieder ist großes, elegantes Melodram hinter solchen vordergründigen Banalitäten zu entdecken. Besonders überzeugend sind die Schauspieler, die in der zweiten Reihe stehen: Jördis Triebel als alkoholkranke Berufszynikerin, Barnaby Metschurat als exhibitionistisches Künstler-Klischee, Hans-Jochen Wagner als diplomatischer Leisetreter und Devid Striesow als hinterfotziger Intrigant. Der Film ist in der vorliegenden Fassung angenehm „trocken“ inszeniert. Die Szenen sind weder zugetextet noch – was das Sounddesign angeht – zugedröhnt. Ob das allerdings so bleiben wird? Wirkungsvoll der Einsatz des leitmotivisch verwendeten Songs „Hurdy Gurdy Man“ von Donovan.
„Familiengeheimnisse“ versucht die Mischung aus TV-Drama, Familien-Saga und klassischem Melodram à la Douglas Sirk („In den Wind geschrieben“). Angenehm sind die konzentrierte Handlung und Charaktere, die zwar wenig Tiefe besitzen, aber dafür effektvoll zur Schau gestellte Tragik und Charisma mitbringen. Dramaturgisch (durch die kurzfristige Kürzung) steckt der Film voller kleiner Ungereimtheiten, der Sprachduktus ist zu einheitlich, die großen Sätze („alles kommt wieder hoch“) bekommen zu viel Gewicht, und der Erzählrhythmus des Films stimmt nicht. Auf die 180-Minuten-Fassung hätte man gespannt sein können!
Foto: ZDF / Carlo Rola