Einstein (Staffel 2)

Tom Beck, Annika Ernst, Rolf Kanies, Dinter, Ritzenhoff. Der alte Schwung ist hin

Foto: Sat 1 / Martin Bauendahl
Foto Tilmann P. Gangloff

Die kriminalistischen „Abenteuer“ des genialen, unheilbar kranken Wissenschaftlers, der an einer Lösung aller Energieprobleme arbeitet und unfreiwillig zum Polizeiberater wird, gehen in die zweite Staffel. In den zehn neuen Folgen von „Einstein“ wollten die Verantwortlichen offenbar neue (ältere) Zuschauer erschließen. Das Augenmerk der Bücher scheint nun stärker im zwischenmenschlichen Bereich zu liegen. Verzichtet wird außerdem auf die angewandte Physik; die oftmals verblüffenden Experimente, mit denen der Professor seine Theorien untermauerte, fehlen ebenso wie die dialogisch gut integrierten wissenschaftlichen Fakten. Vor allem das Tempo sucht man vergebens. „Einstein“ ist im TV-Alltag angekommen.

Die zweite Staffel ist wie eine Begegnung mit einem alten Freund, den man länger nicht gesehen hat und der von einer schweren Krankheit genesen ist: Aus unerfindlichen Gründen ist der Serie zumindest in den ersten beiden von zehn neuen Folgen das Tempo abhanden gekommen, was sich prompt negativ bemerkbar macht; und das nicht nur, weil die flotte Schnittfrequenz ein gewisses Alleinstellungsmerkmal der Serie darstellte. Für die Inszenierung sind nun verschiedene Regisseure verantwortlich (Dominic Müller, Felix Stienz und Oliver Dommenget). Gerade die Bildgestaltung unterscheidet sich deutlich von der ersten Staffel. Thomas Jahn (Regie/Kamera), vom dem auch der 2015 ausgestrahlte Pilotfilm stammte, hatte den aufwändig gestalteten Bildern in Staffel 1 eine beeindruckende Virtuosität verliehen.

In Staffel 2 wollten die Verantwortlichen offenbar nicht nur neue Reizpunkte setzen, sondern auch neue Zuschauer erschließen, selbst wenn Menschen jenseits der 50 gar nicht mehr zur Sat-1-Zielgruppe gehören. Das Augenmerk der Drehbücher (wieder von Matthias Dinter und Martin Ritzenhoff) scheint nun stärker im zwischenmenschlichen Bereich zu liegen. Diese Ausrichtung wird von Angela Roy repräsentiert, die dank diverser „Traumschiff“-, „Pilcher“- und „Lindström“-Filme eine typische Vertreterin des ZDF-„Herzkinos“ ist und auch „Einstein“ prompt um eine entsprechende Ebene ergänzt. Sie spielt Winterbergs Mutter, die bislang in Amerika gelebt hat und nun Rektorin der Uni wird. Angeblich ist Constanze Winterberg Professorin für Psychiatrie; entsprechende Nachweise bleiben die Rolle und ihre Darstellerin jedoch schuldig. Stattdessen mischt sich die Frau ständig in das (Liebes-)Leben ihres Sohnes ein. Für weitere Auflockerung soll Constanzes Liaison mit Stefan Tremmel (Rolf Kanies) sorgen, dem etwas eingebildeten Vorgesetzten der Kommissarin. Zur horizontalen Ebene gehört zudem das von Anfang an im Ungefähren verbleibende Verhältnis zwischen Winterberg und der Polizistin. Die Dialoge wirken zwar mitunter wie aus einer romantischen Komödie, aber die beiden wahren stets Distanz, was sie nicht davon abhält, die amourösen Engagements des anderen misstrauisch zu beobachten; boshaft torpediert Winterberg eine sich anbahnende Beziehung zwischen Elena und einem Unikollegen. Weiteres Merkmal für eine geänderte Ausrichtung der Serie ist der Verzicht auf die angewandte Physik; die oftmals verblüffenden Experimente, mit denen der Professor seine kriminalistischen Theorien untermauerte, fehlen ebenso wie die gut in die Dialoge integrierten wissenschaftlichen Fakten. Geblieben ist dagegen das Gestaltungsmerkmal, mit dem visualisiert wird, wie die kleinen grauen Zellen des Physikers auf Hochtouren arbeiten: weil dann Vektoren und Formeln durchs Bild schießen.

Dass sich die zweite „Einstein“-Staffel nicht an ein junges Publikum richtet, verdeutlichen auch die Fälle. In Folge 1 stirbt ein YouTube-Star, als sie gerade ihre neu erworbenen Produkte vorstellen will. Es gibt zwar einige hübsche parodistische Momente, aber im Großen und Ganzen wirkt die Geschichte, als solle sie ein älteres Publikum auf spielerische Weise über diese jugendliche Parallelwelt informieren. Die darstellerischen Leistungen der jungen Mitwirkenden sind allerdings zum Teil von ähnlichem Niveau wie die tatsächlichen YouTube-Videos. Während dieser Auftakt zur zweiten Staffel trotzdem thematisch interessant ist, geht es in Folge 2 um den Streit eines gemeuchelten Taubenzüchters mit seinem Nachbarn, der sich über den Vogelkot aufregt. Das ist zwar ein typischer Ruhrgebietsstoff, aber die Umsetzung ist ähnlich aufregend wie der Inhalt. „Einstein“ ist im Fernsehalltag angekommen.

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Serie & Mehrteiler

Sat 1

Mit Tom Beck, Annika Ernst, Rolf Kanies, Haley Louise Jones, Paul Bohse, Yung Ngo, Angela Roy, Laura Berlin, Christian Hockenbrink

Kamera: Ralf M. Mendle, Paul Pieck

Schnitt: Ingo Recker, Rainer Nigrelli, Amina Lorenz

Musik: K. S. Elias

Redaktion: Patrick N. Simon

Produktionsfirma: Zeitsprung Pictures

Produktion: Michael Souvignier, Dominik Frankowski

Drehbuch: Matthias Dinter, Martin Ritzenhoff

Regie: Dominic Müller, Felix Stienz, Oliver Dommenget

EA: 13.02.2018 20:15 Uhr | Sat 1

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