Dominik Graf ist einer der letzten „Systematiker“ des deutschen Films. Nachdem er im Kino wenig Glück hatte, entdeckte er das Fernsehen, das ihm in den 80er mit „Der Fahnder“ die nötige Starthilfe für seine Karriere gab, ein Jahrzehnt später für sich noch einmal neu. Mit „Der Skorpion“, „Frau Bu lacht“ oder „Sperling“ war er Vorreiter für das moderne, ästhetisch gehobene Genre-TV. Selbst heute, wo es scheint, dass andere zu ihm aufgeschlossen haben, sprengt er das Gewohnte. Aktuelles Beispiel: „Eine Stadt wird erpresst“. Es ist ein Polizeifilm alter Schule und damit wirkt der rasante Thriller mit seinem rauen Neo-Noir-Stil im Gegensatz zum oftmals gelackten Krimi-Look der Konkurrenz sehr viel aufregender.
So systematisch wie sich Graf dem Fernsehen verschrieben hat – mit Projekten, Reihen, Trilogien, so systematisch geht der Münchner auch an die Themenpalette seiner Filme. Dabei arbeitet er dem Beliebigkeitsprinzip der Populärkultur immer wieder entgegen. Ihn interessiert, in welchem sozialpsychologischen Zusammenhang seine Geschichten stehen. Nachdem er fürs ZDF drei Frauen-Porträts zeichnete, die zeigten, dass entgegen aller Medienberichte die Macht noch immer beim Manne liegt, widmete er sich zuletzt in „Hotte im Paradies“ und zwei überragenden „Polizeirufs 110“ dem Themenkomplex Sex und Konsum. Mit „Der Rote Kakadu“ hat er die DDR entdeckt und nun mit „Eine Stadt wird erpresst“ spüren er und sein Ko-Autor Rolf Basedow heutigen Befindlichkeiten im Osten Deutschlands nach.
Foto: ZDF
Ausnahmezustand in Leipzig. Die Stadt wird erpresst. Diamanten in Millionenhöhe sollen den Besitzer wechseln. Die Polizei geht auf die Forderungen ein, in der Hoffnung, dass sich der Aufwand an Technik und Logistik, mit dem die Diamantenübergabe überwacht wird, auszahlt und die Erpresser während oder nach der Transaktion überführt werden können. Die Hoffnung erfüllt sich nicht. Es gibt aber eine heiße Spur, die in ein Dorf am Rande eines Braunkohleabbaugeländes führt, das dem Tagebau geopfert werden soll. Drei Beamte fühlen den abweisenden Dörflern auf den Zahn. Offenbar geben sich alle gegenseitig Alibis. Aber Kalinke, ein harter Hund mit DDR-Stallgeruch, wittert die Fährte.
Wollen deutsche Krimis heute so aussehen wie „CSI“ oder „24“, so orientiert sich Grafs Optik in „Eine Stadt wird erpresst“ (Trailer) an italienischen und französischen Polizeifilmen aus den 70er Jahren. Das Glück macht Pause, der Verfall schreitet fort. „Blühende Landschaften“ sehen anders aus. Den zweiten Teil des bildstarken Films erzählen Dominik Graf und Kameramann Alexander Fischerkoesen dann im Stile eines Westerns. High Noon vor der Kulisse einer sterbenden Region. „Eine Stadt wird erpresst“ schaut hinter Abgründe, soziale wie private, er zeigt, anstatt zu werten. Und Uwe Kockisch verkörpert einen Polizisten, den nichts mehr umhauen kann. Er weiß, wo er steht und er muss sich nicht von einem aufgeblasenen Wessi-Staatsanwalt ein schlechtes Gewissen machen lassen. Jede Pointe, jeder zynische Seitenhieb sitzt, das ist großes Typen-Kino, bei dem biografische Nuancen stimmen. Misel Maticevic steht dem grandiosen Kockisch kaum nach, und Julia Blankenburg mit ihrer vitalen, bodenständigen Frische zeigt, dass sie viel mehr kann, als ihr bisher in kleinen Serienrollen abgefordert wurde. (Text-Stand: 23.2.2007)