Was hat dieser Bodensee nur, was andere Seen nicht haben? Waren es in den 1950er- und 60er-Jahren noch Heimatfilme wie „Drei Mann in einem Boot“ oder „Die Fischerin vom Bodensee“, die die Kulisse nutzten, so wurde der Bodensee danach für das Genre Krimi entdeckt und ist zum wohl gefährlichsten und unmoralischsten Gewässer Deutschlands geworden. Hier ist das Wasser oft rot gefärbt, denn hier wird viel und oft gemordet. Die ARD schickt seit mehr als einem Jahrzehnt in Konstanz Kommissare rund um den See auf Täterjagd. Und das Zweite setzt seit 2014 in seiner Reihe „Die Toten vom Bodensee“ auf ein grenzübergreifendes deutsch-österreichisches Ermittlerduo. Die Zuschauer mögen diese Kombination, die ersten beiden ZDF-Krimis kamen sehr gut an. Und so sind die österreichische Kommissarin Hannah Zeiler (Nora von Waldstätten) und ihr deutscher Kollege Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) jetzt zum dritten Mal im Einsatz.
Was auf den ersten Blick nach einem tragischen Badeunfall aussieht, entpuppt sich schnell als Mord. Ein Bodensee-Fischer entdeckt in seinem Netz eine Frauenleiche. Die Lehrerin einer regionalen Schule, die nahe am See wohnt, wurde gewaltsam getötet. Eine komplizierte Spurensuche beginnt. Die Ermittler greifen in der Nähe des Tatortes die kleine Schlafwandlerin Noemi (Nara Knöpfle) auf und bringen sie zu ihren Eltern Melanie (Laura Tonke) und Peter Rademann (Philipp Hochmair) zurück. Kommissarin Zeiler, die mit einem traumatischen Erlebnis in ihrer Kindheit zu kämpfen hat, spürt, dass mit dem Mädchen irgendetwas nicht stimmt. Was hat Noemi gesehen, wovor hat sie Angst? Warum begegnet sie ihrem Onkel Mike Schiffl (Dirk Borchardt) plötzlich so reserviert? Micha Oberländer verfolgt noch eine andere Spur, er verdächtigt den Lover seiner Frau Kim (Inez Bjorg David).
Schon im dritten Bodensee-Krimi ist nicht mehr viel übrig vom titelgebenden Schauplatz. Zu Beginn fliegt die Kamera (Jo Molitoris) noch über die Wasseroberfläche, gibt es Bilder des Sees aus fast allen Perspektiven. Doch nachdem die Leiche aus dem Wasser gezogen ist, spielt der See kaum mehr eine Rolle. Der Rest dieses eher durchschnittlichen Krimis könnte überall spielen. Regisseur Andreas Linke, der auch schon die ersten beiden „Bodensee“-Krimis in Szene gesetzt hat, inszeniert das alles solide, doch gelang es ihm noch in den vorherigen Filmen, dem Bodensee Atmosphäre abzuringen und ihn effektvoll mit in die Geschichte einzubinden, so sucht man danach jetzt in „Stille Wasser“ vergeblich. Den Bildern fehlt es an Raffinesse. Das liegt wohl vor allem daran, dass man früh ahnt, wie die Geschichte tickt. Zu sehr läuft alles auf den Hauptverdächtigen hinaus. Doch bald erkennt man, dass das eine opulent ausgebreitete falsche Spur ist. Und dann nehmen sich die Ermittler zwei andere vor.
Autor Timo Berndt, erfahrener Krimi-Autor, der die Bücher zu zahlreichen Serien wie „Der Bergretter“ oder „Die Chefin“, Reihen (fünf „Wilsberg“-Episoden) und interessanten Movies wie „Beate Uhse“ oder „Der Bibelcode“ geschrieben hat, gelingt es in seinem ersten „Bodensee“-Krimi- nicht, den Figuren etwas Witz zu geben. Die Versuche wirken bemüht, beispielsweise wenn Micha in seinem VW vor dem Kommissariat übernachtet und Hanna Zeiler ihn weckt. Und es gelingt kaum, die beiden Ermittler ein wenig zueinander zu führen. Sie bleiben so – wie in Episode 1 und 2 – in ihrer übertriebenen Gegensätzlichkeit konstruiert. Auch wenn am Ende dieser Folge wohl in Richtung einer weiteren Fortsetzung eine vorsichtige Annäherung erkennbar ist. Matthias Koeberlin kommt mit seiner Rolle deutlich besser zurecht, er darf burschikos, geerdet und emotional sein, Nora von Waldstätten mimt die Hanna weiter unnahbar-kühl, vom Kindheitstrauma geprägt – da bleibt zu wenig Raum für Mimik & Gestik. Den würde man der wunderbaren Schauspielerin hier ab und zu wünschen.
Der Krimi, klassisch und konventionell erzählt, nimmt den Zuschauer durchaus mit. Nicht zuletzt, weil Dirk Borchardt zum wiederholten Male beweist, was man aus einer Figur in der zweiten Reihe durch kluges, präzises und nuanciertes Spiel herausholen kann. Beim galoppierenden Finale aber wird dann (zu) dick aufgetragen. Da bricht das Lügengebäude des Täters in kurzer Zeit zusammen. Wie das dramaturgisch gelöst ist, kann nicht überzeugen. Viele Jahre funktionierte alles, man hat geschwiegen, doch plötzlich bricht alles in wenigen Minuten auf. Das wird überwiegend in Monologform trocken erklärt. Wieder einmal ist es eine Tat aus der Vergangenheit, die sich als Ursache für ein weiteres Verbrechen in der Gegenwart entpuppt – ein vor allem im ZDF-Montagskrimi überstrapaziertes Motiv.