Ein schwedischer Weiler wird zum Schauplatz eines Massakers. 19 Menschen starben durch die Klinge eines Mannes. Die Polizei ist fassungslos, ratlos und ringt mit den spärlichen Spuren. „Diese ungeheure Wucht der Schläge“ – was lässt sich daraus schließen? „Wut? Rache? Hass? Ich weiß es nicht“, sagt die Kommissarin. Es muss die Tat eines Wahnsinnigen sein, sind sich die Ermittelnden einig. Zunächst glaubt das auch die Richterin, die in das Nest nach Mittelschweden gekommen ist, da auch ihre Eltern zu den Opfern gehören. Sie hatten kein gutes Verhältnis – umso mehr möchte sich jene Brigitta Roslin bei den Ermittlungen einbringen. Doch die leitende Kommissarin Vivi Sundberg zeigt ihr die kalte Schulter. Als Roslin den Eindruck bekommt, dass die Polizei wichtige Spuren vernachlässigt, macht sie sich selbst vor Ort ein Bild. Ein weiteres Massaker in den USA zeigt ihr, dass sie den richtigen Riecher hatte. Doch dann hat sie vor allem eines: Angst. Der Killer nimmt ihre Fährte auf.
Dieser Film ist nichts für Zartbesaitete: „Der Chinese“ nach Henning Mankell ist ein 175-minütiges Spiel mit dem Schrecken. Die Brutalität der Tat wird zwar nur angedeutet, dennoch und vielleicht gerade deshalb wird sie in ihrer ganzen (physischen) Grausamkeit spürbar. Der skandinavisch gedehnte Erzählstil steigert den Horror der Ausgangssituation sogar noch. Ein starker Einstieg bereitet den Zuschauer allerdings schon in den ersten Minuten darauf vor, dass ihn ein unglaubliches Verbrechen erwartet. Dem kryptischen Intro-Text folgt eine verfremdete Mini-Sequenz: ein Schwert jagt kunstvoll durchs Bild, überraschte Menschen, Todesangst im Blick, Schnitt – und wusch. Dann der Weiler, der wie im Todesschlaf daliegt. Einen Fotografen scheint dieser Ort anzuziehen. Doch in größter Panik tritt der Mann pötzlich den Rückzug an und wird dabei von einem Riesen-Truck erfasst. Eine Polizistin sucht nach Zeugen für den Unfall und schaut sich in dem Weiler um…
Regisseur Peter Keglevic … über den Drehort Niederösterreich:
„Film ist immer Betrug und Lüge und Täuschung – da sind nachgebaute Drehorte in fremden Landschaften die leichteste Übung – wenn auch nicht immer die billigste. Alles, was gut gemacht ist, ist suggestiv und deswegen richtig. Auch ein schwedisches Dorf in Niederösterreich.“… über den Dreh der China-Motive in Taiwan:
„Die asiatische Freundlichkeit und Höflichkeit kann manchmal ein Hindernis sein, denn es gibt praktisch kein ausgesprochenes NEIN. ‚Können wir in der Villa drehen?’ ‚Ja.’ Konnten wir nicht, aber das stellte sich erst über viele Umwege heraus. Andererseits: Was für eine Wohltat, freundliche Menschen um sich zu haben, die versuchen, dem Gast jeden Wunsch von den Augen abzulesen.“
Eine starke Exposition. Eine Art filmischer Sekundenstil, der sich Zeit nimmt für das „Wesentliche“, prägt den gesamten Film von Peter Keglevic nach dem Drehbuch von Fred und Léonie-Claire Breinersdorfer. Und zu diesem Wesentlichen gehört auch die berserkerhafte Tat. Sie wird in „Der Chinese“ weniger im Sinne einer realistischen Tatort-Bestimmung von Spurensicherung und Gerichtsmedizin analysiert – als vielmehr zu einer „legendären“ Tat mythologisiert. Die Phänomenologie des Augenscheins dominiert in diesem Krimi auch über die Psychologie des Alltags, wie sie in den deutschen Fernsehkrimireihen üblich ist. Der universale Zugriff der Erzählung verleiht dem Film einen „anderen“ Rhythmus, aber auch einen anderen, einen langen Atem. Entscheidend ist der Zeitfaktor. Dieser spielt auch in der konkreten Story von der späten Rache, deren Auslöser bis in die Jahre des amerikanischen Eisenbahnbaus zurückreicht, eine entscheidende Rolle. Es ist ein Wagnis für einen Film und ein großes Wagnis für einen Fernsehkrimi, das Mordmotiv 150 Jahre zurück zu datieren. Und es ist nicht das einzige Wagnis: in Schweden (zum Teil gedreht in Niederösterreich) zu beginnen, in die Jahre des so genannten amerikanischen Pioniergeists in Rückblenden immer wieder einzutauchen und dann mit einer 75-minutigen „Lost-in-China“-Episode (gedreht in Taiwan) zu enden – da ist es nicht immer leicht, eine durchgängige Tonart zu finden.
Die „Unerhörtheit“ der Tat, die absolute Fixierung auf die von Suzanne von Borsody einnehmend und stimmig gespielte Hauptfigur, die zunehmend in Gefahr gerät, sind die Triebkräfte dieses Films, der den Sprung vom skandinavischen Düster-Look-Krimi zum asiatischen Hochglanz-Thriller souverän meistert. „Der Chinese“ ist ein Film, der als atmosphärisches Spannungs-TV-Movie große Stärken besitzt. Wer will, kann sich auch auf die zivilisationskritischen Exkurse seinen Reim machen. „Diese faule Chinesenpack“, die Vereinigten Staaten, „dieser menschenfressende Moloch“ erinnert sich ein rassistischer Vorfahre von Brigitta Roslin, geborene Andrèn. Und dann sehen wir den korrupten chinesischen Banker, einen mächtigen Herren, mit dem heißen Draht nach ganz oben bei seinen schmutzigen Geschäften. Wer mehr wissen will über die chinesisch-europäischen Beziehungen Mitte des 19. Jahrhunderts – der muss bei Mankell nachschlagen.