Selbstmord aus Liebe, Mord aus Not. Karen (Corinna Harfouch) will sich ihrem Georg (Jörg Hartmann) zuliebe das Leben nehmen. Der ist schwer verschuldet. Brutale Geldeintreiber sitzen ihm im Nacken. Allein die Million der Lebensversicherung könnte ihn retten. Ein Abschiedsbrief geht ihr noch leicht von der Hand, doch dann verlässt sie der Mut. Es gießt in Strömen. Wer geht bei einem solchen Wetter schon ins Wasser? Und so steigt sie lieber in den Wagen eines Fremden ein. Der heißt Bruno (Ulrich Matthes), ist Profikiller und sein aktuelles Zielobjekt sitzt – neben ihm. Georg wusste nichts von Karens Suizididee und schmiedete seine eigenen Überlebenspläne. Dienstleister Bruno lässt sie darüber im Ungewissen, er bringt sie in ein Motel und verabschiedet sich höflich. Als die vermeintlich tote Karen heimkehrt und in ihrem Bett eine fremde Frau liegt, Mona (Lorna Ishema), die Geliebte von Georg, ist sie noch bereit, ihm die Affäre zu vergeben. Als er sie dann allerdings zwingen will, ins Wasser zu gehen, kommen der Gutgläubigen langsam doch Zweifel an der Liebe ihres Lebenspartners. Dann fallen Schüsse, und plötzlich steht Bruno am See – auch der hat so seine Pläne…
Ulrich Matthes über seinen Killer und weshalb der sein Zielobjekt nicht umbringt:
„Er beobachtet, hört zu, zieht seine Schlüsse; er ist reaktiv … Bruno findet Karen interessant, sexy, erotisch. Er mag ihren Humor und Humor ist sexy. Er lässt sich auf ein Spiel ein, von dem keiner der drei den Ausgang vorhersehen kann.“„Das Lachen bringt die Erlösung: Es ist alles nicht so ernst gemeint! Oder etwa doch? Da bleibt der nagende Zweifel: Könnte ich mir vorstellen, das auch zu tun? So gemein zu sein oder so heldenhaft? Ohne seine komische Seite wäre die tragische Seite des Lebens kaum zu ertragen. Das ist im Leben so, und der Film lebt das nach: Eine Tragödie ohne Komik ist ein Trauerspiel, und eine Komödie ohne Tragik ist eine platte, witzlose Klamotte.“ (Horst Sczerba, Buch & Regie)
Eine brave, naive Frau, die plötzlich ganz andere Seiten an sich entdeckt. Ein cooler Killer, der bei dieser Frau schwach und seinen Prinzipien untreu wird. Ein Mann, der keinen Ausweg mehr weiß und alle Skrupel über Bord schmeißt. Mit diesem fürs Fernsehen ungewöhnlichen Personal gelingt dem Autorenfilmer Horst Sczerba („Die Unschuld der Krähen“) ein kriminalkomödiantisches Kabinett-Stückchen erster Güte: „Die vermisste Frau“ ist eine bitterböse Thriller-Komödie um enttäuschte Liebe, um das große Geld, um schmutzige Morde. Den Menschen mangelt es an Moral, entsprechend trostlos sind ihre Beziehungen. Dass die Heldin Prothesen anfertigt, ist eine treffende Metapher: In dieser Geschichte gibt es kein Glück, allenfalls wechselt Geld mehrmals die Besitzer, macht aber die Menschen mehr tot als zufrieden – es gibt nichts Wahres, Schönes, nur Ersatz. Für den Film selber gilt das allerdings ganz und gar nicht. Der Film-Noir-like Geschlechterkampf mit dem Aufstand der Frau(en), die Lakonie in Bild und Dialog, der geheimnisvoll tönende Score, die genrehaften Sinnbilder (sich selbst ein Grab schaufeln, der Seegrund als Metapher für das Unterbewusste), diese schwarzhumorigen, verspielten Twists auf der Zielgeraden – so etwas kennt man in dieser Konsequenz und 90minütigen Stringenz allenfalls aus dem Kino. Klar, da fallen jedem die Coen-Brüder ein. Oder Hitchcock. An beide fühlten sich denn auch die Schauspieler bei der ersten Lesung des Drehbuchs erinnert. Und die Mordplan-Konstruktion steht in bester Patricia-Highsmith-Tradition. Bei aller Ironie gelingt es Autor-Regisseur Sczerba, stets auch die Spannung hochzuhalten. Es ist nicht der Thrill, bei dem einem das Blut gefriert. Man will vielmehr wissen, wer wen wann wie austrickst. Man fragt sich ständig: Wer führt hier wohl was im Schilde? Wer wird überleben? Und zu welchem Preis?
Dieses Klasse-Szenario braucht natürlich auch eine Klasse-Besetzung. Und Sczerba bekam sie. Corinna Harfouch nutzt die ganze Bandbreite ihres bühnenerprobten Könnens, rutscht vom blauäugigen Heimchen in die Rolle des Racheengels, spielt mit irritierenden Brüchen, retardierenden Momenten und macht selbstredend auch ikonografisch einiges her. Was das coole Erscheinungsbild angeht, steht ihr Ulrich Matthes in nichts nach. Dunkle Kleidung, schwarze Handschuhe, dazu diese markante Physiognomie mit dem lauernden Blick, wie ein Tod bringendes Reptil, das im richtigen Augenblick nach seiner Beute schnappt. Gegen diesen Killer mit seiner Berufsehre wirkt Jörg Hartmanns Figur wie ein Waschlappen, ein Mann, der nicht steht zu seinen Worten und Taten, ein Angsthase, der faselt und um sein Leben winselt. Während Matthes’ Hitman wie eine ironisch gebrochene Genre-Gestalt wirkt und der Witz der Harfouch-Figur mit dem Racheplan zunehmend schwindet und tragische Züge annimmt, wandelt Hartmanns Würstchen auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Ernsthaftigkeit. Das Große, die Verzweiflung, die (gespielte) Tragik, stößt auf das Niedere, die Lüge, die Verstellung, die Angst: Diese Kollision von Erhabenem und Banalen ist die Quelle des Komischen. „Wenn der Zuschauer trotz der Mordabsichten mit Georg mitgehen und über ihn lachen kann, wäre ich sehr froh“, sagt der Schauspieler im Presseheft. Er muss sich keine Sorgen machen. Nicht nur, weil er diesen Balanceakt als Theaterschauspieler einfach bestens beherrscht, sondern auch, weil Autor Sczerba ein Meister ist dieses Zusammenspiels vermeintlich kontroverser Tonarten. Aber auch der Regisseur Sczerba und Kameramann Hagen Bogdanski sorgen mit ihren aufregenden, unterschwellige Subtexte erzählenden Bild-ideen für große filmische Dichte: der richtige Unterboden für ein vielschichtiges Spiel.