Ein verwildertes, etwa achtjähriges Mädchen gibt den thailändischen Behörden Rätsel auf. Sie wurde in einer Stadt am Rande des Regenwaldes aufgegriffen. Der Polizeipräfekt bittet die renommierte deutsche Kinderpsychologin Dr. Julia Wagner, die in einer internationalen Privatklinik in Bangkok arbeitet, um Hilfe. Rührend nimmt sie sich des Kindes an. Die Kleine ist scheu, ängstlich und sie spricht kein Wort. Sie scheint schwer traumatisiert zu sein. Sie wurde misshandelt, vielleicht im Regenwald ausgesetzt. Julia Wagner schließt nicht aus, dass die Eltern die Übeltäter sind. Die Psychotherapeutin gewinnt das Vertrauen des Mädchens, das Alice genannt werden möchte. Wie ein Kleinkind lernt es sprechen. Seelische Unterstützung findet die Deutsche bei einem Landsmann, Dr. Max Carrasin, der nicht nur beeindruckt ist von Dr. Wagners fachlichen Qualitäten. Als sich alles zum Guten zu wenden scheint, kommt der Vater des Mädchens ins Spiel: Ist dieser zu Unrecht der Entführung seiner Frau und seines Kindes beschuldigt worden? Jetzt will er die Tochter heimholen. Doch sie hat Angst vor ihm.
Es darf geplänkelt werden
Wagner: „Für mich gibt es nur eine Art zu lieben.“ — Carrasin: „Welche denn?“
— Wagner: „Voll und ganz.“ — Carrasin: „Da leben Sie aber gefährlich.“
Wagner: „Und das sagt ein Bergsteiger.“
Achtung, Wolf Gremm hat einen neuen Film für die Degeto gemacht! Für die Branche Zeit zum Fremdschämen. Aber auch der noch so unbedarfte Zuschauer dürfte sich bei diesem Film nur wundern. „Verstehen Sie, warum das Kind aus dem Regenwald in die Stadt geflüchtet ist? … Und wieso nur hat sie sich so heftig gewehrt?“, fragt der Polizeipräfekt in der ersten Szene seine Mitarbeiterin. „Weil sie Angst vor Menschen hat. Ich hab sie ganz oben auf dem Baum entdeckt, als der Hund gejault hat. Da, wo die Leute stehen. Ich habe sie vor den gierigen Passanten in Sicherheit gebracht. Ich denke, der Hunger hat sie in die Stadt getrieben.“ Mit dieser Dialogfolge beginnt „Das Mädchen aus dem Regenwald“. Weshalb in Bildern erzählen, wenn es doch mit Worten so viel einfacher und preiswerter geht! Quatsch-Interaktionen legen sich über Thailand-Bilder, die kaum authentischer wirken als Bilder aus einem botanischen Garten. Handlung im Sinne: Menschen agieren physisch – Fehlanzeige! Stattdessen werden Situationen wortreich, hoch redundant und grenzdebil beschrieben.
Von der Kunst, aneinander vorbeizureden
Wagner: „Vielleicht melden sich die Eltern ja bald.“
Polizeipräfekt: „Und – ja, was wäre dann, wenn ausgerechnet die Eltern die Täter sind?“
Wagner: „Ja, das wäre furchtbar.“
Polizeipräfekt: „Der einzige Mensch, der die Wahrheit kennt, ist natürlich die Kleine selbst.“
Wagner: „Ich muss herausfinden, wer ihr das angetan hat.“
Man mag – wie Kollegen – „das Plastikpathos“, „die Rührseligkeiten“ und die „unabdingbaren Schmonzettengesetze“ bemängeln an dieser Produktion aus dem Hause Regina Ziegler. Doch die größte Peinlichkeit ist die Machart dieser langatmigen Therapiestunde für geistig Minderbemittelte, bei der die deutsche Trauma-Koryphäe salbungsvoll Empathie und große Heilungschancen beschwört, sich aber psychologisch die übelsten Patzer leistet. „Das Mädchen aus dem Regenwald“ ist ein handwerklicher Offenbarungseid. Fast alles in diesem Film ist von irritierender Schlichtheit. Diese Schmonzette mit ihren ausgedehnten Schuss-Gegenschuss-Abfolgen, ist inszeniert und geschnitten wie eine schlechte amerikanische Serie aus den frühen 80er Jahren. Daraus hatte auch cooler C-Picture-Charme entspringen können. Vielleicht hatte das Kinokenner Gremm sogar im Hinterkopf. Gelungen ist es nicht. Unter seiner Regie verkommt Christine Neubauer, die auch anders kann, einmal mehr zu einer ungelenken Ikone naiv profaner Heiligkeit. Und Hardy Krüger Jr. hat sich, was das nuancierte Mienenspiel angeht, offenbar David Hasselhoff zum Vorbild genommen. Und als ob der Film so nicht schon schlecht genug wäre – die Synchronisation gibt ihm den Rest.