Die Notärztin

Sabrina Amali, Paul Zichner, Jan Haering, Tina Thoene. Mit Feuer und Flamme

02.02.2025 02:05 SWR Folgen 1-4
03.02.2025 02:10 SWR Folgen 5+6
Foto: ARD / SWR / Volker Roloff
Foto Tilmann P. Gangloff

Die neue ARD-Dienstagsserie „Die Notärztin“ (SWR / Polyphon) ist gelegentlich spannend, meist eher beschaulich inszeniert und ganz besonders wegen der Titeldarstellerin sehenswert: Die Schweizerin Sabrina Amali spielt eine junge Ärztin, die nach Mannheim gezogen ist und dort nun als Notärztin zum Team einer Feuerwache gehört. Die Folgen erzählen teils in sich abgeschlossene, teils durchgehende Geschichten über die ganze Palette menschlicher Schicksale von der Geburt bis zum Tod. Weil sich Nina Haddad auch nach Dienstschluss für die Geretteten verantwortlich fühlt, mutet sie sich schließlich zu viel zu. Besonders interessant ist der Handlungsstrang mit der 14jährigen Tochter einer überforderten Mutter; das Mädchen würde sich am liebsten von Nina adoptieren lassen. Im Verlauf der sechs Episoden bekommen auch die zunächst recht schematisch wirkenden Nebenfiguren immer mehr Tiefe.

Die ärztliche Heldin dieser Dienstagsserie, heißt es im ARD-Pressematerial, erlebe „emotionale Höhen und Tiefen, dramatische Notfälle und bewegende Dramen.“ Diese Beschreibung gilt selbstredend für sämtliche Produktionen dieser Art; sie ließe sich eins zu eins auf die Freitagsreihen „Praxis mit Meerblick“ und „Die Eifelpraxis“ übertragen. Im Grunde passt sie auch zu anderen ARD-Titelhelferinnen mit Herz wie Billy Kuckuck und Klara Sonntag, zumal die neue Serie ebenfalls vor allem von der Titeldarstellerin lebt: Sabrina Amali, Schweizerin mit marokkanischen Wurzeln, hat hierzulande schon einige Male als Gast- oder Nebendarstellerin geglänzt, zuletzt unter anderem in der „Harter Brocken“-Episode „Das Überlebenstraining“ (2022). Dank ihr ist „Die Notärztin“ selbst dann sehenswert, wenn Nina Haddad als Beifahrerin im Notarztwagen über ihre Erlebnisse während der Einsätze nachdenkt. Anders als die Kollegen von der Feuerwache kann und will sie die Ereignisse nicht an sich abperlen lassen, weshalb sie sich selbst nach Dienstschluss noch um die Menschen kümmert, die sie gerettet hat.

Soundtrack: Cage the Elephant („Cold Cold Cold“, Titelsong; „Ready To Let Go”), Notorious BIG („Hypnotize”), Abba („The Winner Takes It All”), Coldplay („Everything’s Not Lost”), Robot Koch („Dreams”, Junip („Line Of Fire”)

Die NotärztinFoto: ARD / SWR / Volker Roloff
Die ARD-Serie“Die Notärztin“ ist unaufgeregt inszeniert, es dominieren die Dramen der Patienten, es gibt aber durchaus auch telegene Situationen und starke Bilder wie dieses: Ein Mann ist in den Kellerschacht gefallen. Die Feuerwehr hilft. Pio (Mark Zak), Markus (Max Hemmersdorfer) Nina (Sabrina Amali), Paul (Paul Zichner) und Billy (Anna Schimigk)

Über die Vorgeschichte der Anästhesistin, die von Zürich nach Mannheim gezogen ist, erzählen die Drehbücher (Jan Haering, Tina Thoene) praktisch nichts. Einziger Bezug zu dem früheren Leben, vor dem sie offenbar geflohen ist, sind gelegentliche Videogespräche mit ihrer schwerkranken Mutter. Ansonsten lebt sie nur für ihren Beruf und nimmt sich sogar Arbeit mit nach Hause: Als eine überforderte Mutter (Janina Stopper) nach einem Suizidversuch im Koma liegt, kümmert sich Nina um die 14jährige Tochter. Emily wäre es am liebsten, wenn die Ärztin sie adoptieren würde, was unvermeidlich zu einer tiefen Enttäuschung führt; die junge Mila Voigt spielt das ausgezeichnet. Dieser Handlungsstrang zieht sich ebenso durch alle Folgen wie die regelmäßigen Begegnungen mit dem obdachlosen Junkie Netto (Vincent Krüger) sowie die finanziellen Probleme von Rettungssanitäter Paul (Paul Zichner), der sich schließlich zu einer fatalen Dummheit hinreißen lässt. Andere Ebenen sind in sich abgeschlossen, etwa die Geschichte vom eingebildeten Kranken (Daniel Zillmann), der sich beinahe täglich in die Notaufnahme bringen lässt.

Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten erarbeitet sich die Ärztin den Respekt der größtenteils kernigen Kollegen. Bloß die ehrgeizige Billy (Anna Schimrigk) bleibt auf Distanz und macht ihr klar, dass sie bei ihr nicht auf weibliche Solidarität hoffen braucht: Als einzige Frau im Team muss Billy mehr Kerl sein als die Männer um sie herum. Umso sympathischer sind die Szenen mit Markus (Max Hemmersdorfer), Typ klassischer Schürzenjäger, der für die Stimmung der Truppe zuständig ist und sein Glück natürlich auch bei Nina probiert. Der Augenblick vor dem ersten Kuss in Folge vier ist ein kleiner und auf den Punkt inszenierter witziger Knüller (Jan Haering führte auch Regie), aber ansonsten ist die Umsetzung auch wegen der vielen preiswert produzierten Gesprächsszenen im Notarztwagen recht brav. Die Geschichten decken zwar von der Geburt bis zum Tod die ganze Palette des Lebens ab, doch dynamisch wird es nur, wenn sich die Kamera (Bildgestaltung: Lukas Steinbach) ins Getümmel stürzt. In diesen Szenen bekommt die Serie einen quasidokumentarischen Charakter: Dank sorgfältiger Recherche und fachlicher Beratung wirkt „Die Notärztin“ bis hin zur enormen psychischen Belastung für das Team sehr authentisch. Aus Sicht des Drehbuchduos besteht der Mehrwert darin, außerdem die Geschichten der Geretteten erzählen zu können; in einer Dokureihe wie „Feuer und Flamme – Mit Feuerwehrmännern im Einsatz“ (WDR) ist das aus Gründen der Anonymisierung meist nicht möglich.

Die NotärztinFoto: ARD / SWR / Volker Roloff
In solchen Situationen setzt „Die Notärztin“ auf einen dokumentarischen Erzählstil. Das Löschteam bringt einen Mann (Asad Schwarz) aus einem brennenden Haus. Was Schicksalsschläge mit den Menschen, auch den Helfern, machen, zeigt die Serie auch.

Die Dramatik resultiert daher in erster Linie aus den Schicksalen, mit denen sich Nina auseinandersetzt. Auf dieser Ebene gibt es auch immer wieder Kontra, weil sich die Ärztin die Ereignisse zu Herzen nimmt und sich regelmäßig einmischt. Während Pauls Warnung, sie habe ein „zu großes Herz für den Job“, gutgemeint ist, gibt es von Köster, dem Leiter (Johannes Kienast) der Feuerwache, einen veritablen Anschiss, als sie es seiner Ansicht nach wieder mal zu weit getrieben hat: „Wir sind der Rettungsdienst und keine Missionare.“ Anders als die idealistische Truppe ist der Chef vor allem auf Effizienz bedacht: Während sich Nina darüber aufregt, dass der Hypochonder den Rettungswagen als kostenloses Taxi missbraucht, während es anderswo echte Notfälle gibt, will Köster eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung vermeiden. Besonders heikel ist ihr Engagement für eine Frau mit Kopfverletzung: Sie vermutet häusliche Gewalt, was sie auch dem zuständigen Arzt in der Notaufnahme mitteilt; der Ehemann wirft ihr Rufmord vor.

Neben Amali sowie Max Hemmersdorfer als gutgelaunter Herzensbrecher ist vor allem die Leistung Paul Zichners bemerkenswert: Der anfangs unscheinbare Paul wirkt lange Zeit wie ein Getriebener, zeigt aber großes Format, als er Netto davor bewahrt, sich das Leben zu nehmen; auch die Szenen beim Gespräch mit einer Psychologin (Anna König) sind eindrucksvoll gespielt. Dank der sechs Folgen bieten sich den Ensemblemitgliedern ohnehin einige Gelegenheiten, ihren Figuren jenseits gewisser Stereotype andere Seiten abgewinnen; das gilt auch für Mark Zak als bärbeißiger Staffelführer, der in den Achtzigern hängen geblieben ist. In erster Linie ist „Die Notärztin“ jedoch eine Verbeugung vor den Männern und Frauen, die tagtäglich ihr Leben riskieren, dafür nicht selten nur Undank ernten und hier einmal sogar buchstäblich angepisst werden; von den Behinderungen durch Schaulästige ganz zu schweigen. Dank der cleveren Kombination aus „Medical“-Drama, Einsatzspannung und viel Gefühl müsste die Serie eigentlich auch beim Stammpublikum der ARD-Dienstagsserien („In aller Freundschaft“) gut ankommen. (Text-Stand: 21.1.2024)

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Serie & Mehrteiler

ARD, SWR

Mit Sabrina Amali, Paul Zichner, Max Hemmersdorfer, Mark Zak, Anna Schimrigk, Mila Voigt, Johannes Kienast, Vincent Krüger, Daniel Zillmann, Janina Stopper, Sinja Dieks, Anna König

Kamera: Lukas Steinbach

Szenenbild: Tom Hornig

Kostüm: Stefanie Jauß

Schnitt: Jan-Timo Sonnemann

Musik: Tina Pepper, Mario Lauer

Redaktion: Michael Schmidl, Simon Riedl

Produktionsfirma: Polyphon

Produktion: Sabine Tettenborn

Drehbuch: Jan Haering, Tina Thoene

Regie: Jan Haering

Quote: (1): 4,66 Mio. (18% MA); (2): 4,19 Mio. (16,6% MA); (3): 3,43 Mio. (13,3% MA); (4): 3,93 Mio. (15,5% MA); (5): 3,54 Mio. (13,3% MA); (6): 3,79 Mio. (15,1% MA)

EA: 06.02.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 13.02.2024 20:15 Uhr | ARD

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