Bei den Dreharbeiten zur Erfolgsserie „Mord mit Aussicht“ musste das Bergische Land gelegentlich als Double für die benachbarte Eifel herhalten, nun wird es selbst zum Schauplatz. Im dortigen fiktiven Oberbreitbach betätigt sich Belinda Mommsen (Cordula Stratmann) als Tierheilpraktikerin. Wo andere Ärzte ihre Patienten in ein MRT-Gerät schieben, nimmt Mommsen den erkrankten Leib einfach zwischen ihre Handflächen und weiß bald um die Ursache des Leidens. Das klappt auch bei Menschen, aber Abstecher in die Humanmedizin wurden Mommsen vom Ordnungsamt in Gestalt ihrer Erzfeindin Edith Merkes (Sabine Lorenz) strikt verboten. „Kühe ja, Besitzer nein,“ erklärt Mommsen, als Bauer Ferdi nach der erfolgreichen Behandlung seines Vierbeiners auch noch um einen Rat in eigener Sache bittet. Aber inoffiziell lässt sich natürlich schon das eine oder andere machen…
Mommsens treue Freunde Gitti Padberg (Susi Banzhaf) und Hannes Krieger (Carsten Strauch) warnen, Edith Merkes wacht aufmerksam, aber irgendwie gelingt es Mommsen immer wieder, ihre Belange zum gewünschten Ende zu bringen. Hannes Krieger, auch Leiter des Chores „Die Staublungen“, in dem alle drei genannten Damen regelmäßig ihre Stimmen erheben, ist querschnittsgelähmt, Gelegenheit für ein paar Rollstuhlfahrerwitze („Arschtritt gefällig?“), die aber vorsichtshalber nur in Form von Aufklebern auf der Rückenlehne dargeboten werden. Zu frech darf man ja am Vorabend auch nicht werden.
Foto: WDR / Frank Dicks
Für die nötige Dynamik im Geschehen sorgt ein Neuzugang in der kleinen Gemeinde. Der aus Berlin übersiedelte Nachbar Winnes Wöllner (Simon Böer) erregt auf den ersten Blick Mommsens Neugier und auch ihr Misstrauen, erhebt sogar Anspruch auf jenen Teil ihres Anbaus, in dem sie ihre Praxis unterhält. Es entspinnt sich episodenübergreifend eine herzliche Abneigung mit der besonderen Note, dass Wöllner für Mommsens Sohn Thommy zum väterlichen Ratgeber wird. Denn Thommy steckt mitten in der Pubertät und ist arg verknallt in die australische Austauschschülerin Jill Cinnamon (Amrei Haardt), deren Abreise näher rückt, was Thommy schwer zu schaffen macht und auf tolldreiste Ideen bringt.
Für Fans der Kabarettistin Cordula Stratmann ist diese Serie ein Fest. Sie bleibt wie stets ihrer angestammten Rolle verhaftet, gibt eine mundfertige, bauernschlaue Heldin, die gelegentlich Opfer ihrer eigenen Machenschaften und Rankünen wird. Das kann in eine Slapstickszene münden, wenn sie beispielsweise kopfüber & beinestrampelnd im Mülleimer des mit Argwohn beobachteten Nachbarn feststeckt. Hauptelement der Komik aber sind Mommsens Oneliner und ihre manchmal etwas umständlich-schrägen Erklärungen der Weltlage im Allgemeinen und der Oberbreitbacher Verhältnisse im Besonderen. Schon schön, wie sie ihrem Sohn, der sich zur Nachhilfestunde mit Jill abmeldet, Kondome in die Hand drückt und auf dessen verlegene Reaktion hin mit mütterlicher Nachsicht erläutert: „Das Mädchen ist Gastschülerin. Wenn die zurück nach Australien fliegt, darf die keine biologischen Produkte einführen.“ Nachhilfe erhält auch der Zuschauer, zum Beispiel im Fach Biologie und auch noch hübsch alliterierend: „Kühe können nicht kotzen. Weinen schon.“ Stratmann serviert solche Sprüche in der bekannten Art, mit Gemach & überbetont, als rede sie zu Menschen mit beschränktem Intellekt. Aber auch die – und nicht nur altkluge Fernsehkritiker – sollen ja Spaß haben am Fernsehen; insofern gibt es daran nichts auszusetzen. Zumal am Vorabend ja selten mit voller Aufmerksamkeit geschaut wird und bei schnellerem Erzähltempo manches verpufft.
Foto: WDR / Frank Dicks
Die Neuerfindung der Sitcom gelingt dem namens der ARD Werbung zuständigen WDR und der Produktionsfirma Eyeworks mit dieser Serie erwartungsgemäß nicht. Das Prinzip ist im Gegenteil sehr vertraut. Die Figurenkonstellation gleicht der aus der Grimme-Preis-gekrönten Sitcom „Ritas Welt“ (1998-2003), bei der Ulli Baumann ebenfalls Regie führte: Wir treffen auf die pfiffige und schlagfertige Hauptakteurin, die treuherzige, etwas schlichter gestrickte beste Freundin, den ‚Erzfeind‘, mit dem sich die Heldin wonniglich bissige Wortgefechte liefert. Wobei die Dialoge in „Ritas Welt“ meist in schnellerem Rhythmus serviert wurden als in „Die Kuhflüsterin“, aber die Autoren der ungemein erfolgreichen RTL-Sitcom mit Gaby Köster konnten im Abendprogramm auf eine intensivere Zuwendung bauen. „Ritas Welt“ brachte seinerzeit einen erfrischend flotten Tonfall ins deutsche Fernsehen, seither hat sich das serielle Erzählen allerdings weiterentwickelt. Die simple Teilung in Protagonistin und Antagonist ist nicht mehr zeitgemäß, gute TV-Serien zeichnen sich durch Zwischentöne aus. Und das gilt auch für das Fach der Situationskomödie. Der technische Fortschritt allerdings findet schon Eingang. Abends vor dem Schlafengehen tauscht sich Mommsen noch schnell per Videokonferenz mit ihren Freunden über ihre neuesten Erkenntnisse aus. Die zum Beispiel lauten: Der harte Kerl von nebenan liest heimlich Herz-Schmerz-Romane.
Wer aufmerksam hinsieht, wird feststellen, dass Mommsens Praxis zwischen Folge 1 und 2 umgestaltet wird, ihre Hauskuh „Mutti“ einen Seitenwechsel vollzieht und das schöne Fachwerk gegen eine Backsteinfassade eingetauscht wird. Auch wandeln sich die Gesichtszüge von Sohn Thommy, was nun aber nicht exzessivem altersbedingten Hormonausstoß, sondern einem Schauspielerwechsel geschuldet ist, denn – daher die beschriebenen und noch weitere Veränderungen – zwischen den Dreharbeiten zur Auftaktepisode und den übrigen Folgen lag ein Jahr. Im Pilotfilm wurde Thommy von Tom Gramenz verkörpert, der laut Auskunft der verantwortlichen PR-Agentur zwischenzeitlich einen Platz an der Schauspielschule Ernst Busch erhielt und deshalb durch Patrick Mölleken ersetzt werden musste. (Text-Stand: 15.6.2015)