Culpa – Niemand ist ohne Schuld

Stipe Erceg, Ludwig Trepte, Mehmet Kurtulus, Chaabane. Dilemmata eines Priesters

Foto Tilmann P. Gangloff

Die erste fiktionale Eigenproduktion des Bezahlsenders 13th Street bietet vier originelle Variationen einer bekannten Ausgangsposition: Ein Priester erfährt im Beichtstuhl von einem geplanten Verbrechen und will natürlich versuchen, die Tat zu verhindern. Trotz eines sicherlich überschaubaren Budgets sind Jano Ben Chaabane, dem kreativen Kopf des Projekts, bei seinem Regiedebüt vier erstaunliche und namhaft besetzte Kurzfilme gelungen, die große Spannung erzeugen, obwohl sich die Handlung größtenteils im Beichtstuhl zuträgt.

Als Filmidee gab es das schon öfter: Ein Priester erfährt im Beichtstuhl von einem geplanten Verbrechen. Der Reiz dieser Ausgangslage liegt im Dilemma des Geistlichen: Das Beichtgeheimnis ist einer der ältesten Bestandteile des Kirchenrechts. Wer es verletzt, wird exkommuniziert, weshalb der Priester nicht einfach zur Polizei gehen kann; er muss also einen anderen Weg finden. Die von Jano Ben Chaabane konzipierte vierteilige Serie „Culpa“ erzählt diese Geschichte in immer wieder anderen Variationen. Obwohl das Schema der in sich abgeschlossenen und jeweils nur knapp 25 Minuten kurzen Filme identisch ist und sich die Handlung größtenteils im Beichtstuhl einer heruntergekommenen Kirche abspielt, überraschen die Drehbücher (Jano Ben Chaabane, Bernd Heiber, Alexander Lindh) jedes Mals aufs Neue. Der Reiz dieser Reihe, der ersten fiktionalen Eigenproduktion von Universal Networks International für seinen Sender 13th Street, liegt nicht zuletzt in der vorzüglichen Besetzung. Den namenlosen Priester, der die Beichtenden allein Kraft seiner Worte zu Einsicht und Umkehr bewegen muss, spielt Stipe Erceg. Der Mann in einem spartanisch eingerichteten Zimmer, hat ein Ameisenproblem, raucht zuviel und ernährt sich von Fast Food. Hinter einem Spiegel verbirgt er eine in den Putz gekratzte Strichliste. Die Übersicht zeigt die Zahl der Sünden, die er unterbinden konnte; aber auch jene, bei denen er machtlos war.

Die vier Geschichten erzählen beide Varianten. Jede Episode beginnt mit dem kanonischen Gesetzestext zum Beichtgeheimnis und der Feststellung des Priesters, „Nicht jede Sünde ist ein Verbrechen, aber jedes Verbrechen ist eine Sünde.“ Dann kommen die Erzählungen ohne größere Einführung gleich zur Sache: Eine Frau (Barbara Philipp) will wissen, ob es eine Sünde ist, einen dem Tod geweihten Hund mit Hilfe eines Revolvers von seinem Leid zu erlösen. Der Priester plädiert zwar fürs Einschläfern, erteilt der Frau ansonsten aber eine prophylaktische Absolution; bis sich rausstellt, dass es keineswegs um einen Hund, sondern um die Vertuschung eines grausigen Geheimnisses geht. Diese Folge, „Unten“, ist die komplexeste, weil die Handlung hier trotz der Kürze der Zeit verblüffende Wendungen nimmt. „110“ handelt von einem Streifenpolizisten (Maxim Mehmet), der überzeugt ist, einem Serienmörder auf der Spur zu sein. Da sich die Untaten des Mannes nicht beweisen lassen, will er ihn auf andere Weise zur Strecke bringen. Ein möglicher Titel wäre auch „Russisch Roulette“ gewesen, denn ein Revolver mit nur einer Patrone spielt eine entscheidende Rolle.

13th Street ist in Deutschland über die Bezahlplattform Sky zu empfangen sowie Teil der digitalen Programmpakete aller großen Kabelnetzbetreiber.

In „Falle“ steckt ein Mitarbeiter (Ludwig Trepte) des Bundesnachrichtendienstes in einer ähnlichen Zwickmühle wie der Priester: Der neue Freund (Mehmet Kurtulus) seiner Exfreundin ist investigativer Journalist, der Material über die albanische Mafia sammelt. Weil der BND-Mann verbotenerweise das Telefon seiner Freundin überwacht, weiß er, dass der Reporter in einen Hinterhalt gelockt worden ist, aber wenn er ihn warnt, verliert er seinen Job. Während der Priester in den drei anderen Geschichten versucht, das Vertrauen seiner Besucher zu gewinnen, um sie von ihren Plänen abzubringen, ist es in „Zeugin“ umgekehrt: Eine junge Frau (Alina Levshin), deren Vater zum organisierten Verbrechen gehört, fürchtet um das Leben einer Zeugin, die gegen den Verbrecher aussagen soll; der Priester fragt sich, ob die Frau ihm nicht ein Märchen auftischt, um die Identität der Zeugin rauszufinden.

Soundtrack: Jonathon Linaberry („The Bones of J.R. Jones”, Abspannsong)

Jano Ben Chaabane war bislang überwiegend als Regisseur und Autor für Florida TV tätig; die Firma von Joachim Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf produziert seit Jahren deren Erfolgsformate, von „MTV Home“ über „Neo Paradiese“ bis zu „Circus HalliGalli“. „Culpa“ ist seine erste fiktionale Arbeit, er war nicht nur Regisseur, sondern als Produzent und „Showrunner“ auch der kreative Kopf des Projekts. Die Filme zeigen eine klare Handschrift. Obwohl das Budget sicher nicht üppig war und jeweils nur wenige Szenen außerhalb der Kirche spielen, wirken die Bilder auch dank ihres ästhetischen Konzepts und einer markanten Lichtsetzung nie billig (Kamera: Tobias Koppe). Die Musik (Tim Schwerdter) ist ebenfalls vorzüglich, sie klingt sehr cool und passt somit perfekt zur Hauptfigur sowie dem trockenen und mitunter tiefschwarzen Humor der Serie. (Text-Stand: 22.6.2017)

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Serie & Mehrteiler

Mit Stipe Erceg, Ludwig Trepte, Mehmet Kurtulus, Maxim Mehmet, Alina Levshin, Detlef Boothe, Barbara Philipp, Dirk Martens

Kamera: Tobias Koppe

Szenenbild: Justus Saretz

Kostüm: Jelena Barnert, Christina Görisch, Charlotte Raether

Schnitt: Felix Rudek

Musik: Tim Schwerdter

Produktionsfirma: readymade films

Drehbuch: Jano Ben Chaabane, Bernd Heiber, Alexander Lindh

Regie: Jano Ben Chaabane

EA: 12.07.2017 20:13 Uhr

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