Die Kuhflüsterin

Cordula Stratmann, Simon Böer, Ulli Baumann. Situationskomik am Vorabend!

Foto: WDR / Frank Dicks
Foto Harald Keller

Belinda mit den Röntgenhänden. Der bergische Weiler Oberbreitbach ist Schauplatz der ARD-Vorabendkomödie „Die Kuhflüsterin“, die wie maßgeschneidert wirkt für die Komödiantin Cordula Stratmann. Als esoterisch angehauchte Tierheilpraktikerin Belinda Mommsen tut sie viel Gutes, richtet aber auch mancherlei Kalamitäten an, die dann mühsam wieder eingerenkt werden müssen, wobei sie auf ihren kleinen Freundeskreis und manchmal auch auf den verhassten Nachbarn bauen kann. Das alles läuft ländlich gediegen ab und auch Belinda Mommsens gewitzte Sprüche werden in verhaltenem Tempo serviert.

Bei den Dreharbeiten zur Erfolgsserie „Mord mit Aussicht“ musste das Bergische Land gelegentlich als Double für die benachbarte Eifel herhalten, nun wird es selbst zum Schauplatz. Im dortigen fiktiven Oberbreitbach betätigt sich Belinda Mommsen (Cordula Stratmann) als Tierheilpraktikerin. Wo andere Ärzte ihre Patienten in ein MRT-Gerät schieben, nimmt Mommsen den erkrankten Leib einfach zwischen ihre Handflächen und weiß bald um die Ursache des Leidens. Das klappt auch bei Menschen, aber Abstecher in die Humanmedizin wurden Mommsen vom Ordnungsamt in Gestalt ihrer Erzfeindin Edith Merkes (Sabine Lorenz) strikt verboten. „Kühe ja, Besitzer nein,“ erklärt Mommsen, als Bauer Ferdi nach der erfolgreichen Behandlung seines Vierbeiners auch noch um einen Rat in eigener Sache bittet. Aber inoffiziell lässt sich natürlich schon das eine oder andere machen…

Mommsens treue Freunde Gitti Padberg (Susi Banzhaf) und Hannes Krieger (Carsten Strauch) warnen, Edith Merkes wacht aufmerksam, aber irgendwie gelingt es Mommsen immer wieder, ihre Belange zum gewünschten Ende zu bringen. Hannes Krieger, auch Leiter des Chores „Die Staublungen“, in dem alle drei genannten Damen regelmäßig ihre Stimmen erheben, ist querschnittsgelähmt, Gelegenheit für ein paar Rollstuhlfahrerwitze („Arschtritt gefällig?“), die aber vorsichtshalber nur in Form von Aufklebern auf der Rückenlehne dargeboten werden. Zu frech darf man ja am Vorabend auch nicht werden.

Die KuhflüsterinFoto: WDR / Frank Dicks
Freunde der Heldin: Gitti (Susi Banzhaf) und Rollifahrer Hannes (Carsten Strauch)

Für die nötige Dynamik im Geschehen sorgt ein Neuzugang in der kleinen Gemeinde. Der aus Berlin übersiedelte Nachbar Winnes Wöllner (Simon Böer) erregt auf den ersten Blick Mommsens Neugier und auch ihr Misstrauen, erhebt sogar Anspruch auf jenen Teil ihres Anbaus, in dem sie ihre Praxis unterhält. Es entspinnt sich episodenübergreifend eine herzliche Abneigung mit der besonderen Note, dass Wöllner für Mommsens Sohn Thommy zum väterlichen Ratgeber wird. Denn Thommy steckt mitten in der Pubertät und ist arg verknallt in die australische Austauschschülerin Jill Cinnamon (Amrei Haardt), deren Abreise näher rückt, was Thommy schwer zu schaffen macht und auf tolldreiste Ideen bringt.

Für Fans der Kabarettistin Cordula Stratmann ist diese Serie ein Fest. Sie bleibt wie stets ihrer angestammten Rolle verhaftet, gibt eine mundfertige, bauernschlaue Heldin, die gelegentlich Opfer ihrer eigenen Machenschaften und Rankünen wird. Das kann in eine Slapstickszene münden, wenn sie beispielsweise kopfüber & beinestrampelnd im Mülleimer des mit Argwohn beobachteten Nachbarn feststeckt. Hauptelement der Komik aber sind Mommsens Oneliner und ihre manchmal etwas umständlich-schrägen Erklärungen der Weltlage im Allgemeinen und der Oberbreitbacher Verhältnisse im Besonderen. Schon schön, wie sie ihrem Sohn, der sich zur Nachhilfestunde mit Jill abmeldet, Kondome in die Hand drückt und auf dessen verlegene Reaktion hin mit mütterlicher Nachsicht erläutert: „Das Mädchen ist Gastschülerin. Wenn die zurück nach Australien fliegt, darf die keine biologischen Produkte einführen.“ Nachhilfe erhält auch der Zuschauer, zum Beispiel im Fach Biologie und auch noch hübsch alliterierend: „Kühe können nicht kotzen. Weinen schon.“ Stratmann serviert solche Sprüche in der bekannten Art, mit Gemach & überbetont, als rede sie zu Menschen mit beschränktem Intellekt. Aber auch die – und nicht nur altkluge Fernsehkritiker – sollen ja Spaß haben am Fernsehen; insofern gibt es daran nichts auszusetzen. Zumal am Vorabend ja selten mit voller Aufmerksamkeit geschaut wird und bei schnellerem Erzähltempo manches verpufft.

Die KuhflüsterinFoto: WDR / Frank Dicks
Belinda (Cordula Stratmann) hat einmal wieder ihre ärztlichen Kompetenzen überschritten. Gittis Vorgesetzte Edith (Sabine Lorenz) macht ständig Stress.

Die Neuerfindung der Sitcom gelingt dem namens der ARD Werbung zuständigen WDR und der Produktionsfirma Eyeworks mit dieser Serie erwartungsgemäß nicht. Das Prinzip ist im Gegenteil sehr vertraut. Die Figurenkonstellation gleicht der aus der Grimme-Preis-gekrönten Sitcom „Ritas Welt“ (1998-2003), bei der Ulli Baumann ebenfalls Regie führte: Wir treffen auf die pfiffige und schlagfertige Hauptakteurin, die treuherzige, etwas schlichter gestrickte beste Freundin, den ‚Erzfeind‘, mit dem sich die Heldin wonniglich bissige Wortgefechte liefert. Wobei die Dialoge in „Ritas Welt“ meist in schnellerem Rhythmus serviert wurden als in „Die Kuhflüsterin“, aber die Autoren der ungemein erfolgreichen RTL-Sitcom mit Gaby Köster konnten im Abendprogramm auf eine intensivere Zuwendung bauen. „Ritas Welt“ brachte seinerzeit einen erfrischend flotten Tonfall ins deutsche Fernsehen, seither hat sich das serielle Erzählen allerdings weiterentwickelt. Die simple Teilung in Protagonistin und Antagonist ist nicht mehr zeitgemäß, gute TV-Serien zeichnen sich durch Zwischentöne aus. Und das gilt auch für das Fach der Situationskomödie. Der technische Fortschritt allerdings findet schon Eingang. Abends vor dem Schlafengehen tauscht sich Mommsen noch schnell per Videokonferenz mit ihren Freunden über ihre neuesten Erkenntnisse aus. Die zum Beispiel lauten: Der harte Kerl von nebenan liest heimlich Herz-Schmerz-Romane.

Wer aufmerksam hinsieht, wird feststellen, dass Mommsens Praxis zwischen Folge 1 und 2 umgestaltet wird, ihre Hauskuh „Mutti“ einen Seitenwechsel vollzieht und das schöne Fachwerk gegen eine Backsteinfassade eingetauscht wird. Auch wandeln sich die Gesichtszüge von Sohn Thommy, was nun aber nicht exzessivem altersbedingten Hormonausstoß, sondern einem Schauspielerwechsel geschuldet ist, denn – daher die beschriebenen und noch weitere Veränderungen – zwischen den Dreharbeiten zur Auftaktepisode und den übrigen Folgen lag ein Jahr. Im Pilotfilm wurde Thommy von Tom Gramenz verkörpert, der laut Auskunft der verantwortlichen PR-Agentur zwischenzeitlich einen Platz an der Schauspielschule Ernst Busch erhielt und deshalb durch Patrick Mölleken ersetzt werden musste. (Text-Stand: 15.6.2015)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Serie & Mehrteiler

WDR

Mit Cordula Stratmann, Simon Böer, Sabine Lorenz, Carsten Strauch, Patrick Mölleken, Susi Banzhaf, Amrei Haardt

Kamera: Tom Holzhauser (Pilotfolge), Thomas Antoszczyk

Szenenbild: Christine Pflanz (Pilotfolge), Michaela Schumann

Kostümbild: Kerstin Westermann, Møre Thole (Pilotfolge), Stephanie Fürst, Mirjam Hübner

Schnitt: Günter Schultens (Pilotfolge), Guido Krajewski

Musik: Christian Hamm

Produktionsfirma: Eyeworks Fiction & Film

Drehbuch: Mark Werner, Marko Lucht, Oliver Welter – Idee: Mark Werner

Regie: Erik Haffner, Ulli Baumann

EA: 09.07.2015 18:50 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach