Vera Kemp liebt die schönen Dinge, die Mittdreißigerin kann es sich leisten. Sie ist eine wohlhabende Firmenerbin, die das Geschäftliche ihrem Ehemann Manfred überlässt, während sie sich als Kunsthistorikerin und Herausgeberin kostbarer Kunstbücher selbst verwirklicht. Sie interessiert sich mehr für die „Familie“ in der Malerei als für ihre eigene. Dennoch ist sie geschockt, als eine junge Frau behauptet, ein Verhältnis mit ihrem Mann zu haben. Sie ist nicht in der Lage, ihn zur Rede zu stellen. Stattdessen planen beide eine Reise. Manfred drängt seine Vera gleichzeitig zu einer wichtigen Unterschrift, die die Umwandlung des Kemp-Werkes in eine Aktiengesellschaft verhindern soll. Vera hat keinen blassen Schimmer, was das bedeutet, sie weiß nur: Sie möchte noch ein zweites Kind. Noch bevor das Geschäftliche geregelt ist, kommen ihr Mann und ihr Sohn bei einem Unfall ums Leben. Vera bricht zusammen – und sie muss erkennen, dass nichts von dem, was ihr bisher Halt gegeben hat, mehr gewesen ist als ein schöner Schein. Ganz plötzlich wird es Nacht in Veras Leben.
Martina Gedeck über das Graf-Spezifische:
„Bei Dominik Graf zählt nicht nur, was er erzählt, sondern die Bilder, das Wie ist entscheidend. Es gibt viele Sequenzen in ‚Deine besten Jahre’, bei denen man sich fragen muss, wieso passiert dieses, wieso passiert jenes? Für Graf ist jeder Film ein Mysterium. Er spielt gern mit Dingen, die man nicht logisch erklären kann.“
„Deine besten Jahre“ erzählt die Geschichte einer Frau, die ihr unreifes Leben unter der Glasglocke aufgeben muss. Sie muss kämpfen. Aber anders als die zahllosen TV-Heldinnen, die erfolgreich ihren Weg gehen, muss sie sich nicht nur aus der von ihr selbst verschuldeten Unmündigkeit befreien, sondern muss auch einen Ausweg finden aus der menschlichen Kälte, von der sie seit Jahren umgeben wird. Aus dem seelischen Zusammenbruch ergibt sich eine schmerzhafte Neugeburt. Dominik Graf und seine Autoren, Markus Busch/Bernd Schwamm, haben sich mit diesem ZDF-Fernsehfilm konsequent dem Melodram verschrieben. Die Handlung häuft reichlich Schicksalhaftes an und schreckt auch vor Kolportage nicht zurück. Die Art und Weise aber, wie Graf die Story ästhetisch in ungeahnte Wahrnehmungs-Sphären überhöht, wie er die subjektive Welt der vom Leben entfremdeten Heldin mit bewegter Kamera und oft nicht minder entfesselter Montage spiegelt und dem Zuschauer optisch vermittelt – das ist radikales, unkonventionelles, hoch sinnliches Fernsehen.
Foto: ZDF / Gloria Burkert
Aber auch die Farbdramaturgie und vor allem die Ausstattung, dieser schön hässliche, gläserne Bungalow, der wie der Garten zunehmend zu einer Alptraumkulisse wird, zu einem bedrohlichen Käfig, vermitteln viel von der Grundstimmung des Films. Doch was wären die Chiffren, was wären Benedict Neuenfels’ hypnotische Bilder, was wäre die auf Erklärungen verzichtende, sinnliche Psychologie ohne das Gesicht von Martina Gedeck. Sie trägt die Fragezeichen der Geschichte weiter, sie unterstützt „diesen Stil der magischen Bilder und dunklen Andeutungen“, den die Schauspielerin an Dominik Graf so sehr schätzt, und sie dämpft in ihrer Darstellung vor allem das Melodramatische, das ja oft einen Hang zum Lächerlichen besitzt. „Deine besten Jahre“ ist ein Film, der polarisieren dürfte. Einige Graf-Anhänger werden mit dem Genre Probleme haben, so wie umgekehrt Fernseh-Melodram-Fans Probleme mit Dominik Grafs elaborierter Filmsprache haben werden.