Ein einsames Haus am Meer. Eine Frau und ihr psychotischer Sohn, verbunden durch eine unnatürliche Symbiose. Ein Eindringling, der die trügerische Ruhe stört und in dem der Sohn den Mörder seines Vaters wiederzuerkennen glaubt. „Der Mörder seines Vaters“ beginnt wie ein klassischer Thriller. Es werden Zweifel geschürt, die dann aber immer wieder zurückgenommen werden. Wer hat hier die Klatsche? Der Zuschauer muss bis zum Ende warten, das – so viel sei verraten – doppelbödig ist und das den ZDF-Fernsehfilm von Urs Egger quasi von hinten her veredelt. Denn trotz der ebenso exquisiten wie stimmigen Besetzung mit Barbara Auer, Herbert Knaup und den Youngstern Anna Brüggemann Marco Bretscher-Coschignano hat der kühle Psychothriller Längen und die Dramaturgie deutliche Lücken.
Gleich zu Beginn wird kräftig mit Genre-Klischees jongliert, doch man hat das Gefühl, alles schon besser gesehen zu haben. Dort, wo die Bilder auf das Drama hinter dem Thrill verweisen, sind die nicht unbedingt ausgefeilten Dialoge deutliche Signale in die andere Richtung: „Du hast doch keine Angst mehr davor, dass der Mörder zurückkommt oder?“ Der Satz bekommt in der Rückschau eine andere Nuance, an Ort und Stelle aber steht er für die dramaturgische Holzhammermethode. Herbert Knaup gibt den Architekten, der unter Verdacht gerät und der angeblich auf Baulandsuche für Hotels ist. Dass er an den Tatort des Verbrechens, das den Sohn schwer traumatisierte, zurück gekehrt ist, um den Zeugen von damals umzubringen, will man als Zuschauer eigentlich nicht glauben. Doch der Mann aus der Stadt benimmt sich seltsam, sagt nie die ganze Wahrheit und Knaups Spiel der Augenbrauen, das ihn schon öfters zum glaubhaften Psychopathendarsteller machte, lässt einiges erahnen.
Auch für Barbara Auer ist die sich vier Jahre aufopferungsvoll um ihren Sohn kümmernde Clara eine ideale Rolle – wären da nicht diese Dialoge und die Schwächen in der Handlungsführung. „Diese sperrige Person, die einfach auf ihrer Scholle, wie auf einer Insel, mit ihrem Kind lebt“, das hat auch ihr, die man lange nicht in einer Hauptrolle gesehen hat, gefallen. Psychisch gehandicapte Charaktere waren ihr schon immer am liebsten. „Alles, was Angst macht, versucht man als Schauspieler ja gerne bei sich selbst auszuloten.“ Diese Atmosphäre des jederzeit seelisch Brüchigen vermittelt „Der Mörder meines Vaters“ sehr präzise. Das liegt nicht zuletzt an der fünften Hauptfigur des Films: dem Haus am Meer. Ein ehemaliges Kinderheim auf Rügen wurde liebevoll ausgestattet als ein Glaskäfig, ein Haus, das keinen Schutz bietet. „Ein weiteres atmosphärisches Element war der Wind“, so Regisseur Urs Egger, „der unablässig bläst und an der Behausung rüttelt.“ Der war zum Leidwesen der Schauspieler echt und ließ sich in den Drehpausen eines extrem frostigen Junis auf Rügen nicht abstellen. (Text-Stand: 14.11.2005)