Wenn die Kinder aus dem Haus sind, hat die Ehekrise Zeit zu gedeihen
20 Jahre hat sich Sabine Schröder (Ann-Kathrin Kramer) nach der Familie gerichtet: „Jetzt bin ich mal dran!“, unterbreitet sie ihrem erstaunten Ehemann Philipp (Harald Krassnitzer), nachdem nun auch der jüngste ihrer drei Söhne aus dem Haus ist. Zunächst will Sabine einfach nur etwas mehr Zeit mit ihrem Mann verbringen, will Versäumtes nachholen, dabei muss es gar nicht unbedingt ihr lang gehegter Traum einer Rio-Reise sein, ein Salsa-Kurs würde es fürs erste auch schon tun oder mal ein gemeinsamer Kinobesuch. Philipp braucht das offenbar nicht, ihm genügt sein bisheriges Leben, und er ist nicht bereit, bei seiner Arbeit Abstriche zu machen, obwohl er das als Inhaber einer gut laufenden kleinen Elektronik-Firma durchaus könnte. Eine Ehe-Therapie macht deutlich, dass sich die beiden auseinandergelebt und so gut wie nichts mehr zu sagen haben. Die Versuche, gemeinsamer Unternehmungen, ein Tanzkurs, ein Wattausflug und ein Konzertabend, enden im Desaster. Die Alarmglocken läuten beim Ehemann erst, als Sabine sich ein eigenes Leben aufzubauen beginnt: Sie arbeitet wieder in ihrem Beruf als Krankenschwester und bekommt von ihrem Chef (Dominic Raacke) ein lukratives Angebot. Ob da noch Platz ist für einen gemeinsamen Weg mit Philipp?
Foto: Degeto / Georges Pauly
Traditionelle Rollenverteilung, Pragmatismus & das „Aussitzen“ als Lösung
Wenn die Kinder das Haus verlassen, beginnt auch für die Eltern ein neuer Lebensabschnitt. Die Trilogie „Eltern allein zu Haus“ erzählt von Beziehungen auf dem Prüfstand, von eingeschlafenen Gefühlen, von Ehen, bei denen „Reparaturen“ zu spät kommen oder noch etwas zu retten ist, von Neuanfängen und davon, dass Eltern auch Eltern bleiben, selbst wenn sie getrennt leben und ihre Kinder (fast) erwachsen sind. Für „Die Schröders“, den ersten Film dieses bemerkenswerten ARD-Projekts, hat Nina Bohlmann, die die Drehbücher zu allen drei Filmen geschrieben hat, in eine typische Mittelstandsfamilie hineingeleuchtet: Er hat sich vom Handwerker zum Kleinunternehmer hochgearbeitet, sie hat ihren Beruf mit Anfang 20 aufgegeben, um das Familienleben mit drei Jungs zu managen. Große Glücksansprüche scheint der Ehemann nicht zu haben; Pragmatismus ist oberste Ernährerpflicht. Hauptsache der Laden läuft, der Alltag inklusive seiner Ehe funktioniert und den Kindern wird es „mal besser gehen“. Er hat keine Lust, seine Frau zu bespaßen, aber er möchte sie auch nicht verlieren. Sie beginnen eine Paartherapie, bei der er aber nur mitmacht, um sie zu besänftigen und um damit zu kaschieren, dass er am liebsten alles beim Alten belassen würde. Er bewegt sich erst, als seine Frau ihn mit eher simplen „Tricks“ aus der Reserve lockt: Eifersucht und ein Ultimatum. Letzteres versteht ein Geschäftsmann, der tagtäglich mit Terminvorgaben zu tun hat, einfach besser als die „neumodischen“ Methoden einer Psychotherapeutin.
Der Trilogie-Faktor: die „gemeinsamen“ Szenen der drei Filme
„Eltern allein zu Haus“ sind drei Einzelstücke, angesiedelt zwischen Komödie & Dramödie, die nicht thematisch zusammengehören und deren Geschichten auch konkret korrespondieren. So gibt es mehrere Szenen, beispielsweise die Abi-Feier, das Treffen in einem Konzert, im Fitnesscenter oder des Öfteren im Krankenhaus, in denen Charaktere aller drei Filme sich begegnen. Die Perspektive wird jeweils bestimmt von den Titelgebern. Bei „Die Schröders“ registriert man den Trilogie-Faktor interessiert, bei „Die Winters“ sind die sich überschneidenden Szenen schon ein bisschen aufschlussreicher und im dritten Film, „Frau Busche“, lassen sich dann auch die letzten dezenten Fragezeichen beantworten. Diese gefühlten zehn, zwölf „gemeinsamen“ Minuten eines jeden Films sind ein spielerischer Mehrwert für den Zuschauer. Wer nur eine Episode sieht, mag zwar etwas „verpassen“, ist sich dessen aber nicht bewusst; unverständliche Momente gibt es für den „Einzeltäter“ jedenfalls nicht. Besonders für den Unterhaltungssendeplatz am ARD-Freitag, an dem als Reihe bisher allenfalls „Hotel Heidelberg“ überzeugen konnte, ist diese Format- und Themenidee doppelt wertvoll. Und so gibt es bei allen drei Filmen für das kluge Degeto-Konzept einen halben ttv-Stern obendrauf!
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Dem Alltag abgelauschte Geschichten, die zunehmend mehr Spaß machen
„Eltern allein zu Haus – Die Schröders“ erzählt von einer klassischen Beziehungskrise in Form einer Dramödie. Das Problem wird trotz der heiteren, lockeren filmischen Gangart nicht verniedlicht, die geschilderte Situation des Paares erscheint aber auch nicht als hoffnungslos. Man muss sich einsehen in diese etwas naive Dramaturgie, bei der die Geschichte ganz dem Alltag, altbekannten Situationen und Konflikten, abgelauscht wird, und man muss sich gewöhnen an diese ungleichen Ehepartner, die zunächst ein bisschen sehr stereotyp ihre unterschiedlichen Wesensarten an den Tag legen müssen. Die zunehmende Verdichtung der Handlung, die Nebenfiguren, die in den Episoden zwei und drei als Hauptcharaktere weitergesponnen werden, die ebenso psychologisch aufschlussreichen wie für den Zuschauer unterhaltsamen Therapiesitzungen machen den Film von Josh Broecker („Der große Schwindel“), der auch „Die Winters“ und „Frau Busche“ inszeniert hat, aber von Minute zu Minute sehenswerter. Entscheidend tragen dazu auch die beiden Hauptdarsteller bei: Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer, die bekanntlich auch im wahren Leben ein Paar sind. Sie spielt die Strahlefrau, die hinter ihrem Dauerlächeln nach außen sehr stimmig ihre Unsicherheit zu verbergen versucht, er mimt den griesgrämigen Brummbär, der bald nur noch auf dem Gymnastikball in voller Breite seinen Mann sitzt. Und wenn der Herr des Hauses nach einem Leitersturz im Krankenhaus landet, dort unter Schmerzen jammert, während im Hintergrund seine Frau mit dem Herrn Doktor turtelt, dann ist das zwar weder große Komödienkunst, noch dramaturgisch aufregend, macht aber, nachdem man mit der aktiven Glückskämpferin und dem scheinbar unverbesserlichen Pantoffelhelden warm geworden ist, großen Spaß. Und in diesem Stil geht es weiter. Er (ironisch): „Roter BH für die Arbeit, schick!“ Sie: „Ich habe nur bunter BHs.“ Er (ernst): „Du hast auch einen fleischfarbenen.“
Einladung zur Selbsterkenntnis – spielerisch, unverkrampft, hoffnungsfroh
Alltagsnähe ist die Rezeptur dieser ARD-Trilogie. Damit besitzen ihre Geschichten für die meisten Zuschauer einen großen Wiedererkennungswert und eine außerordentlich hohe Anschlussfähigkeit. Erfreulicherweise funktionieren die drei Filme nur bedingt über das Muster Sympathie/Antipathie. Statt dessen darf man als Betrachter den Protagonisten von höherer Warte aus, mit launiger Distanz, bei ihren tragikomischen Kommunikationsproblemen zuschauen. Und dabei bestimmt weniger die Psychologie des Einzelnen als vielmehr das Interaktionsmuster die Beziehung. Auch wenn oder gerade weil jeder der beiden Schröders in ihren Sitzungen bei der Psychotherapeutin vor allem Recht behalten will und den schwarzen Peter dem anderen zuschiebt, so steht doch über allen drei Episoden von „Eltern allein zu Haus“ die Psychotherapeuten-Weisheit: Zu jeder Beziehungskrise gehören immer zwei. Wird auch keine der Figuren von vornherein disqualifiziert, so dürfte dennoch jeder Zuschauer seine „Favoriten“ haben. Das sagt – genauso wie die Präferenz für einen der drei Filme (dem Kritiker gefällt „Frau Busche“ am besten) – auch viel über die Neigungen und Erfahrungen des jeweiligen Zuschauers aus. Insofern lädt diese mehr als respektable TV-Trilogie spielerisch, unverkrampft und hoffnungsfroh zur Selbsterkenntnis ein. Und wer glaubt, ihn würde das alles nichts angehen, der wird auch seinen Spaß haben. (Text-Stand: 26.2.2017)
Foto: Degeto / Georges Pauly