Das Glück der Anderen

Veronica Ferres & Dominic Raacke, Kirdorf & Garde. Ein Star & eine Figur, die beide polarisieren

Foto: ZDF / Erika Hauri
Foto Rainer Tittelbach

Die von Veronica Ferres gespielte Heldin in dem ZDF-Fernsehfilm „Das Glück der Anderen“ ist eine zerrissene Figur. Mal bringen die Schmetterlinge im Bauch ihr Herz in Wallung und ihre Worte zum Tanzen, mal treibt sie ihr unerfülltes Leben in die Kaufsucht, mal katapultiert ihr verletzter Narzissmus sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Und trotzdem verliebt sich ihr Psychotherapeut hoffnungslos in sie. Wechselnde Tonlagen zwischen Komik und Tragik, kleine dramaturgische Durchhänger und eine märchenhafte Suchtbewältigung sind Herausforderungen für den Zuschauer. Und die Ferres überzeugt als Chaos-Queen.

Manchmal strahlt Ellen König zutiefst glücklich über das ganze Gesicht. Sie kann aber auch nachdenklich, wütend oder richtig schlecht drauf sein. Kein Wunder, wenn das Glück der Anderen zum eigenen Job gehört, man selber von diesem Glück aber viel zu selten etwas abbekommt. Und so flüchtet sich die Münchner Standesbeamtin mit schöner Regelmäßigkeit in ihre Süchte. Dann bestiehlt sie Juweliere oder die eigene demenzkranke Mutter, um sich das nötige Kleingeld für ihre Shopping-Attacken zu besorgen. Ellen hat mehr edle Schuhe als in sechs Koffer passen. Und ist der Liebesfrust zu groß, dann greift sie in die Hausapotheke. Die Kaufsucht habe vor 15 Jahren angefangen, die Psychopharmaka seien seit fünf Jahren ein Thema, beichtet sie ihrem Psychologen. Statt Knast ist Ellen auf Bewährung, dafür wurde sie zu einer Therapie verdonnert. Doch warum sieht dieser Christian Bahls nur so gut aus! Und warum kann er so gut zuhören und ist so verständnisvoll! Weil es zu seinem Beruf gehört? Nein, weil dieser Mann für sie bestimmt ist. Davon ist Ellen überzeugt. Und er? Hat dieser Nikotinkaugummi kauende Seelendoktor, der schwer nein sagen kann, auch was zu melden?

Das Glück der AnderenFoto: ZDF / Erika Hauri
Suchtproblemlösung wie im Märchen. Veronica Ferres, der das (Tragi-)Komische mehr liegt als schweres Drama. Antoine Monot jr.

Die tragikomische Heldin in dem ZDF-Fernsehfilm „Das Glück der Anderen“ ist eine ziemlich zerrissene Figur. Mal bringen die Schmetterlinge im Bauch ihr Herz in Wallung und ihre Worte zum Tanzen, mal treibt sie ihr unerfülltes Leben in die Sucht, mal katapultiert ihr verletzter Narzissmus sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Diese Frau ist eine Katastrophe. Sie sammelt Spielzeugigel, spricht mit ihnen, wie sie auch mit ihrer Katze spricht, sie ist emotional instabil, launisch und unberechenbar. Ihre Mansardenwohnung ist vollgestopft mit Ramsch und Kitsch. Ist die Frau, die hier wohnt, 12 oder 75 Jahre alt? Auf jeden Fall dürfte hier niemand leben, den sich ein attraktiver Psychotherapeut als Liebesobjekt wünscht. Und doch bringt diese Frau jenen Christian Bahls bald in arge Bedrängnis: dieses Lächeln, diese verrückte Kreativität, diese aufregenden Spleens, diese herzerfrische Naivität. Nur schwer kann er (die Hände) von dieser Frau lassen. Er könnte seine Zulassung als Psychotherapeut, und er könnte seine Freundin, die grundsolide, zukunftssichere Restaurantbesitzerin Nora, verlieren. Dieser Mann ist überfordert. Und so flüchtet auch er sich erst mal in den Blues.

Die ständige Hin- und Hergerissenheit der beiden Hauptfiguren spiegelt sich auch in der Erzählhaltung und in der Genre-Ausrichtung dieses ZDF-„Fernsehfilms am Montag“. Der erfahrene Komödienautor Thomas Kirdorf lässt beständig die Tonlagen changieren, mixt Komisches mit Tragischem oder lässt die zunehmend weniger amüsante Liebesgeschichte in den Therapiesitzungen von den Teilnehmern komödiantisch bespiegeln. Der Therapeut gerät immer mehr unter Druck. Da die anderen Süchtigen – außer dem auf Bohrmaschinen fixierten Felix – nur Stichwortgeber bleiben, gehen diese Szenen über laute Situationskomik nicht hinaus. Gelungener sind dagegen die von der narzisstisch gestörten Heldin forcierten Anmach-Szenarien. Geschickt entblättert die Lockende in einer auch psychologisch recht stimmigen nächtlichen Schwimmbadszene (sie lockt ihn mit ihrer Suizidgefährdung aufs 10-Meter-Brett – er will sie retten, doch wie soll das gehen mit Höhenangst?!) einen Großteil ihres Kindheitstraumas. Da fließen die Tonlagen ausnahmsweise mal zusammen. In dieser Annäherungsphase des ungleichen Paars zehn Minuten Erzählzeit als Zugabe – und der Film hätte weit mehr psychologische Grundierung und das Beziehungsspiel mehr Nuancen bekommen. Der rasche „Vollzug“ führt die Geschichte erst einmal in eine Sackgasse. Und so hängt „Das Glück der Anderen“ am Ende des Mittelteils dramaturgisch ziemlich durch.

Das Glück der AnderenFoto: ZDF / Erika Hauri
Eine kleine Überraschung auf dem Standesamt. Tatjana Alexander, Veronica Ferres & Dominic Raacke in „Das Glück der Anderen“

Claudia Garde und die Welt der Heldin:
„Mit Veronica Ferres haben wir sehr genau darauf geachtet, eine leichte unreflektierte Tonlage zu wahren. Gesten und Haltungen zu finden, die uns zeigen, wie sehr diese Ellen in ihrer eigenen Welt lebt. Ihre Igel, ihre Katze, ihre Hochzeiten, ihre Mutter und Ellens Umgang damit entsprechen eher dem Kosmos einer 15-Jährigen als dem einer reifen Frau.“

Hin- und Hergerissen von Claudia Gardes Komödie dürften auch viele Zuschauer sein. Zurechtkommen muss man damit, dass Drehbuchautor Thomas Kirdorf („Alpenglühen“) das Thema Sucht mal mehr mal weniger für seine Geschichte dramaturgisch benutzt. Auch wenn Lachen befreiend sein mag – der Umgang mit den am Rande der Lächerlichkeit agierenden Nebenfiguren bleibt problematisch. Das Gleiche gilt für die Psychologie der Heldin spätestens dann, wenn sie sich quasi mit einem (für den Suchtcharakter völlig unglaubwürdigen) Befreiungsakt von 15 Jahre Kaufsucht befreit. Natürlich, wir sind hier in einem Film, einer Komödie – aber muss das heißen, dass ein existentielles Problem in einer Art Märchenstunde weggezaubert wird. Es hätte bessere Möglichkeiten für ein Happy End geben können.

Ein weiteres Problem könnte für einige Zuschauer Hauptdarstellerin Veronica Ferres sein. Kollege Dominic Raacke, der mit ihr mehrmals Anfang der 90er Jahre gedreht hat, also vor ihrem Karrieresprung, bringt es auf den Punkt: „Sie war schon immer eine Frau mit Ambitionen. Inzwischen steht sie im Mittelpunkt eines Projekts und alles dreht sich um sie herum. Veronica polarisiert. Und genau deshalb passt sie auch so gut auf diese Rolle. Auch Ellen kann man lieben oder schrecklich finden.“ Als komische Chaos-Queen jedenfalls macht die sonst wenig nuancierte Ferres eine bessere Figur als in vielen ernsten, ambitionierteren Filmen. Und nicht nur wegen des ständigen Wegpustens ihrer Haare und jenem Lächeln, das sie in ihren vielen TV-Dramen der letzten Jahre vermissen ließ. (Text-Stand: 5.3.2014)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Veronica Ferres, Dominic Raacke, Antoine Monot jr., Tatjana Alexander, Gundi Ellert, Katharina Matz, Norman Hacker

Kamera: Jochen Stäblein

Szenenbild: Oliver Hoese, Anja Bühling

Schnitt: Ingo Ehrlich

Produktionsfirma: Aspekt Telefilm

Drehbuch: Thomas Kirdorf

Regie: Claudia Garde

Quote: 5,92 Mio. Zuschauer (19,1% MA)

EA: 07.04.2014 20:15 Uhr | ZDF

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