Maria und ihr 20-jähriger Sohn Matis leben in einem symbiotischen Verhältnis. Grund dafür: Der junge Mann ist in seiner Entwicklung zurückgeblieben und benötigt die ganze Fürsorge seiner Mutter. In der Zeit, in der er in einer Behindertenwerkstatt arbeitet, jobbt sie im Supermarkt. Es ist kein leichtes Leben; Matis’ Vater hat schon vor vielen Jahren das Weite gesucht. Aber Maria hadert nicht mit ihrem Schicksal. Auch als es ein weiteres Mal über sie hereinbricht: die 17-jährige Nachbarin Lea ist direkt nebenan im Garten erschlagen worden. Der Verdacht fällt sofort auf Matis, auch einige Indizien sprechen gegen ihn. Kommissar Simon lässt ihn abführen wie einen Schwerverbrecher. Maria ist außer sich: der Junge war noch keinen Tag ohne sie, er ist abhängig von der peniblen Einhaltung bestimmter Abläufe und Rituale. Wenigstens findet Matis in dem Psychiater Dr. Benjamin bald einen Fürsprecher, der ihn gegen allzu heftige Attacken des Kommissars verteidigt. Maria hofft immer noch, dass die Polizei einen anderen Täter ermittelt. Gleichzeitig bezweifelt sie, dass der Kommissar auch die anderen Spuren verfolgt: Leas Ex-Freund und dessen Vater, Leas Schwimmlehrer, einschlägig vorbestraft, der ein Verhältnis mit dem Mädchen gehabt haben soll. Doch dann – zu aller Verwunderung – gesteht der Junge die Tat. „Ich war das. Ich weiß, was tot ist.“
Foto: ZDF / Nik Konietzny
In „Die Mutter des Mörders“ präsentiert sich Natalia Wörner („Unter anderen Umständen“) in einer für sie ungewöhnlichen Rolle. Sie spielt eine vereinsamte Mutter, die in bescheidenen Verhältnissen lebt. „Eine Tief-Status-Figur“, wie die Schauspielerin sagt, „eine Frau, die ihre Kraft aus einer gut versteckten, kleinen Schatztruhe bezieht“. Diese Frau ist limitiert in ihren Möglichkeiten; außerdem fordert ihr das Schicksal ja schon alles ab. Noch weiter über sich hinauswachsen, das geht nicht bei dieser Maria – und so verschlimmern ihre Recherchen auf eigene Faust die Situation eher noch: Der Kommissar wird immer unleidiger und bald scheint sie auch das Glück der Schwimmlehrerfamilie auf dem Gewissen zu haben. Selbstredend ist es die Perspektive der Mutter, die den emotionalen Haushalt des Films bestimmt. Sie ist die Aktive, sie fordert Mitgefühl. Auch wenn Wörner eine typische Schauspielerin für „Hoch-Status-Figuren“ und Power-Frauen ist, nimmt man ihr diese Rolle von der ersten Minute an ab. Kostüm und Maske tragen nicht unwesentlich dazu bei. Außerdem spricht auch das Milieu, das sich nachdrücklich gut in der Ausstattung spiegelt, eine deutliche Sprache: da ist das muffige, verbachlässigte Haus mit dem verwilderten Garten, für das weder Zeit noch Geld vorhanden ist; da ist der Supermarktalltag, grau bis grauenhaft, und da ist der Fahrer, der den Jungen täglich chauffiert, noch mehr als Wörners Maria eine „Tief-Status-Figur“.
Während Sylvester Groth seinen Psychiater von der menschlichen Gestalt und Ernst Stötzner seinen vermeintlichen Kommissar Knallhart – zwei zentrale Funktionsrollen, die die Befindlichkeiten der Hauptfiguren stark beeinflussen – auf den Punkt genau spielen, ist Axel Prahl als der kleine Mann im Behindertenbus der darstellerische Schwachpunkt des Films. Der Schauspieler & „Tatort“-Star, früher gern zwischen Fiesling und Proletarier-Nimbus besetzt, spielt mal mit verschlagenem Blick, mal mit unterwürfigem Gehampel, mal Schmidtchen-Schleicher-like – immer aber zu laut und viel zu äußerlich. Dabei ist dieser David Bacher wichtig für die „Entwicklung“ des jungen Mannes – und somit für den Handlungsverlauf: von ihm wird Matis pornografisch sozialisiert („schöne Frauen kann man auch kaufen“) und auf Lea noch einmal besonders hingewiesen („ein heißer Feger… die kann man bestimmt auch kaufen“) und durch ihn, den leidenschaftlichen Liebhaber von Blondinen-Witzen, verliert der Junge quasi seine „Unschuld“, indem er seiner Mutter für ein Sex-Heftchen 20 € klaut.
Foto: ZDF / Nik Konietzny
Nichtsdestotrotz dürfte „Die Mutter des Mörders“ als ein Spannungsfilm, der über die Emotionen der aufopferungsvoll und verzweifelt kämpfenden Mutter zu Anteilnahme und Mitgefühl beim Zuschauer einlädt, durchaus funktionieren. Die Fallhöhe ist groß, die Geschichte ist sehr linear erzählt und die letzte halbe Stunde sorgt für ein spannungs- und wendungsreiches Wechselbad der Gefühle. Drehbuchautor Christian Schnalke („Krupp – Eine deutsche Familie“) mochte es schon immer geradlinig, effektiv und gern auch mal knallig. Und der Gehalt? „Der Film scheut sich nicht vor existentiellen Grundfragen nach Recht, Gerechtigkeit und Sühne“, so Wörner im ZDF-Interview. Außerdem will die Schauspielerin „Schuld, Scham und Versagen“ als auch „Liebe und Hoffnung“ als Themen und Motive von Carlo Rolas passend zum Milieu schlicht und unauffällig inszenierten Film ausgemacht haben. Nun ja, Denkanstöße wird der affektstarke Film wohl eher keine geben. Allenfalls in der Schlussszene darf sich der Zuschauer seinen Teil denken. (Text-Stand: 11.8.2015)