Der Titel dieses Films mit Lina Wendel als Düsseldorfer Privatdetektivin, „Alte Sünden“, klingt nach einem weiteren Streifzug durch die Vergangenheit der ehemaligen Spionin. Die Tätigkeit von Anne Marie Fuchs in Diensten des Ministeriums für Staatssicherheit spielt diesmal jedoch keinerlei Rolle. Prompt ist die achte Episode der Reihe ähnlich wenig aufregend wie die Umsetzung; die Inszenierung entspricht dem Niveau einer Vorabendserie. Wirklich interessant ist allein der persönliche Bezug, denn der jüngste Auftrag führt die „Füchsin“ und ihren Kompagnon Youssef el Kilali (Karim Chérif) in die Konzernzentrale von Youssefs Schwiegervater, Reinhard Papst (Günter Barton): Thomas Loose hat laut einer Zeugenaussage betrunken auf der Kaimauer balanciert und ist in den Rhein gestürzt. Die Witwe (Liza Tzschirner) beteuert, ihr Mann habe nie mehr als ein oder zwei Bier getrunken. Papst ist Herrscher über ein Firmenimperium, Loose leitete die Abteilung Technischer Einkauf. Am Abend seines Ablebens hat er sich mit zwei Betriebsrätinnen eines Subunternehmens für Gebäudereinigung getroffen, dem er die Zusammenarbeit aufgekündigt hat. Aber würden ihn die jungen Damen deshalb gleich umbringen?
Das klingt nicht unbedingt nach einer Handlung, die für neunzig Minuten reicht. Originell an der Geschichte von Ralf Kinder, der bislang alle Drehbücher für „Die Füchsin“ geschrieben hat, ist nur der Anteil von Youssefs Frau: Eigentlich ist Simone (Jasmin Schwiers) mit ihrem Café und der kleinen Mia vollauf ausgelastet, aber weil der alte Papst wegen seiner Herzprobleme kürzer treten will, bittet er seine Tochter, vorübergehend für ihn einzuspringen und ein Immobilien-Projekt zu Ende zu bringen. Auf diese Weise hat das detektivische Duo einen Maulwurf in der Höhle des Löwen, und tatsächlich findet Simone einige Dinge heraus, die auch ihr eigenes Leben durcheinanderwirbeln: Die Beziehung zwischen ihrem Vater und dem Verstorbenen ging weit übers Geschäftliche hinaus; das erklärt Looses atemberaubenden Karrieresprung vom Buchhalter zum Topmanager. Allerdings hat Simones persönliche Involviertheit auch einen Nachteil: Kommissar Eisner (Robert Dölle) notiert sie prompt auf seiner Liste der Verdächtigen.
Das ist alles ganz nett, aber auch sehr harmlos. Das einzig auffällige an Katrin Schmidts Inszenierung ist eine zudem überflüssige Zeitlupensequenz zu Beginn; selbst das Finale, als die Titelheldin dem Tode geweiht zu sein scheint, ist nicht sonderlich spannend. „Alte Sünden“ ist die erste Arbeit der Regisseurin für die Reihe; zuvor hat sie unter anderem diverse Episoden für die Serie „Bettys Diagnose“ und einige Folgen für die Filmreihe „Marie fängt Feuer“ (beide ZDF) gedreht. Gelungen ist immerhin die Führung des Ensembles. Gerade in den kleinen Rollen nutzen einige Mitwirkende die Gelegenheit, um Akzente zu setzen, etwa Daniela Lebang als Taxifahrerin mit eindrucksvollem Verhandlungsgeschick oder Amrei Haardt und Rona Özkan als „Nachtschwalben“, wie der blasierte Kellner des Nobelrestaurants die beiden Dinner-Gäste von Loose despektierlich nennt.
Es ist kein Zufall, dass diese Nebensächlichkeiten stärker ins Gewicht fallen: Im Rahmen der Reihe ist „Alte Sünden“ eine der spannungsärmsten Folgen. Daran können auch zwei kleine Exkurse nichts ändern. Der erste Abstecher führt in die digitale Welt: Mit Hilfe von Looses Smartwatch kann Kilali exakt nachvollziehen, wo sich der Manager am Abend seines Todes aufgehalten hat und wann er ermordet worden ist. Der zweite ist literarischer Natur. Fuchs hat ihr halbes Leben mit der Suche nach ihrem Sohn verbracht und fühlt sich nun wie die Hauptfigur des Hemingway-Klassikers „Der alte Mann und das Meer“: Am Ende steht sie mit leeren Händen da. Wer in Filmen und Serien gern nach Anschlussfehlern Ausschau hält, wird kurz vor Schluss fündig, als der Kommissar innerhalb einer Sekunde gleich zweimal seine Lesebrille absetzt. (Text-Stand: 11.1.2023)