Die Spur der Mörder

Heino Ferch, Verena Altenberger, Röder/Breinersdorfer, Egger. Chronik der Ereignisse

Foto: ZDF / Martin Rottenkolber
Foto Tilmann P. Gangloff

Ähnlich wie der fast dokumentarisch anmutende Krimi „Ein Kind wird gesucht“ (2018) basiert auch „Die Spur der Mörder“ (ZDF, Arte / Lailaps Pictures, handwritten Pictures) auf Tatsachen: Eine mehrfache Hinrichtung auf offener Straße in einer niederrheinischen Kleinstadt trägt eindeutig die Handschrift der Mafia. Die Ermittlungen führen nach Kalabrien, doch die italienischen Behörden erweisen sich als schwieriger Partner. Die zweite Zusammenarbeit von Regisseur Urs Egger mit Autorenduo Röder/Breinersdorfer orientiert sich an den sogenannten Mafia-Morden, die 2007 Duisburg erschütterten. Erneut wirkt Eggers Umsetzung stellenweise wie ein die Ermittlungen rekonstruierendes Dokudrama ohne Interviews, zumal auch Musik nur sparsam eingesetzt wird. Die Spannung resultiert vor allem aus der Hartnäckigkeit, mit der die Ermittler den Mördern auf die Spur kommen.

Der vor gut einem Jahr ausgestrahlte Film „Ein Kind wird gesucht“ war kein Krimi wie jeder andere. Die Rekonstruktion der Suche nach einem vermissten kleinen Jungen hielt sich eng an die tatsächlichen Ereignisse, die 2010 unter der Bezeichnung „Der Fall Mirco“ nicht nur am Niederrhein monatelang für Schlagzeilen sorgten. Regisseur Urs Egger verzichtete auf die üblichen Spannungsverstärker und beschränkte sich darauf, die Kleinarbeit der Polizei zu schildern; trotzdem war der Film mit Heino Ferch als Soko-Leiter Ingo Thiel ziemlich spannend. Nun hat sich das Drehbuchduo Katja Röder und Fred Breinersdorfer mit den Duisburger Mafia-Morden aus dem Jahr 2007 eines weiteren authentischen Verbrechens angenommen. Erneut wirkt Eggers Umsetzung stellenweise wie ein Dokudrama ohne Interviews, zumal auch die Musik nur sparsam eingesetzt wird und nicht für gewohnte Thrillerspannung sorgt. „Die Spur der Mörder“ ist noch eine Spur sachlicher ausgefallen.

Die Spur der MörderFoto: ZDF / Martin Rottenkolber
Immer wieder ist die Polizei im Einsatz. Regisseur Urs Egger verzichtet aber auf vordergründige Action – und folgt dabei konsequent dem Drehbuch von Fred Breinersdorfer & Katja Röder, das auf eine dokumentarisch anmutende Chronologie der Ermittlungen setzt. Polizeiarbeit ist nichts für Ungeduldige. Ferch & Kukulies

Der Film beginnt mit einer Hinrichtung: Ein italienischer Restaurantbesitzer wird nachts gemeinsam mit seinen Begleitern von zwei Männern auf offener Straße erschossen. Die Ermittlungen haben kaum begonnen, da wird Thiel bereits mit einer Kollegin von Interpol konfrontiert: Der Wirt war der Sohn von Luigi Russo, dem vor 15 Jahren spurlos verschwundenen Kopf eines einflussreichen Mafia-Clans. Carla Orlando (Verena Altenberger) ist Mafia-Expertin und soll die europäischen Ermittlungen koordinieren. Recht bald zeigt sich, dass der Mord für die Italienerin kein Fall wie jeder andere ist; die Hintergründe verrät sie Thiel allerdings erst später. Zunächst verzweifelt der Mönchengladbacher Kommissar jedoch an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der italienischen Behörden: Das Auto des Opfers ist professionell verwanzt, aber der zuständige Staatsanwalt, Silvio Bertone (Stefano Viali), weigert sich, die Abhörprotokolle herauszurücken. Dabei führen die Ergebnisse der DNS-Auswertungen mitten in sein Revier: Die Täter stammen wie die Opfer aus einer bestimmten Gegend in Kalabrien. Dort herrscht seit Generationen ein Familienkrieg zwischen den Russos und den Costas, der schon weit über hundert Opfer gefordert hat. Die Mörder gehörten eindeutig zum Costa-Clan, aber der ist riesig; und die Mafia ist mächtig. Thiel und Orlando bleibt nichts anderes übrig, als nach Italien zu reisen und Bertone ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen kann. Der deutsche Polizist muss allerdings erst mal lernen, dass die wichtigste Voraussetzung für einen Deal mit einem Italiener „bella figura“ ist.

Die Spur der MörderFoto: ZDF / Martin Rottenkolber
Pokerface. Der schweigsame Sonderermittler (Heino Ferch) lässt sich nicht in die Karten schauen. Und der Staatsanwalt (Joachim Król) hält den Fall für eine Nummer zu groß für Thiel. Zu dem Zeitpunkt weiß noch keiner, dass die Ermordeten von Mönchengladbach einem Lauschangriff der italienischen Polizei ausgesetzt waren.

„Am stärksten ist der neue Krimi, wenn er sachlich Methoden und Probleme realer Polizeiarbeit schildert – etwa wenn das unterschiedliche Verhalten gegenüber den Medien zum Streit zwischen Italienern und Deutschen führt.“ (TV-Spielfilm)

Röder und Breinersdorfer sorgen zwar noch für einige Nebenschauplätze, etwa ein angenehm beiläufiges Kompetenzgerangel zwischen Thiel und dem Staatsanwalt (Joachim Król), der zunächst der Meinung ist, die Sache könnte eine Nummer für den Kommissar zu groß sein. Ansonsten dokumentiert der Film jedoch in erster Linie, wie hartnäckig, akribisch und einfallsreich die Ermittler vorgehen, um trotz strenger Datenschutzvorschriften Hinweise auf die Täter zu bekommen. Ziemlich ausgefuchst ist zum Beispiel die Methode, mit der die Beamten den Fahrzeugtyp der Mörder ermitteln, obwohl die Bilder aus der Überwachungs-Kamera einer Tankstelle im Grunde unbrauchbar sind. Einer der beiden Täter ist tatsächlich rasch gefasst. Beim zweiten wissen die Polizisten, dass es sich um ein männliches Mitglied der Familie Costa handeln muss; aber davon gibt es Dutzende. DNA-Proben von einem Clan zu nehmen, ist ohnehin lebensgefährlich. Aber es gibt ja die sogenannte „Cowboy-Methode“.

Die Spur der MörderFoto: ZDF / Lailaps Pictures
Immer wieder geht es im Dialog um „Bella Figura“ – und zwar nicht nur im Sinne einer Verena Altenberger. Sondern auch im übertragenen Sinne: dass jemand (beispielsweise ein öffentlicher Amtsträger) gut in/vor der Öffentlichkeit abschneidet.

Anders als im Reihenkrimi verzichten Buch und Regie völlig auf Ausflüge ins Privatleben. Einzige Ausnahme ist ein kurzes Telefonat Thiels mit seinem Sohn, der offenbar bei der Mutter lebt; das erklärt, warum sich der Kommissar Tag und Nacht um den Fall kümmern kann. Natürlich sorgen die Dispute mit der italienischen Kollegin, die aus Südtirol kommt und daher deutsch spricht, für zusätzlichen Reiz, aber auch dieser Aspekt drängt sich nie in den Vordergrund. Aus dem auch darstellerisch sachlichen Rahmen fällt allein Marie Lou Sellem als Sofia Russo, Tochter des Clanchefs. Der ermordete Gastwirt war ihr Bruder, außerdem hat sie bei der Exekution einen Sohn verloren. Vor einigen Jahren ist bereits ihr Mann ermordet worden. Damals hat sie sich angeblich von der Familie losgesagt und ist nach Deutschland ausgewandert. Sellem muss ihr Deutsch daher mit einem zwar seltsamen, aber keineswegs störenden Akzent versehen und verkörpert ihre Rolle auch sonst ausgesprochen eigenwillig, als wolle sie ihr Spiel Magdalena Montezuma widmen; die Laienschauspielerin war in den Siebzigern und Achtzigern in Avantgarde-Dramen wie „Der Bomberpilot“ von Werner Schroeter eine Art Star des experimentellen Films. (Text-Stand: 2.10.2019)

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Reihe

Arte, ZDF

Mit Heino Ferch, Verena Altenberger, Joachim Król, Marie-Lou Sellem, Ronald Kukulies, Moritz Führmann, Stefano Viali

Kamera: Lukas Strebel

Szenenbild: Ingrid Henn

Kostüm: Anne Jendritzko

Schnitt: Benjamin Hembus

Musik: Ina Siefert, Nellis Du Biel

Redaktion: Olaf Grunert Günther van Endert

Produktionsfirma: Lailaps Films, handwritten Pictures

Produktion: Nils Dünker

Drehbuch: Katja Röder, Fred Breinersdorfer

Regie: Urs Egger

Quote: 5,99 Mio. Zuschauer (19,6% MA)

EA: 18.10.2019 20:15 Uhr | Arte

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