Ärztin Sina, entnervt von Überstunden, Notdiensten und halbherzigem Privatleben, reist von Wien in die Wüste, um dem Vater ihrer Freundin Reissa zu helfen. Dass er der Beduinenfürst eines wohlhabenden Stammes ist, der seinen Sohn nach Harvard gehen ließ, während er seine Tochter verstoßen hat, weil sie in Europa lebt, erfährt sie erst vor Ort in Dubai. Sie kommen zu spät. Sein Nachfolger wird Reissas Bruder Khalid, ein den arabischen Traditionen verpflichteter Mann von Welt, der auf Sina einen starken Eindruck macht. Da es weitere Menschen im Beduinen-Camp gibt, die ärztlich versorgt werden müssen, verlängert Sina ihren Ausflug in das Wüsteland. Dem Stammesheiler zum Trotz entwickelt sie den Plan einer mobilen medizinischen Einheit mit einem Arzt, der zu den Beduinen kommt. Auf einmal spürt sie wieder, weshalb sie Ärztin geworden ist. Und dann dieser Mann: wie eine Oase in der Wüste! Kein Wunder, dass ihr Freund und Kollege in Wien langsam unruhig wird.
Fast zu schön, um wahr zu sein: diese Wüstenbilder, diese arabischen Weisheiten, dieser romantische Culture-Clash. „Die Wüstenärztin“ ist ein Melodram, das sich auf ein fremdländisches Abenteuer einlässt, indem es konsequent, aber nicht penetrant die kulturellen Unterschiede in die Konflikte einbaut und sie dem Genre gemäß überhöht. Natürlich steckt hinter der Kombi Wüste und Weißkittel Kalkül, aber es gehört auch Mut dazu, sich auf den schmalen Grat zwischen Aufklärung und Kitsch, zwischen großem Gefühl und Klischee zu begeben. Es spricht für das Drehbuch von Martin Rauhaus, dass beide Happy-End-Optionen – zumindest gefühlt – möglich sind. Rassistische Untertöne, wie sie beispielsweise so oft in vielen Schwarzafrika-TV-Movies durchschlagen, sind hier nicht zu vernehmen. Auch der weitgehend realistische Umgang mit Sprache ist ein dicker Pluspunkt dieses Fernsehfilms.
Sieht man diese Degeto-Produktion im Rahmen des ARD-Freitags, als unterhaltsame Romanze unter arabischer Sonne, schneidet „Die Wüstenärztin“ besonders gut ab. Der Film entwickelt Visionen von Beruf, Berufung und einem möglicherweise anderen Leben, übergießt diesen Traum nicht mit Zuckerguss, sondern – wenn schon – mit Sand: Der rinnt einem durch die Finger und dieses Bild gibt den Lebensentwürfen der Figuren etwas Universales. Dazu passen auch die Bilder, die Weite der Wüste, das Licht, aber auch die klaren, weisen Worte, die mit dem Blick auf den endlosen Horizont besondere Kraft bekommen. Auch die Musik übertont nicht die Bilder. Ein Faible fürs Melodram sollte man natürlich schon mitbringen. Der Augenschein regiert in diesem Film. Auch auf der Seite der Schauspieler: Esther Schweins und Mido Hamada geben ihren Figuren etwas Majestätisches: da schwingt viel Stolz (auf die eigene Kultur) mit. Da scheinen Märchen aus Tausendundeiner Nacht wahr zu werden. Die Bilder spiegeln innere Werte. Ein reitendes Paar in der Wüste, Dialoge über den Sinn des Lebens bei Sonnenuntergang, arabische Sprichworte – wie leicht hätte das auch unfreiwillig komisch werden können!? (Text-Stand: 9.2.2013)