Am zweiten Dezember 1967 gelingt dem südafrikanischen Chirurgen Christiaan Barnard die erste Herztransplantation am Menschen. Die medizinische Sensation beendet einen Wettlauf zwischen Chirurgen in aller Welt. Die tickende Uhr zwischen den Kontrahenten gibt in „Das Wunder von Kapstadt“ den Takt vor. Die Hauptrollen aber gehen nicht an die männliche Ärzteschaft allein. Um eine emotional aufwühlende Geschichte zu erzählen, übernehmen eine junge Frau, die kein Unrecht hinnehmen will, und ein stiller Südafrikaner, der sich seinem Schicksal fügt. An der Seite dieser beiden, die ihre Träume nicht leben können, beackert „Das Wunder von Kapstadt“ die Kämpfe einer verleugneten Tochter, die ungleichen Chancen zwischen Mann und Frau, die Hybris von Medizinern, die Apartheid in Südafrika und die Folgen des Schweigens über Ungerechtigkeit. Mit diesem schweren Gepäck beginnt eine zweite Uhr zu ticken. Sie sorgt für Tempo, leider aber auch für Dialoge, die, statt lebendig zu sein, nur ihre Botschaft transportieren. Besonders zu Beginn. Zum Glück führt der Weg der angehenden Chirurgin Dr. Lisa Scheel jedoch ziemlich flott von Mamas Küchentisch in das Groote Schuur Hospital nach Kapstadt. Anders als sie sich erhofft, wird die junge Frau dort die erste Herztransplantation am Menschen bezeugen.
Adrett gekleidet, die Haare aus dem Gesicht, höchstens am Abend etwas auffälliger onduliert: Als Dr. Lisa Scheel schlüpft Sonja Gerhardt in eine Rolle, die unweigerlich an die gereifte Monika Schöllack aus der Kudamm-Trilogie erinnert. Sie läuft energisch über Flure, öffnet Türen ungefragt und stellt verdutzte Männer zur Rede. „Das Wunder von Kapstadt“ bedient das sattsam bekannte Frauenbild über die Kämpferinnen der Nachkriegszeit. Zum Glück weitet sich die Stützstrümpfen-Optik schon ab Minute siebzehn. Nach ihrem unfairen Ausscheiden im Wettbewerb um eine Assistenzarztstelle bei Dr. Kohlfeld (Fritz Karl) reist Lisa Scheel nach Kapstadt. Kohlfelds gut gehütete Unterlagen zur Gefäßchirurgie hat sie im Kopf. Sie hofft auf eine zweite Chance im Team von Dr. Barnard. In einem anderen Licht und mit zarten Schweißperlen auf der Stirn befreit sich Scheel am Kap vom Berliner Muff. Immer häufiger fängt die Kamera Sonja Gerhardt jetzt in warmen Farben, leichten Stoffen und weichen Bewegungen ein. Danke für die zarte Variante, in der Gerhardt überzeugt. Auch ihr neuer Sparringpartner Barnard ist variantenreicher gezeichnet als der ignorant in Berlin herrschende Kohlfeld. Alexander Scheer verkörpert die dem wirklichen Barnard nachgesagte Mischung aus Lebemann, Genießer und gewissenhaftem Mediziner ab dem ersten Auftritt überzeugend. Überrascht, aber neugierig dreht er sich nach der Dame um, die ohne Anklopfen sein Büro betritt. Zuvor war er bei der Arbeit und hielt eine Röntgenaufnahme gegen das Licht. Ein vielsagendes Gegenbild zu Kohlfeld, der in seinem ersten Auftritt in Rückenansicht vor einem Fernsehgerät sitzt, die Hand erhebend um Ruhe bittet und sich selbst in einem Fernsehauftritt bewundert.
Wo Regisseurin Franziska Buch („Käthe Kruse“) die Bilder sprechen lässt, ist das Zusehen ein Vergnügen. Licht und Musik setzt „Das Wunder von Kapstadt“ behutsam ein. Nie aufdringlich, unterstreichen Klavier oder Streicher die Szenerie. Afrikanische Rhythmen und Instrumente begleiten Straßenszenen, Strandausflüge und Lisa Scheels ungebetene Besuche bei Hamilton Naki im Township. Mit der Figur des Naki (Loysio MacDonald) nimmt der im Apartheidregime herrschende Rassismus Gestalt an. Der farbige Mann arbeitet offiziell als Gärtner auf dem Klinikgelände. Mit medizinischem Sachverstand und ruhigen Händen gesegnet, operiert der Autodidakt im Geheimen aber auch in der Tierklinik und assistiert Barnard bei schwierigen Operationen. Die Existenz dieses, von Barnard hochgeschätzten Helfers ist historisch belegt. Im Verlauf des Films charakterisiert der mehrfach ausgezeichnete Drehbuchautor Christoph Silber („Nordwand“, „Ich bin dann mal weg“) Naki als nüchternes Gegenüber der temperamentvollen Dr. Scheel. Anders als sie, der Barnard irgendwann ein unheilbares Helfersyndrom attestiert, ist sich Naki der Grenzen im Unrechtssystem bewusst. Wenn Naki bei der alles entscheidenden Herztransplantation für Barnard unsichtbar hinter einer verspiegelten Glaswand sitzt, suggerieren Kamera und Überblendung dennoch einen Blickkkontakt zwischen den beiden. In diesem Moment findet „Das Wunder von Kapstadt“ die filmische Entsprechung für die innewohnende Tragik dieser verbotenen Männerfreundschaft.
Kurz vor der entscheidenden Operation zieht das Tempo des Films an. Vor unserem Auge rotieren Schlagzeilen, in denen die Presse das Wettrennen zwischen Berlin und Kapstadt anheizt. Barnards Team schlägt sich auf der Suche nach dem richtigen Match aus Spender und Empfänger die Nächte um die Ohren. Bunte Stecknadelköpfe auf einer Landkarte protokollieren die vergebliche Suche. Als es dann so weit ist, enden die schnellen Schnitte abrupt. Die fünfstündige Operation am offenen Herzen gleicht einer ruhig-konzentrierten Abfolge von eingeübten Handgriffen, mit der Barnard und seine Kollegin McCarthy (solides TV-Debüt: Clara Wolfram) in zwei OP-Sälen zu Werke gehen. Schwenks zur tickenden Uhr, die Verzweiflung der Wartenden (Arnd Klawitter als Klinikchef, Marlen Ulonska als Frau des Organempfängers) und die Reaktionen der heimlichen Beobachter sorgen für bewegende Momente. Gelernte Chirurgen finden am Herzstück dieses Films sicher noch grobe Fehler, so wie echte Polizeibeamte in nahezu jedem „Tatort“ fündig werden. Alle anderen wird der Höhepunkt des Films in Bann ziehen. (Text-Stand: 2.12.2022)