Das filmische Potenzial des Buches war offenkundig, der Welterfolg ein weiteres Argument für eine Verfilmung; und doch sind bereits fast zwei Jahrzehnte vergangen, seit Frank Schätzing mit seinem Öko-Thriller „Der Schwarm“ die Bestsellerlisten erobert hat. Mal sollte „Alien“-Regisseur Ridley Scott aus dem Stoff einen Blockbuster machen, dann lagen die Rechte bei der Schauspielerin Uma Thurman; und nun ist eine Serie draus geworden. Nur eine Serie? Ja und nein: Ja, weil sich das vierköpfige Drehbuchteam viel Zeit lässt, um zur Sache zu kommen; nein, weil eine achtteilige TV-Produktion der enormen Komplexität des über tausend Seiten umfassenden Werks ganz anders gerecht werden kann als ein zweistündiger Kinofilm. Die optische Qualität muss den Vergleich mit einem aufwändigen Hollywood-Film ohnehin nicht scheuen, selbst wenn das Budget natürlich keine dreistellige Millionensumme umfasst. Mit offiziell gut 40 Millionen Euro (inoffiziell sollen es noch ein paar Millionen mehr sein) ist „Der Schwarm“ dennoch die kostspieligste deutsche TV-Produktion aller Zeiten.
Foto: ZDF / Schwarm TV Production
Die Kritik ist auf Grundlage der ersten 6 Folgen entstanden. Die Folgen 7 + 8 hat das ZDF den Journalisten vorab nicht zur Sichtung zu Vefügung gestellt.
Wer denkt, nach den Durchhängern im viel zu langen Mittelteil der Serie mit zwei packenden Schlussfolgen versöhnt zu werden, wird ein weiteres Mal von diesem achtteiligen TV-Ungetüm enttäuscht. Diese Serie macht dramaturgisch so ziemlich alles falsch, was sich falsch machen lässt bei einer Verfilmung eines Romans, dessen Inhalt sehr vielen Zuschauern bekannt ist. Reden, Theorien austauschen, (gebannt) auf Monitore starren, auf denen wenig für den Zuschauer Erkennbares zu sehen ist, das ist alles andere als sexy und steigert beim Zuschauen die (fragwürdige) Sehnsucht nach Effekt-Szenen. Fazit: ein Projekt, das allein aus kommerziellen Überlegungen so aussieht, wie es aussieht (8 statt 6 Folgen), ein Kosten-Monster, das auch schmerzt, weil es viele andere, öffentlich-rechtlich relevantere Projekte verhindert. Einziger Lichtblick: Leonie Benesch. tit.
Das ZDF schultert im Rahmen einer sogenannten European Alliance, zu der neben France Télévisions unter anderem auch die italienische Rai und der ORF gehören, ein Drittel des Budgets, und natürlich hoffen die Mainzer, einen Teil durch Verkäufe auf dem weiteren Weltmarkt wieder reinzuholen. Die Chancen dürften nicht schlecht stehen, schließlich hat bereits der Erfolg des Romans gezeigt, wie gut das Untergangsszenario mit seiner Mischung aus Science-Fiction und Drama funktioniert. Mittlerweile ist das Thema des Buches durch die unübersehbaren Folgen des Klimawandels sogar noch aktueller geworden. Allenfalls bedauerlich aus hiesiger Sicht ist die Tatsache, dass die Serie mit unübersehbarem Blick auf eine internationale Verwertung produziert worden ist und sehr „mainstreamig“ anmutet.
Foto: ZDF / Schwarm TV Production
Der Kern der Handlung hat jedoch auch zwanzig Jahre nach dem Erscheinen des Buches nichts von seiner Faszination eingebüßt. Auf der ganzen Welt häufen sich rätselhafte Phänomene, die allesamt im Zusammenhang mit den Ozeanen stehen: Vor der Küste Kanadas bringen Buckelwale Schiffe zum Kentern, eine rasant wachsende neuartige Muschelart blockiert die Steuerruder großer Frachter, in Frankreich sterben Menschen, weil tödliche Bakterien aus Meeresgetier das Trinkwasser verseuchen, in Südafrika fallen Myriaden von Krabben über die Dörfer her, im Atlantik vor Skandinavien verursachen Eiswürmer am Kontinentalhang einen vernichtenden Tsunami. Als sich schließlich herausstellt, dass all’ diese Ereignisse miteinander zusammenhängen, kann es nur zwei Schlussfolgerungen geben: Entweder erlebt die Menschheit den Zorn Gottes, oder sie hat es mit einer uralten intelligenten Lebensform zu tun, die sie aus den Meeren vertreiben will.
Frank Schätzing zeigte sich in einem Interview wenig begeistert, weil die Serie unter ihren Möglichkeiten geblieben sei. Der Autor war anfangs in die Entwicklung der Drehbücher involviert, hat sich aber nach Differenzen mit dem amerikanischen Producer Frank Doelger aus dem Projekt zurückgezogen. An den acht Folgen überzeugt ihn nur das Handwerk (Look, Musik, Sounddesign, Special Effects), der Rest sei „rühr- und redseliges Beziehungskisten-TV. Es pilchert mehr, als es schwärmt.“ Die Drehbücher orientierten sich zu sehr an der konventionellen TV-Dramaturgie, die Umsetzung lasse „cineastischen Wagemut“ ebenso vermissen wie eine Anpassung an aktuelle soziale und geopolitische Entwicklungen. Die Geschichte löse sich zudem nicht weit genug vom Buch, was für eine gute Verfilmung jedoch nötig sei: „Selbst die Figuren wirken seltsam entmodernisiert.“
Foto: ZDF / Schwarm TV Production
Es ist nachvollziehbar, dass die Verantwortlichen die in der Tat spektakulären Bilder nicht gleich zu Beginn verprassen wollten, aber es dauert doch recht lange, bis die Serie endlich zur Sache kommt. Zwar gibt es einige Szenen, in denen vor allem die Musik (Dascha Dauenhauer) für Spannung sorgt, und die Unterwasserbilder sind von eindrucksvoller Qualität, doch gerade die privaten Momente einiger Figuren, denen es an psychologischer Tiefe fehlt, wirken zunächst wie ein Spiel auf Zeit. Zwischen den wenigen imposanten Momenten sackt die Spannung daher erst mal ab (Regie: Luke Watson, Barbara Eder, Philip Stölzl), zumal die Auftaktfolgen recht episodisch konzipiert sind. Das ändert sich, als klar wird, welche der vielen Mitwirkenden tatsächlich eine Hauptrolle spielen und schließlich zu jener Gruppe gehören, die in die Arktis aufbricht, um mit der „Yrr“ genannten fremden Macht in Kontakt zu treten. Angesichts der erheblichen Menge an entsprechend kostspieligen visuellen Effekten war mutmaßlich kein Geld mehr da, um internationale Topstars zu verpflichten, was sich jedoch nicht als Nachteil entpuppt, zumal von deutschsprachiger Seite Barbara Sukowa (als strenge Professorin für Meeresgeologie), Franziska Weisz (als Ärztin) und Oliver Masucci (als Kapitän des Forschungsschiffs) in wichtigen Rollen mitwirken.
Zum sehenswerten Kern des Ensembles gehören außerdem der Schwede Alexander Karim als Meeresbiologe, der den Yrr ihren Namen gibt, sowie Cécile de France als Molekularbiologin. Sehr interessant ist schließlich die Besetzung der jungen Hauptfiguren, allen voran Leonie Benesch als Doktorandin, die als eine der ersten die Zusammenhänge erahnt, von ihrer Professorin jedoch ausgebremst wird, sowie Joshua Odjick als indigener kanadischer Walforscher. Gerade weil das Ensemble international zusammengestellt ist und sich die Ereignisse auf der ganzen Welt zutragen, empfiehlt sich die vielsprachige Originalversion mit Untertiteln, die das ZDF ab dem 22. Februar nach und nach in seiner Mediathek anbietet; in der TV-Version (6. bis 9. März, jeweils ab 20.15 Uhr) sprechen wie üblich alle deutsch. In früheren Medienberichten hieß es, die Produktionsgemeinschaft plane mehrere Staffeln; diese Information kann oder will das ZDF allerdings nicht bestätigen. (Text-Stand: 19.2.2023)