Die Spezialisten – Im Namen der Opfer

Valerie Niehaus, David Rott, Richter-Röhl, Karrenbauer, Demke. Die Knochenjäger von Berlin

Foto: ZDF / Richard Huebner
Foto Rainer Tittelbach

Die Serie „Die Spezialisten – Im Namen der Opfer“ startet mit zehn Folgen auf dem ZDF-Vorabendsendeplatz am Mittwoch. Eine Interdisziplinäre Ermittlungskommission soll den Mördern aus grauer bundesdeutscher Vorzeit den Garaus machen und Fälle aufklären, die bisher keine waren, als Vermissung galten oder aufgrund neuer Indizien wieder aufgerollt werden. Für den Sendeplatz ist das durchaus ambitioniert, nicht zu unappetitlich, hübsch beziehungslastig, dafür allerdings mit sehr viel Dialog & wenig visueller Kraft. Die zumindest verbal in die Vergangenheit zurückreichenden Fälle bemühen sich um Originalität und vor allem Empathie. Das Stärkste ist die Besetzung: nie war der Vorabend prominenter! Diese Besetzung war auf Dauer offenbar nicht „haltbar“ / bezahlbar; also backt das ZDF 2017 in Staffel 2 mit Matthias Weidenhöfer und Timur Bartels etwas kleinere Brötchen!

Die Knochenjäger gehen um in Berlin. Ein Team aus sechs, später sieben Profis soll den Mördern aus grauer bundesdeutscher Vorzeit den Garaus machen und Fälle aufklären, die bisher keine waren, als Vermissung galten oder aufgrund neuer Indizien wieder aufgerollt werden. IEK heißt die Abteilung des LKA, Interdisziplinäre Ermittlungskommission, die von Kriminaloberrätin Dr. D. Lehberger (Katy Karrenbauer) mit strenger Hand geleitet wird. Die Arbeit aber machen die anderen: Da ist Rechtsmedizinerin Kathrin Stoll (Valerie Niehaus), kompetent, kompromisslos und fast ein bisschen übermotiviert. Das findet jedenfalls Kriminalhauptkommissar Mirko Kiefer (David Rott), Verhörspezialist mit exzellenter Beobachtungsgabe, der schon zufrieden wäre, wenn sie ihm nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit schenken würde, die sie ihrer Arbeit entgegenbringt. Unterstützt werden die beiden von Jannik (Merlin Rose), dem unbekümmerten Jungspund, von Rufus Haupenthal (Tobias Licht), der aufgerieben wird von seiner Doppelbelastung als gerichtsmedizinischer Assistent und Familienvater, und von der nerdigen Kriminaltechnikerin Inga Biehl (Henriette Richter-Röhl). Bald stößt auch noch Samira Vaziri (Narges Rashidi), Mirkos Ex-Freundin, als leitende Kriminaltechnikerin zum IEK-Team. Das verspricht eine explosive Mischung.

Die Spezialisten – Im Namen der OpferFoto: ZDF / Richard Huebner
Zwischen der Rechtsmedizinerin und dem Kommissar knistert es gewaltig. Das wirkt zwar ein bisschen Vorabendserien-like behauptet; für die Uhrzeit allerdings, in der unkonzentrierter ferngesehen wird, ist das adäquat. Valerie Niehaus & David Rott

Die neue ZDF-Serie „Die Spezialisten – Im Namen der Opfer“, die in ihrer Anlage an die erfolgreiche US-Serie „Bones – Die Knochenjägerin“ (seit 2005, 11 Staffeln) erinnert, startet mit zehn Folgen auf dem Sendeplatz des abgesetzten Dauerbrenners „Küstenwache“. Eine Rechtsmedizinerin, die in Jahrzehnte alten Leichenteilen herumstochert und Hinterbliebenen (und den Zuschauern) den Blick auf die leiblichen Überreste ihres Sohnes gewährt („Es ist nur ein Skelett und es ist sehr schmutzig“), sind ein Novum fürs öffentlich-rechtliche Vorabend-Programm. Dennoch ist diese bislang zehnteilige Produktion der UFA-Fiction vom Sat-1-Movie-erfahrenen Head-Autor Carl-Christian Demke („Die Verführung – Das fremde Mädchen“) gemessen an dem, was die Privatsender mittlerweile so alles an Leichenfledder-Serien – in geschnittener Fassung – durch die Tagesrotation jagen, geradezu harmlos. Der Tonfall ist freundlich, allenfalls giftet man sich ein bisschen an, aber im Grunde haben sich alle lieb und manche gegenseitig etwas lieber. Der menschliche Faktor steht im Zentrum der Geschichten, sowohl bei den Ermittlern als auch bei den Fällen. Für letzteres sorgt vor allem die schöne Rechtsmedizinerin (für die das strahlende Blau von Valerie Niehaus’ Augen offenbar noch einmal dem Computer überantwortet wurde). „Du weißt nicht, wie sich ein Mensch fühlt, der jemanden vermisst.“ Sie weiß es. Da kann David Rotts Frauenversteher, der offenbar als Hamburger Kiez-Jung ein Gewaltproblem hat und seinen archaischen Kräften mitunter freien Lauf lässt, nicht lange widerstehen. Für eine Vorabendserie ist das, was da zwischen den Figuren etabliert wird, beachtlich, auch wenn es bisher bei Andeutungen bleibt.

Die Spezialisten – Im Namen der OpferFoto: ZDF / Richard Huebner
Kriminaltechnikerin Inga Biehl (Henriette Richter-Röhl) gibt beruflich stets ihr Bestes; der hübsche Nerd hat aber emotional und Team-intern sichtlich Probleme.

Noch beachtlicher ist die Besetzung: Valerie Niehaus („Hauptsache Sex“), einst mit „Verbotene Liebe“ bekannt geworden, kehrt zum Vorabend zurück, braucht sich aber keineswegs zu schämen. Auch David Rott („Die Spiegel-Affäre“), der als Udo Jürgens mit ihr in „Der Mann am Fagott“ schon mal turteln durfte, gehört zu den zuverlässigen Größen seiner Generation, spielt Hauptrollen in allen Genres. Im leichten historischen Fach, in „Julia und der Offizier“, hatte er auch schon mal etwas mit Henriette Richter-Röhl („Vorzimmer zur Hölle“), keine Frage, eine der apartesten Schauspielerinnen aus dem leichten Fach, die mit Soap („Sturm der Liebe“) anfing, sich aber längst aus dem Schatten allzu seichter „Herzkino“-Produktionen herausgespielt hat. Für knurrigen Kontrast sorgt Katy Karrenbauer („Hinter Gittern“). Auch Tobias Licht („Die Draufgänger“) hat seine Qualitäten, vor allem komische („Im Weißen Rössl – Wehe du singst!“), auch wenn er sie bisher vor allem bei RTL verballern musste und so weniger honorige Referenzen besitzt als der Benjamin der Serie, Merlin Rose, der immerhin in Andreas Dresens „Als wir träumten“ die Hauptrolle spielte. Gefühlt ist das auf jeden Fall die am hochkarätigsten besetzte deutsche Vorabendserie aller Zeiten. Und das Gefühlte, die Chemie zwischen den Protagonisten, ist im Übrigen auch die Stärke dieser Serie. Ihr Herzstück ist das Team als eine Art Serienfamilie. Nicht vergessen sollte man, dass „Die Spezialisten“ für den Vorabend produziert wurde. Da herrscht noch mehr Unruhe vorm Fernseher, lässt die Konzentration aufs Programm eher noch zu wünschen übrig. Deshalb muss eben alles etwas deutlicher ausfallen, selbst Blicke oder verbale Zwischentöne.

Die Folgen sind stets als kleine Zeitreisen konzipiert, in denen ein wenig auch Zeitgeist und Moral versucht werden mitzureflektieren. Zum Auftakt in „Der verlorene Sohn“ gerät die WM-Euphorie 1990 in Kontrast zur Homophobie jener Jahre. In Folge 2, „Party!“, wird die Berliner Love Parade 2006 zum Ausgangspunkt einer bis heute nicht aufgeklärten Vermissung. Mit zwei, drei kurzen Szenen setzt man die jeweilige Zeit ikonografisch ins Bild. Wesentlicher ist der Zeithorizont da schon für die Motive der Tat. Letztlich bleibt aber auch das nur eine narrative Spielerei, um die sehr dialoglastigen Szenen wenigstens inhaltlich etwas interessanter zu machen. Andererseits soll der Zeitaspekt auch mehr Empathie in der Serie etablieren. Was sicher eine angemessene Möglichkeit ist, dem Kill-Kill-Overkill im deutschen Fernsehen zu begegnen. In „Der verlorene Sohn“, sagt beispielsweise die Mutter des toten Jungen (sehr einfühlsam gespielt von Gitta Scheighöfer), der sich auf dem Transenstrich seinen Lebensunterhalt verdiente, „selbst wenn er tot ist – es ist gut, wenn das mal ein Ende hat. Wenn man sich nicht jeden Tag fragen muss… Ich hab ja jeden Tag gehofft.“ Visuell bleiben die beiden ersten Folgen (das ZDF stellte nicht mehr zur Verfügung) von Gero Weinreuter („Heldt“) guter Vorabendschnitt, doch gegenüber Hauptabendkrimiserien fallen sie deutlich ab. Vielleicht liegt es auch nur am Production Code für den Vorabend, dass alles so szenisch und „aufgeräumt“ aussieht, so hell und clean, so Reklame-kompatibel. Vielleicht aber wird ja die Inszenierung – mit Nicolai Rohde („Tod auf der Insel“), Kai Meyer Ricks („Block B – Unter Arrest“) und Samira Radsi („Deutschland 83“) auf dem Regiestuhl – etwas aufregender.

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ZDF

Mit Valerie Niehaus, David Rott, Merlin Rose, Tobias Licht, Henriette Richter-Röhl, Katy Karrenbauer, Narges Rashidi

Kamera: Roman Nowocien, Uli Kudicke, Heinz Wehsling, Matthias Papenmeier

Szenenbild: Olaf Rehahn

Schnitt: Jens Müller, Robert Stuprich, Birgit Bahr, Andrea Schriever

Musik: Oli Biehler

Produktionsfirma: UFA Fiction

Headautor*in: Carl-Christian Demke

Drehbuch: Carl-Christian Demke, Michael Illner, Ralf Kinder, Christiane Bubner, Günter Overmann

Regie: Gero Weinreuter, Nicolai Rohde, Kai Meyer-Ricks, Samira Radsi

Quote: (1): 4,38 Mio. Zuschauer (15% MA); (2): 4,29 Mio. (14,5% MA); (4): 2,70 Mio. (8,9% MA); (5): 3,54 Mio. (12,2% MA)

EA: 03.02.2016 19:25 Uhr | ZDF

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