Eine Familie aus dem Ruhrgebiet knackt den Superjackpot. Was haben sie sich nicht alles ausgemalt: Karibik, Ferrari, Brillanten… Schluss mit der Putzstelle, Schluss damit, das Geld anderer zu chauffieren und Schluss damit, sich von dieser „Ossi-Bratze“ schikanieren zu lassen. Doch es kommt alles ganz anders. Die 12 Millionen Euro landen zwar tatsächlich nach ein paar Tagen auf dem Konto von Familienoberhaupt Rudi König, doch zuvor steht der Psychologe der Lottogesellschaft auf der Millionärsmatte in der genossenschaftlichen Etagenwohnung: „Bei so einem Gewinn könnten einige Probleme auf Sie zukommen“, formuliert er es vorsichtig. Eine Schlange von Bittstellern vor der Haustür, Kaufsuchtsanfälle, Trennung – ganze Familien seien an ihrem plötzlichen Reichtum zugrunde gegangen. Also wird nichts aus Weltreise, Kauforgien oder dem Wunsch, dem Arbeitgeber den Stinkefinger zu zeigen. Kein Wort über den Lottogewinn nach außen! Und so ist die erste Euphorie bald verflogen. „Millionär sein macht gar keinen Spaß“, klagt Mutter Claudia, der es nicht leicht fällt, Schwester Elfie und dem eigenen Sohn Theo den Millionengewinn zu verheimlichen. So ein bisschen was gönnen sich Rudi und Claudia dann gelegentlich doch – allerdings jeder für sich. So bringen die Millionen zumindest eines ins Haus: mehr Zoff – und Dr. Rössler, den Lotto-Psychologen. Für die Nachbarschaft ist er der Familientherapeut. Von wegen, Hausmeister-Ekel Feindke besteht auf Sexualtherapeut. „König, du impotenter Klemmi…“
Pott knackt Pot. Die Idee kam nicht vom WDR. Der ORF hatte sie für die Ösi-Sitcom „Die Lottosieger“. Die Kölner Produktionsfirma Eyeworks Fiction ging mit der Idee schwanger, das Grundkonzept der Geschichte zu adaptieren, bot dem WDR das Projekt an – und die Verantwortlichen dort erwärmten sich recht schnell für diesen komödiantisch-unterhaltsamen Serienstoff. Herausgekommen ist eine drollige Kleinbürger-Schnurre auf Comedy-Kurs. Familien-Notstand durch plötzlichen Reichtum. Spiegelt der Traum vom Lottogewinn Sehnsüchte, so bringen die gewonnenen Millionen plötzlich Urängste ans Licht. Diese sechsteilige Serie lässt sich süffig weggucken bei Bier und Schnittchen. Handlungsort ist zwar Essen-Steele, doch das Gelsenkirchener Barock hält sich zurück. Papa ist vielmehr erklärter Westernhagen-Fan, der Sohnemann will Musical an der Folkwang-Schule studieren („Ich bin aber nicht schwul“) und Mama hat nicht nur so etwas Laszives im Blick, sie macht auch gern mal Scherze auf Kosten des hiesigen Fußball-Vereins (Rudi: „Wir haben sechs Richtige!“ – Claudia: „Und Rot-Weiß Essen wird Deutscher Meister“). Eine aufgeklärte Kleinbürgerfamilie also, in der sich das Alte und das Neue sympathisch die Hand reichen.
So ist es kein Wunder, dass einem die Charaktere samt den Klischees, mit denen ein solches 28-Minuten-Format jonglieren muss, nach wenigen Serien-Minuten ans Herz gewachsen sind. Auch, weil das Ensemble mit kluger Überlegung statt simplem Kalkül zusammengestellt ist: da sind Waldemar Kobus („Wickie“-Filme), Sandra Borgmann („Berlin, Berlin“), Friederike Kempter („Tatort“ Münster) oder Oliver Wnuk („Stromberg“). Das Timing stimmt, die Dialoge bewegen sich geschickt zwischen Comedy und Alltagsserie und das Tempo ist gut austariert für die sowohl-als-auch-Zielgruppe – sprich: jung und alt. Das ist populäres Unterhaltungsfernsehen, regional verortet, sozialen Traditionen verpflichtet, ohne den ranzigen Geruch von Vorgestern. Kleine-Leute-Fernsehen? Vielleicht. Vor allem aber sind „Die LottoKönige“ Gute-Laune-Fernsehen – und diese sechs Folgen sind mindestens eine Klasse besser als das, was einige ARD-Sender (auch der WDR) am Vorabend erfolglos ausprobieren.