„Eigentlich sollten wir“: guter Titel, assoziationsreich, neugierig machend und mit dem schönen Nebeneffekt, dass die Zuschauenden den abgebrochenen Satz gleich mal im Geiste ergänzen. Denn wer kennt es nicht, das Gefühl, dass man eigentlich etwas verändern sollte im eigenen Leben, im Namen irgendeines höheren Ziels? Im Fall von Stefan „Steffi“ Steindl (Thomas Mraz) und seiner Frau Marion (Marleen Lohse) geht es, wenn dieser Satzanfang fällt, meist um Umweltschutz, gesamtgesellschaftliche Verantwortung, Pädagogik, aber auch um den Familienfrieden: Eigentlich sollten wir … Weniger Plastikspielzeug kaufen, den Kindern im Alltag ökologisches Verhalten vorleben, sie nicht vor Bildschirmen parken, beide weniger arbeiten, uns mehr Zeit für Gemeinsames nehmen. Der Fotograf und die Grafikerin, beide Freiberufler, haben drei Kinder im Grundschulalter und sind schwer beschäftigt damit, den stressigen Familienalltag in der Großstadt Wien zu bewältigen. Mühsam, da Kopf und Nerven zu behalten für Werte und Ideale. Selbst wenn man eine Vergangenheit als linke Aktivisten hat: Einst sei ihr Mann auf jeder Protestaktion ganz vorne mit dabei gewesen, „gegen die Prügelpolizei, für die Freiheit in Weißrussland, gegen Stuttgart 21“. Und sie habe ihn dann „nach jeder Schlacht gesund gepflegt“, erzählt Marion voller Nostalgie.
Foto: BR / ORF / Petro Domenigg
Durch Zufall lernt Stefan Ferry (Roland Düringer) kennen, einen Verschwörungstheoretiker und Bastler, der mit seiner Nichte Luna (Sonja Chan), deren Freund Alex (Nikolai Baar-Baarenfeld) und Gerda (Elfriede Schüsseleder) ein paar ähnlich widerständige Geister um sich geschart hat. Die fünf Konsumkritiker gründen die Widerstandsgruppe PaK – „Parents against Krempel“. Die versieht Plastik-Spielwaren mit kritischen Aufklebern und bringt mit ökologischen Botschaften manipuliertes Elektro-Spielzeug in Umlauf. Die Polizei ist der vermeintlichen „Terrorzelle“ bald auf den Fersen, vor allem in Gestalt des übereifrigen Horak (Gerhard Kasal). Ungünstig auch, dass Stefan zusammen mit der nichts ahnenden Marion zeitgleich ausgerechnet einen Job bei dem großen Spielzeughersteller übernimmt, dessen Produkte die PaK bekämpft.
Erfreulich nah dran an aktuellen Themen ist die Story von „Eigentlich sollten wir“: Schließlich sind die Notwendigkeit eines nachhaltigen Lebens und Wirtschaftens, die Herausforderungen moderner Elternschaft, die frustrierende Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Wissen und Handeln und die (manchmal radikalen) Aktivitäten von Klimaschützern allgegenwärtig. Und doch (oder gerade deshalb?) ist die von Hauptdarsteller Thomas Mraz zusammen mit Klaus Eckel geschriebene und von Harald Sicheritz inszenierte Komödie keine runde Sache geworden. Das liegt vor allem daran, dass die Figuren großteils Kopfgeburten bleiben. Dementsprechend entwickeln sich auch keine stimmigen Motivationen, die wiederum die Handlung vorantreiben würden. Vielmehr macht es den Anschein, als sei die Story den Protagonisten übergestülpt, wie ein zu groß geratenes Kleidungsstück – dementsprechend zwackt, hängt oder flattert das Geschehen an allen möglichen Ecken und Enden.
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Es mangelt dem Drehbuch nicht an kreativen Ideen, die Dialoge sind durchaus originell und teils witzig geraten, auch gibt es den einen oder anderen überraschenden Regieeinfall – doch das alles verpufft immer wieder, da es an einem authentischen Kern fehlt, der dem Ganzen überhaupt erst den Lebensfunken einhauchen könnte. Zu konstruiert und holprig kommt die Story daher. Auch, weil die Inszenierung wenig Raum für die Entwicklung von Atmosphäre lässt. So sind die Bildausschnitte nicht nur in räumlicher Hinsicht häufig begrenzt, sondern auch in zeitlicher, wodurch diese für weniger gute Komödien typische Kurzatmigkeit entsteht. Hinzu kommt dieses glatte TV-Comedy-Szenenbild, das etwa mit Stefans und Marions Wohnung in ihrer werbefilmartigen Bunt- und Adrettheit zu dem behaupteten Land-unter-Familienalltag in Widerspruch steht; daran ändert auch das ein oder andere dekorativ herumliegende Spielzeug nicht viel. Ähnlich unpassend ist Marions stets wie aus dem Ei gepelltes Auftreten, während sich Stefan immerhin leicht – und stimmig! – verlottert durch diesen Film bewegen darf.
Der eher eindimensionalen Figurenzeichnung zum Trotz überzeugen allerdings die Schauspieler. Vor allem Roland Düringer bringt eine wohltuende Coolness und Bodenständigkeit in diesen eher wankelmütig daherkommenden Film. Ebenfalls starke Präsenz zeigt Aglaia Szyszkowitz als divenhafte Spielzeug-Unternehmerin Betty. Und auch Thomas Mraz und Marleen Lohse machen ihre Sache gut. Die Kinderdarsteller hingegen wirken gelegentlich etwas überfordert von dem allzu sehr auf Punchlines setzenden Drehbuch.
Bleibt die Frage, an wen sich „Eigentlich sollten wir“ wenden möchte: Offensichtlich weniger an progressive, urbane Menschen mittleren Alters, wie sie hier im Zentrum stehen – dafür ist die Machart viel zu konventionell. Vielmehr scheint sich diese gut gemeinte, aber nicht unbedingt gut gemachte Komödie an einem Spagat zu versuchen: zwischen fortschrittlichem Inhalt und einer Verpackung, die eher auf das reifere Publikum der Öffentlich-Rechtlichen zielt – womit sie selbst ein wenig an das von der PaK manipulierte Spielzeug erinnert.
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