Silvester 1989. Berlin liegt sich in den Armen. Ein junges Paar, er aus dem Ostteil, sie aus dem Westteil der Stadt, will sich an diesem Tag das Ja-Wort geben. Doch vor dem Traualtar kommt es zum Eklat. Die Eltern der Brautleute kennen sich, sie verbindet eine tragische Vorgeschichte, die bis in die Zeit zurückreicht, wo Berlin noch in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs lag. Damals gingen sie gemeinsam durch dick und dünn. Sie waren eine Bande. Sie nannten sich die Wölfe. Ihr Schwur: „Nichts kann uns trennen, nicht mal der Tod!“
Als „eine Parabel auf das geteilte Deutschland und seine Wiedervereinigung“ bezeichnet der Autor und Regisseur Friedemann Fromm sein dreiteiliges Doku-Drama „Die Wölfe“. Gemeinsam mit seinem Bruder Christoph kam der Grimme-Preisträger auf die Idee, einmal nicht die wohlfeilen Familienzusammenführungsarien anzustimmen und Zeitgeschichte nicht auf eine Liebesgeschichte zu reduzieren. Ein Panorama vom Kriegsende bis zum Mauerfall zu spannen und die Geschichte Berlins zu erzählen – das war die Aufgabenstellung für dieses Sechs-Millionen-Euro-Projekt, das nicht bei der Fiktion, sondern in der Zeitgeschichte-Redaktion von Guido Knopp angesiedelt ist. Formale Forderung: erfundene Figuren, keine Zeitzeugen, kein Kommentar, aber Filmausschnitte aus der jeweiligen Zeit.
Sommer 1948. Zwischen Trümmern, Stromausfällen, Ausgangssperren und Rosinenbombern lernen sich der umtriebige Bernd, der dicke Kurt, der sensible Jakob, die patente Silke, die schöne Lotte und ihr kleiner Bruder Ralf kennen. Der Schwarzmarkt blüht und die sechs Halbwüchsigen versuchen ihr Glück. Sie beklauen die Amis, sie plündern und klopfen Steine für den Wiederaufbau. An lebenstüchtigen Männern, Vorbildern für die aufbruchbereiten Jungen, mangelt es. Die Jugendlichen haben viel zu verkraften. Lottes Eltern sind tot. Das verbindet sie mit dem Juden Jakob, dessen Eltern im KZ umkamen. Es ist ein Alltag zwischen Albträumen, Tracht Prügeln und Müttern, die für die Familie mit Amis ins Bett gehen.
Sommer 1961. Der Bau der Mauer reißt die verschworene Gemeinschaft auseinander. Nur der geschäftstüchtige Bernd und CDU-Aufsteiger Kurt befinden sich im Westen der Stadt. Die anderen hoffen, dass „der Spuk“ bald vorbei ist. Doch der „antifaschistische Schutzwall“ wird täglich unüberwindbarer. Während Silke, die Jakob vergöttert, glaubt, im DDR-Fernsehen den wahren Sozialismus auf den Weg zu bringen, wird das Liebespaar Lotte und Jakob von der Stasi auf die Probe gestellt, sodass sie bald auf Bernds ausgeklügelten Fluchtplan eingehen. Dumm ist nur, dass auch Bernd Lotte liebt… „Hoffnung auf Glück“ verspricht der dritte Teil des ZDF-Doku-Dramas. Es ist im Zuge der Wiedervereinigung nun an den Kindern der ergrauten Wölfe die Missverständnisse, Lügen und Enttäuschungen auszuräumen und mit einer Liebesheirat in eine selbst bestimmte Zukunft zu gehen.
Das Neuartige an „Die Wölfe“ ist die Art und Weise, wie die Originalaufnahmen montiert werden. „Die dokumentarischen Bilder mussten Teil der fiktionalen Handlung werden“, erklärt Friedemann Fromm. „Wir versprachen uns davon, ein authentisches und realistisches Zeitgefühl in die Filme zu bekommen.“ Durch diese Mixtur ergab sich eine Ästhetik, die Puristen weniger aufregen dürfte als Knopps umstrittenes „Histotainment“-TV mit seinen nachgespielten Geschichtsschnipseln. Der vom Pioniergeist einer Generation erzählende Film, hochkarätig besetzt mit Axel Prahl, Barbara Auer, Matthias Brandt, Florian Lukas oder Stefanie Stappenbeck, hinterlässt starke Eindrücke. Der stimmungsvolle Hauch der Geschichte durchzieht die Bilder einer unglaublichen Zeit, in die sich die Schauspielerge-sichter glaubhaft einpassen. Der Mix aus Fakten und Fiktion, aus historischem Doku-Material und gespieltem Drama nimmt einen mit auf eine spannende Zeitreise durch die deutsch-deutsche Geschichte. Der Film verzichtet auf die üblichen Event-Movie-Klischees. Die Helden sind keine klassischen Helden. Gerade deshalb kommen sie einem aber besonders nahe und machen „Die Wölfe“ letztlich zu dem, was Fromm im Sinn hatte: „eine Hommage an die Kraft und den Überlebenswillen einer Generation“. (Text-Stand: 29.1.2009)