Der Urbino-Krimi – Die Tote im Palazzo

Nigro, Wackernagel, Jaenicke, Uwe Jansen. Auf Bella Italia getrimmte Genre-Mixtur

Foto: Degeto / Gordon Mühle
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Auftakt macht durchaus Lust auf mehr: „Die Tote im Palazzo“, der erste „Urbino-Krimi“, erzählt eine reizvoll mysteriös wirkende Geschichte, ist mit Katharina Wackernagel, Hannes Jaenicke und vor allem dem Schweizer Leonardo Nigro als eigentliche Hauptfigur interessant besetzt und erfreut durch eine stellenweise kunstvolle, insgesamt um eine originelle Optik bemühte Bildsprache. Amüsant ist auch das Spiel mit allen möglichen Italien-Klischees.

Mysteriöse Mordfälle, eine schöne Frau zwischen zwei Männern, wunderliche Nebenfiguren und dazu ein pittoresker Handlungsort: Die Romane von Uli T. Swidler über den „Poliziotto“ von Urbino bringen alles mit, was die ARD Degeto in ihren Donnerstagskrimis aus Südtirol, Griechenland oder Israel bieten möchte. „Die Tote im Palazzo“, der Auftakt zur neuen Reihe, wirkt jedoch, als sei Regisseur Uwe Janson und seinem zuletzt bevorzugten Kameramann Marcus Stotz viel daran gelegen, bei aller inhaltlichen Passgenauigkeit wenigstens optisch aus dem Rahmen zu fallen. Die beiden haben unter anderem mit „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ das kunstvollste der bisherigen ARD-Märchen geschaffen. Auch ihr erster „Urbino-Krimi“ beeindruckt durch eine Bildgestaltung, der anzusehen ist, wie viel Sorgfalt unter anderem auf die Lichtsetzung verwendet wurde. Viele Einstellungen sind leicht verfremdet, immer wieder kurz eingestreute Rückblendenbilder lassen den Film temporeicher wirken, als er ist. Dass die Sonnenuntergänge über der malerischen mittelitalienischen Stadt andererseits besonders kitschig aussehen, wirkt fast wie ein ironisches Augenzwinkern.

Der Urbino-Krimi – Die Tote im PalazzoFoto: Degeto / Gordon Mühle
Gruber (Hannes Jaenicke) und Rossi werden keine Freunde mehr. Gute Optik, Money – und ein Hauch Mystery ist auch dabei.

Nicht minder sehenswert ist Leonardo Nigro als Roberto Rossi, Titelheld der Romane. Der hierzulande regelmäßig im Fernsehen präsente, aber trotzdem kaum bekannte Schweizer ist ein interessanter Typ und als gebürtiger Italiener ohnehin eine glaubwürdigere Besetzung als manche seiner Mitstreiter. Katharina Wackernagel beispielsweise spielt, als habe sie sich zur Vorbereitung auf ihre Rolle als italienische Landadelige mit spürbarem Temperament alte Filme mit Gina Lollobrigida oder Claudia Cardinale angesehen; ihre gestenreiche Verkörperung der ewigen Medizinstudentin Malpomena del Vecchio ist gerade angesichts ihres sonst eher nüchternen Spiels zumindest ungewohnt. Dritter im Bunde ist Hannes Jaenicke: Der deutsche Kriminalhauptkommissar Gruber musste nach einer schweren Schussverletzung seinen Dienst quittieren und will jetzt in Italien das Dolce Vita genießen, mischt sich aber gern ein, wenn es gilt, einen Mordfall zu klären. Dass Rossis Sandkasten-Freundin Malpomena von dem selbstbewussten Charme des Deutschen unübersehbar angetan ist, gefällt dem einheimischen Polizisten allerdings gar nicht, zumal er Gruber ohnehin nicht mag.

Das Personal birgt also genug Potenzial für emotionale Konflikte ebenso wie für eine kernige Männerfreundschaft, aber auch die Geschichte hat ihren Reiz, zumal Janson sie mit moderaten Thriller-Elementen versieht: Im Gewölbe unter dem städtischen Palazzo mit seiner weltberühmten Renaissance-Sammlung entdeckt Rossi eine rituell aufgebahrte Leiche. Die junge Frau ist erst vergewaltigt und dann offenbar vergiftet worden. Weil sämtliche Kommissare an einem Virus erkrankt sind, muss Verkehrspolizist Rossi, unterstützt von der angehenden Rechtsmedizinerin Malpomena, die Ermittlungen übernehmen.

Der Urbino-Krimi – Die Tote im PalazzoFoto: Degeto / Gordon Mühle
Malpomena del Vecchio (Katharina Wackernagel) lässt sich gern chauffieren, nicht ohne sich gelegentlich zu echauffieren, weil die Vespa von Rossi (Leonardo Nigro) unter ihrer Würde sei.

Das Autorentrio Swidler, Janson und Andreas Knaup sorgt ohnehin dafür, dass sich die Zutaten die Waage halten. Die Geschichte hätte das Zeug zum Thriller, und Janson inszeniert den Film gerade dank der Bildgestaltung auch immer wieder entsprechend. Dank des Personals ist „Die Tote im Palazzo“ aber auch Komödie. Der leicht xenophobe Rossi zum Beispiel überzieht Gruber zunächst mit Strafzetteln, bevor er schockiert feststellen muss, dass der Deutsche kein Tourist, sondern ein Kollege und zu allem Überfluss sein neuer Nachbar ist. Tatsächlich eine Witzfigur ist Rossis Chef, den Tonio Arango in der für ihn typischen leicht überzogenen Art verkörpert: Die Stärken des leicht geckenhaften Nevio Cottelli, der seine Besucher auf einem Stuhl von Kindergartengröße platziert und eine leidenschaftliche Liaison mit seiner Assistentin (Patrizia Carlucci) hat, liegen eindeutig nicht in der Kriminalistik. Zur heiteren Seite gehört natürlich auch die ungeklärte Beziehung zwischen Roberto und Malpomena, die sich gern darüber echauffiert, dass der Polizist sie nur mit seiner für eine Baronesse selbstredend unangemessenen Vespa durch Urbino kutschiert. Auch sonst sorgen Intermezzi immer wieder für heitere Momente; so steckt Rossi zum Beispiel sein Haupt gern in ein öffentliches Goldfischbecken, um einen klaren Kopf zu kriegen.

Gelegentliche Zwischenschnitte auf die örtlichen Sehenswürdigkeiten wirken zwar etwas unmotiviert und sehen so aus, als sei Janson eingefallen, dass er noch ein bisschen Augenfutter einstreuen muss, aber dafür sind einige Kamerafahrten über die Dächer der Stadt umso schwungvoller; die reizvolle Bildgestaltung verleiht Urbino ohnehin eine ganz spezielle Atmosphäre. Unterm Strich also ein gelungener Start, der Lust auf mehr macht, zumal die Geschichte voller Überraschungen steckt; dazu gehört auch, dass ein Teil der Auflösung gleich zu Beginn verraten wird. Die regelmäßig eingestreuten Italianismen („Buon Giorno“) sind allerdings ähnlich überflüssig wie in den Donna-Leon-Verfilmungen aus Venedig.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto

Mit Leonardo Nigro, Katharina Wackernagel, Hannes Jaenicke, Tonio Arango, Axel Neumann, Daniel Steiner, Patrizia Carlucci

Kamera: Marcus Stotz

Szenenbild: Ettore Guerrieri

Kostüm: Petra Neumeister

Schnitt: Melania Singer

Musik: Marcel Barsotti

Soundtrack: Johnny Dorelli („L’immensità”), Magic! (“Rude”), Lucio Dalla (“Amore Disperato”)

Produktionsfirma: Letterbox Filmproduktion

Drehbuch: Uli T. Swidler, Uwe Janson, Andreas Knaup

Regie: Uwe Janson

Quote: 4,20 Mio. Zuschauer (13,3% MA)

EA: 17.03.2016 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach