Krimi-Fans hassen es, wenn man ihnen verrät, wer der Mörder ist. Aber manchmal kann es auch ganz reizvoll sein, den Ermittlern dabei zuzuschauen, wie sie sich auf völlig falschen Fährten verrennen. Die Spannung entsteht so auf gleich zwei Ebenen: hier die Polizisten, die im Dunkeln tappen; dort die Ganoven, die sich in Sicherheit wiegen, weil ihnen ein vermeintlich perfektes Verbrechen gelungen ist. Stephan Wagner erweitert seine komplexe Geschichte noch um eine dritte Ebene, und er verknüpft alle drei meisterlich miteinander.
Der Fall klingt allerdings etwas konstruiert: Nils (Janek Rieke), Sprössling einer vornehmen Hamburger Anwaltsdynastie, hat mit seinem Porsche Cayenne einen Polizisten überfahren. Offiziell sitzt er allerdings zur gleichen Zeit im Oberlandesgericht und legt eine juristische Prüfung ab. Er kann sich also nicht stellen, denn sonst würde der ganze Schwindel auffliegen: Sein Onkel hat ihm die Anteile an der Kanzlei unter der Bedingung vermacht, dass er das erste Staatsexamen besteht. Das ist schon mal schiefgegangen. Beim zweiten Fehlversuch würde das Vermögen in eine gemeinnützige Stiftung übergehen. Daher ist sein ehrgeiziger Bruder Morton (Matthias Koeberlin) in Nils’ Rolle geschlüpft, und er sorgt auch dafür, dass das angeblich gestohlene Auto verschwindet. Luxuskarossen dieser Art sind zwar nicht so häufig, aber Nils hat ja ein staatlich geprüftes Alibi. Die schlechten Karten liegen nun beim Autoschieber, dem Morton den Porsche untergejubelt hat: Der tote Polizist, ein Hauptkommissar aus dem Drogendezernat, hat mal gegen ihn ermittelt. Alles passt perfekt zusammen; zu perfekt für den Geschmack von Jenny Berlin (Aglaia Szyszkowitz).
Spätestens jetzt beginnt Wagners Konstrukt ein bisschen zu wanken, denn wenn die Polizei einen Täter auf dem Silbertablett bekommt, wird sie in der Regel danke sagen und den Fall abhaken. Man muss also akzeptieren, dass die Nase der Heldin nicht bloß hübsch ist, sondern auch sprichwörtlich spürt, wenn was faul ist. Dabei steckt auch sie ganz woanders, zumindest gedanklich: Im Zuge der Ermittlungen ist Jenny, studierte Juristin, ihrem alten Professor (Peter Simonischek) für Strafrecht über den Weg gelaufen. Sehr zur Freude der Kollegen , die sie fortan nach Kräften necken, gab’s da mal was, das sich prompt neu entfacht. Geschickt nutzt Wagner die Gelegenheit, um auch mal die andere Seite von Jenny Berlin zu zeigen: Sex haben deutsche Fernsehkommissarinnen sonst nie. Leider wird’s wohl auch bei der Ausnahme bleiben, denn Simonischek gehört keineswegs ab sofort zum festen Team, was ohne Frage schade ist: Wagner opfert die Moral des Professors, der stets den Standpunkt „Lehre ist Ehre“ vertreten hat, der großen Handlungsverknüpfung am Ende.