Männer werfen mit kleinen Pfeilen auf eine Zielscheibe: Das klingt erst mal nicht besonders spannend. Die Übertragungen der entsprechenden Turniere erfreuen sich zwar zunehmender Beliebtheit, doch die Zielgruppe ist nach wie vor überschaubar. Die Idee, eine Geschichte über einen ehemaligen Darts-Champion zu erzählen, mutet daher verwegen an. Tatsächlich ist die Sportart in der sechsteiligen Sky-Serie „Die Wespe“ über weite Strecken nur Mittel zum Zweck: Eddie Frotzke, von Florian Lukas mit ordentlicher Wampe und eindrucksvollem Schnäuzer versehen, war in den Neunzigerjahren zweimal deutscher Meister und ist „quasi eine lebende Legende“. Vom längst verblassten Ruhm ist nur sein Spitzname geblieben: die Wespe. Heute tingelt er von einem Provinzturnier zum nächsten; ohne die Unterstützung durch Gattin Manu (Lisa Wagner), die ein Sonnenstudio betreibt, hätte er sich schon längst richtige Arbeit suchen müssen. Dazu kommt es jedoch erst, als sie seiner Diskrepanz zwischen Schein und Sein endgültig überdrüssig wird und ihn vor die Tür setzt. Eddie findet eine neue Bleibe in der Schrebergartenhütte seines noch tiefer gestürzten Freunds und Kollegen Nobbe (Ulrich Noethen) und verdingt sich als Staubsaugervertreter, was ihm immerhin allerlei Begegnungen mit zwar leicht verblühten, aber sehr betuchten einsamen Herzen beschert.
Foto: Sky / Gaumont / Nadja Klier
Was als Handlungskern für eine Serie (freitags in Doppelfolgen bei Sky One) zunächst eher überschaubar wirkt, entpuppt sich in der Umsetzung als äußerst vergnüglich und mit großer Spielfreude verkörpert. Gerade Lukas kostet die Charakteristika seiner Figur in körperlicher wie auch in darstellerischer Hinsicht konsequent aus. Dazu gehört unter anderem ein spezieller Rauchstil, bei dem er den Rauch bis in die Zehenspitzen zu inhalieren scheint. Eddie ist eins dieser filmischen Stehaufmännchen, die sich nicht unterkriegen lassen, obwohl das Leben ihnen immer wieder neue Knüppel zwischen die Beine wirft. Einen erheblichen Anteil an seinem Abgang aus dem gemachten Nest hat ausgerechnet Kevin (Leonard Scheicher). Der Junge ist eine Art Ziehsohn, tritt allerdings viel eher in Eddies Fußstapfen, als diesem lieb ist; und das keineswegs nur in sportlicher Hinsicht, wie der Maffay-Klassiker „Und es war Sommer“ (über die Liebe zwischen einem Teenager und einer deutlich älteren Frau) früh verrät. Später, als sich Lehrer und Schüler beim Pfeilduell buchstäblich Aug’ in Aug’ gegenüberstehen, sorgt Kevin unabsichtlich dafür, dass Eddie zum Sportinvaliden wird.
Sehenswert ist „Die Wespe“ auch und gerade wegen der knalligen Umsetzung durch Hermine Huntgeburth. Die vierfache Grimme-Preisträgerin („Neue Vahr Süd“, „Männertreu“) und ihr Stammteam mit dem Kameramann Sebastian Edschmid, mit dem Huntgeburth seit zwanzig Jahren regelmäßig zusammenarbeitet, haben die Serie in eine zuweilen fast abenteuerlich bunte Beleuchtung getaucht. Bei den Auftaktszenen in einer Sports-Bar, in der Eddie und Kevin zwei Lackaffen abzocken, scheinen die Lichtinseln regelrecht miteinander zu konkurrieren. Auch der Sportart wird die Kameraarbeit gerecht: Mal zeigt sie wie in der Darts-Berichterstattung links die Scheibe, recht die Wettkämpfer, mal beobachtet sie das Geschehen wie durch eine Glad-Dartscheibe oder durchs sogenannte Bull’s eye (das Zentrum), mal folgt sie dem Flug der Pfeile. Wer keine Ahnung von den Regeln hat, ist allerdings aufgeschmissen, aber das stört letztlich ebenso wenig wie Ulrich Noethens Berliner Dialektimitat.
Foto: Sky / Gaumont / Nadja Klier
Soundtrack: Peter Maffay („Und es war Sommer“), Rhonda („So Wrong“), Brenda Lee („So sorry“), D/troit („What’s A Man Gotta Do“,„Do Your Thing”), Conway Twitty („Lonely Boy Blue”), Oum Shatt („Hot Not cold”)
Die Dialoge, die Jan Berger für das Ensemble geschrieben hat, sind ohnehin ein Genuss, selbst wenn einige Pointen klingen, als habe er sie auf der Straße gefunden („In dubio Prosecco“ – „Sie sprechen Latein?“). Manu, einst ebenfalls eine vielversprechende Darts-Hoffnung, ist mit ihren Giftpfeilen mindestens so treffsicher wie der Gatte an der Scheibe; Eddie („Jeder hat mal ein schlechtes Jahrtausend“) wirft dagegen im Alltag gern mit Kreuzworträtselhalbwissen um sich. Originell sind auch die vielen witzigen Handlungsideen. Eddie will mit Hilfe von Nobbe, der tapfer gegen sein Alkoholproblem kämpft, wieder angreifen und trainiert aus Gründen der Gelenkgeschmeidigkeit in der Sauna. Vermutlich war es gar nicht so einfach für Lukas, sich nach Eddies Handicap eine ganz spezielle Wurftechnik anzueignen. Hinzu kommen ein paar verblüffend inszenierte Traumsequenzen, eine ziemlich coole Musik, die liebevolle Ausstattung von der ebenfalls mehrfach mit Grimme-Ehren bedachten Szenenbildnerin Bettina Schmidt sowie das stimmige Kostümbild: Manus Kleidung ist in ihrer sorgfältig gestalteten Geschmacklosigkeit die perfekte Ergänzung zu Edschmids Lichtsetzung.