Am Anfang stand der Kinofilm mit Karoline Eichhorn und Natalia Wörner. Doch noch bevor „Die Kirche bleibt im Dorf“ mit fast einer halben Million Zuschauer ein Überraschungserfolg im Kino werden konnte, orderte der SWR auch eine Serie mit derselben Konstellation, dem Konflikt zwischen zwei benachbarten schwäbischen Dörfern. Zwölf Mal 30 Minuten hat nun die kleine Produktionsfirma Fortune Cookie mit Hilfe von Network Movie gestemmt. Die gebürtige Bremerin Ulrike Grote, aufgewachsen in Pforzheim, schrieb wie bereits beim Kinofilm die Bücher. Für die Ko-Regie holte sie sich den gebürtigen Stuttgarter Rolf Schübel, in den 70er und 80er Jahren ein preisgekrönter Dokumentarfilmer, der erst in den 90ern zur Fiktion („Woanders scheint nachts die Sonne“, „Zeit der Wünsche“) fand. Beste Voraussetzungen also für eine Serie, die ihren Fokus auf Land(schaft), Leute und Heimat richtet, die realistisch in der Darstellung der schwäbischen Lebensart und naturalistisch im Sprachgebrauch sein soll. „Regionalität mit Leben füllen“, war das Ziel. Was die Bayern können – das sollte im Ländle auch möglich sein. Grote & Co treten die Beweisführung an.
Foto: SWR / Fortune Cookie
Ulrike Grote über die Struktur der Serie
„Ich finde nichts langweiliger als abgeschlossene Episodengeschichten, die in Deutschland leider immer noch den größten Platz einnehmen. Für mich ist eine gute Serie so etwas wie ein Fortsetzungsroman und wenn man am Ende einer Folge sagt: Was? Wie? Schon vorbei und wie geht’s jetzt weiter verdammt? Wär’s doch bloß schon wieder nächste Woche“! – dann bin ich sehr zufrieden.“
„Die Kirche bleibt im Dorf“ geht eigenständig mit dem Figurenensemble um. Ein Spin-off des Kinofilms ist die Serie nicht. Die Handlung spielt einige Jahre vorher. Da sind die Ober- und die Unterrieslinger, da sind die Häberles, Weinbauern, und da sind die Rossbauers, Schweinebauern seit Generationen. In Folge 1 stirbt der Rossbauer Ludwig, ein Haus- und Hoftyrann, dessen Testament die Familie auch über seinen Tod hinaus gegen ihn aufbringt. In Folge 2 bekommt die älteste Häberle-Tochter Nachwuchs – vor lauter Arbeit und Scham hat sie ihre Schwangerschaft verdrängt – und so führen völlig überstürzt die vermeintlichen Blähungen zu einer höchst chaotischen Hausgeburt. Nur die patente Großmutter behält die Nerven. In Folge 3 entbrennt die Suche nach dem Kindsvater. Ist es etwa der Rossbauer Karl, dieser elende Schweinebauer?! Wiegt dieser bald statt des kleinen Ferkels ein Baby auf seinem Arm? Kriminell wird es dann in Folge 4: Häberle-Teenie Klara ist völlig durch den Wind. Seit sie im Wald eine Leiche gefunden hat, will sie vergessen. Joints sind ihre ständigen Begleiter. Jetzt beichtet sie dem neuen Pfarrer, dass es deutliche Anzeichen dafür gab, dass der Tote sich nicht selbst erhängt hat. Der Pfarrer versteht ohnehin die Welt nicht mehr, seit er von Norddeutschland ins Ländle versetzt wurde, diese seltsamen Bräuche, dieser Hass zwischen den Dörfern und vor allem diese Sprache. Und jetzt vielleicht auch noch Mord?!
Foto: SWR / Fortune Cookie
Soundtrack (Folgen 1-4): u.a. Pink („Let’s get the Party started“), Louis Prima („Just a Gigolo“ & „Buona Sera Signorina“), Doors („Riders on the Storm“ & „Light my Fire“), Serge Gainsbourg & Jane Birkin („Je t’aime… moi non plus“), Fred Astaire („Cheek to cheek“), Dinah Washington („What a differnce a day makes“), Jamie Cullum („What a difference a day makes“), James Brown („It’s a man’s world“), AC/DC („Highway to Hell“), Cyndi Lauper („Girl’s just wanna have fun“), Amy MacDonald („Mr. Rock & Roll“)
Derb geht es zu zwischen den Dörflern, wo zwischen Sterbefällen und Geburt der Sinn fürs Praktische dominiert. Mit den Gefühlen haben es die Ober- und die Unterrieslinger nicht. Mit der Blume redet hier allenfalls der Herr Pfarrer. Die anderen schwätzen, wie ihnen das Maul oder die Gosch gewachsen ist: „du bleder Säckel“, „der norddeutsche Dackel“, „Ihr seid doch net ganz sauber“ oder „leck mich am Arsch“ sind noch die harmloseren Ausdrücke. Unbarmherzig gehen aber nicht nur die Figuren miteinander um, auch Grote ist keine Autorin, die gerne Süßholz raspelt, geschweige denn, den Handlungen Süßstoffinjektionen verabreicht. Das hat Volksstücktradition, setzt aber nur selten auf billige Schadenfreude. Grote macht sich nicht gemein mit ihren oft egoistischen, manchmal boshaften Figuren, verrät diese aber auch nicht. Diese schwäbische Landbevölkerung ist, was sie ist, sie will nicht mehr scheinen als sein und in ihr muss man als Zuschauer auch nicht mehr erkennen, als man auf Anhieb gewahr wird: es sind kantige, direkte Typen, die zupacken – auch sprachlich. Ein guter Fluch sagt hier mehr als irgendwelche intellektuellen Zwischentöne. Der Rest, das sind dramatische Miniaturen, die das Leben schreibt, schwarzer Humor und ein bisschen Klamauk und eine deftige Mundart, die beim bloßen Hören (ohne das Gesagte zu verstehen) schon ein leises Schmunzeln provoziert und bei der Nordlichter wohl nur mit den Ohren schlackern können.