Auris – Der Fall Hegel + Auris – Die Frequenz des Todes

Janina Fautz, Juergen Maurer, Veith/Comtesse, Schnitzler. Sehen, was andere nur hören

Foto: RTL
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Mann ist ein Phänomen: Er kann sehen, was andere nur hören, weil er in der Lage ist, Töne zu visualisieren. Das ist schon mal eine reizvolle Ausgangslage für einen Krimi. Dass Matthias Heigel die Polizei berät, gleichzeitig aber selbst unter Mordverdacht steht, erhöht den Reiz. Außerdem wird er von Juergen Maurer verkörpert; perfekte Voraussetzungen also für eine sehenswerte Reihe. Tatsächlich ist gerade der erste „Auris“-Film, „Der Fall Hegel“ (RTL / Ziegler Film), ein fesselnder Thriller, zumal der forensische Psychiater eine interessante Gegenspielerin hat: Janina Fautz verkörpert eine Podcasterin mit Vorgeschichte. Das ungleiche Duo legt sich mit einer internationalen Organisation an, die weltweit mit Waffen, Drogen und Säuglingen handelt. Die junge Frau ist überzeugt, dass Hegel seine Frau getötet hat; aber er ist der einzige, der die Wahrheit über ihren angeblich toten Bruder weiß.

„Der Fall Hegel“: Der mit den Ohren sieht
Im Grunde ist es unmöglich, Töne sichtbar zu machen. Natürlich lassen sich Frequenzen abbilden und musikalische Klänge in Farben verwandeln; doch das ist nicht das gleiche. Bei der Umsetzung von „Auris“ standen die Verantwortlichen daher vor einem Problem. Die männliche Hauptfigur der Hörspiel- und Romanreihe von Sebastian Fitzek und Vincent Kliesch ist ein Phonetiker mit einem übernatürlich feinen Gehör. Diese Gabe ermöglicht es Matthias Hegel, akustische Signale als dreidimensionale Bilder zu visualisieren; auf diese Weise sieht er, was andere nur hören. Weil er außerdem Psychiater ist, genügt ihm eine Stimmenprobe, um einen Menschen analysieren zu können. Der Auftakt des ersten Films verdeutlicht diese Fähigkeiten, als er erkennt, dass ein Mann, der offenbar zwei Kinder töten will, letztlich harmlos ist. Die Einführung ist jedoch bloß eine Kostprobe, denn der Thriller erzählt eine völlig andere Geschichte. Sie trägt den Titel „Der Fall Hegel“: Der Prolog endet mit dem Geständnis des Phonetikers, er sei ein Mörder; und damit beginnt ein Verwirrspiel, das bis zum letzten Dialogsatz für ständig neue Überraschungen sorgt.

Auris – Der Fall Hegel + Auris – Die Frequenz des TodesFoto: RTL / Britta Krehl
Eine tolle Idee, die nicht nur für filmästhetische Abwechslung sorgt, ist die besondere Gabe von Matthias Hegel (Juergen Maurer), der sehen kann, was andere nur hören.

Neben der verzwickten Handlung, die sich als genial eingefädeltes Komplott entpuppt, hat „Auris“ (lateinisch für Ohr) einige weitere Aspekte zu bieten, die diese erste von möglicherweise drei weiteren Romanadaptionen überaus sehenswert machen. Die beste Idee der Verantwortlichen war die Besetzung Hegels mit Juergen Maurer. Der Österreicher war schon in den ZDF-Reihen „Spuren des Bösen“ (mit Heino Ferch) und „Neben der Spur“ (mit Ulrich Noethen) mit seiner düster-melancholischen Aura der perfekte Gegenentwurf zu den beiden Hauptrollen. Als ähnlich gute Wahl erweist sich Janina Fautz. Sie spielt eine junge Frau, die gerade erst für ihre Podcast-Reihe „Unschuldig verurteilt“ ausgezeichnet worden ist. Jula Ansorge ist zunächst überzeugt, dass auch Hegel ein schreiendes Unrecht widerfährt: Warum sollte ein prominenter Psychiater eine obdachlose Frau mit 23 Messerstichen ermorden? Bei ihren Recherchen prallt sie gegen eine Mauer des Schweigens: Hegel weigert sich, mit ihr zu sprechen, und auch über die Identität des Opfers ist nichts herauszufinden. Zum Glück hat Jula einen virtuellen Hacker-Freund, der sich Hadrian nennt und Türen öffnen kann, die anderen verschlossen bleiben. Offenbar ist Hegel das Opfer einer Verschwörung geworden; doch die Wahrheit ist noch viel perfider.

Das allein wäre schon faszinierend genug, aber Jula leidet zudem unter einem Trauma: Während eines Aufenthalts in Buenos Aires vor drei Jahren ist sie von einem vermummten Mann vergewaltigt worden. Der Täter war nach Angaben der dortigen Polizei ihr eigener Bruder Moritz, der die Tat gestanden und sich anschließend in der Zelle erhängt hat. Sie hat nie an seine Schuld geglaubt; daher rührt ihr Engagement für Menschen, die ihrer Ansicht nach zu Unrecht im Gefängnis sitzen. Wer auch immer hinter dem Komplott gegen Hegel steckt: Er kennt Julas Geschichte und macht sich gnadenlos ihren wunden Punkt zunutze. Der von Gregor Schnitzler inszenierte Film verliert nach dem mitreißenden Prolog zwar an Kompaktheit, aber die Geschichte gleicht das dank diverser verblüffender Offenbarungen etwa über die wahre Identität der vermeintlichen Obdachlosen locker wieder aus (Buch: Stefanie Veith, Michael Comtesse). Die hochwertige Bildgestaltung mit ihren verschiedenen Farbgebungen bleibt ohnehin besonders. Außerdem hat es Schnitzler geschickt verstanden, für eine Atmosphäre des ständigen Unbehagens zu sorgen. Die Kamera (Ralf Noack) zeigt das Geschehen und vor allem die Gespräche gern aus einer leichten Untersicht, eine Perspektive, die das Publikum in eine unterlegene Position zwingt. Auch für die Herausforderung, das Unsichtbare sichtbar zu machen, hat der Film eine interessante Lösung gefunden. Ein Manko sind zwar die nicht immer überzeugenden Leistungen der jungen Nebendarsteller, aber das vorzügliche Duo Maurer/Fautz ist dafür umso sehenswerter.

„Die Frequenz des Todes“: Rätsel über Rätsel
Eine Frau wacht auf, stellt schockiert fest, dass ihr Baby entführt worden ist, und wählt die Notrufnummer, aber ihr Ehemann bringt sie mit Gewalt zum Schweigen und sperrt sie in den Keller, wo er bereits die Schwiegermutter gefangen hält: So beginnt „Die Frequenz des Todes“. Abgesehen vom Auftakt ist der zweite „Auris“-Film nicht mehr so fesselnd wie der erste, zumal der Überraschungseffekt fehlt. Die Figuren sind eingeführt, Hegels eindrucksvolle Fähigkeit. Im zweiten Film erkennt der Psychiater nur anhand der Stimme, dass LKA-Kommissar Holder (Andreas Schröders) seit zwei Monaten nicht mehr raucht. Julas Bruder Moritz repräsentiert die Verknüpfung der beiden Handlungsebenen wie auch der beiden Filme: Er ist irgendwie in die Machenschaften einer weltweiten Organisation verstrickt, die sich Remus nennt. Neben Waffen und Drogen handelt sie auch mit Säuglingen; und so kommt der Psychologe Dorn (Kostja Ullmann) ins Spiel, dessen Baby entführt worden ist.

Auris – Der Fall Hegel + Auris – Die Frequenz des TodesFoto: RTL / Britta Krehl
Warum sollte ein prominenter Psychiater eine obdachlose Frau mit 23 Messerstichen ermorden? Podcasterin Jula (Nina Fautz) glaubt an die Unschuld des Phonetikers.

Schnitzler hat die Filme zur gleichen Zeit gedreht. Trotzdem wirkt „Die Frequenz des Todes“ nicht mehr so dicht wie „Der Fall Hegel“. Die Bildgestaltung ist hochwertig, aber weniger intensiv. Das gilt auch für die zentrale Rolle: Hegel ist nach wie vor faszinierend, zumal seine düstere Aura auch zu einem Mörder passen würde, und ob er tatsächlich seine Frau getötet hat, wie Jula vermutet, ist immer noch offen, aber die Figur ist in gewisser Weise entzaubert. Immerhin gelingt es Hegels Tochter, dem Vater ein Lächeln abzuringen; das Mädchen ist der Motor all’ seines Handelns und wird gegen Ende dafür sorgen, dass Jula ihrem Freundfeind nicht mehr so bedingungslos ausgeliefert ist wie zu Beginn. Im Vergleich zur Hintergrund-Handlung ist die Episodengeschichte weit weniger überraschend, selbst wenn der Film zumindest eine Zeitlang von der Frage lebt, warum Dorn verhindern wollte, dass seine Frau (Hanna Hilsdorf) die Polizei alarmiert. Ein weiteres Detail ist nicht minder mysteriös: Das Mobiltelefon, mit dem sie angerufen hat, ist vor zehn Jahren verschwunden, als Holder auch dank der Unterstützung durch Hegel ganz nah an Remus dran war. Der Besitzer wollte gegen die Organisation aussagen, ist aber ermordet worden, weil es einen Maulwurf beim LKA gibt. Das Smartphone enthält Informationen über die deutsche Remus-Zelle, aber weshalb befindet es sich im Besitz von Dorn? Und was hat Moritz mit der Organisation zu tun?

Rätsel über Rätsel also (das Buch stammt erneut von Stefanie Veith & Michael Comtesse), auch wenn es etwas unglaubwürdig ist, dass der Akku des Telefons nach zehn Jahren in der Schublade noch genug Saft für einen Notruf hat. Das ist jedoch eine Petitesse im Vergleich zu den Darbietungen mehrerer Mitwirkender, die gerade gemessen an Juergen Maurer ein bis zwei Ligen tiefer spielen; und das gilt diesmal nicht nur für die jugendlichen Nebendarsteller. Für Nervenkitzel sorgt vor allem die elektronische Thriller-Musik (Dominik Giesriegl, Florian Riedl); selbst beim Finale, als sich rausstellt, dass Dorn tatsächlich, wie er zum Auftakt seiner Frau versichert, zum Wohl der Familie handelt, hält sich die Spannung in Grenzen. Eine Nebenebene mit einer drogensüchtigen Obdachlosen (Mathilde Bundschuh), ist zwar für die Episodenhandlung unverzichtbar, steht der eigentlichen Geschichte aber etwas im Weg.

„Die Frequenz des Todes“ beantwortet einige Fragen aus dem ersten Film, wirft neue auf und sorgt dafür, dass das Verhältnis zwischen Jula und Hegel ungeklärt bleibt. Der Psychiater bittet sie, seine „Hände, Augen und Ohren“ zu sein, weil er zwar aus dem Gefängnis entlassen worden ist, aber wegen einer Fußfessel sein Haus nicht verlassen darf. Der sterbende Maulwurf beschwört die Journalistin jedoch, niemandem zu trauen; erst recht nicht Hegel. Der Schluss weckt mit Erfolg die Neugier auf eine Fortsetzung. Kliesch hat vier Romane über das Duo geschrieben. Ob die beiden anderen ebenfalls adaptiert werden, ist noch offen.

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RTL

Mit Janina Fautz, Juergen Maurer, Max Bretschneider, Adrian Maaß, Nico Ramon Kleemann, Ina Geraldine Guy, Samuel Schneider, Andreas Schröders, Petra Hartung (2): Kostja Ullmann, Hanna Hilsdorf, Mathilde Bundschuh

Kamera: Ralf Noack

Szenenbild: Dorothee Bodelschwingh

Kostüm: Polly Matthies

Schnitt: Ollie Lanvermann

Musik: Dominik Giesriegl, Florian Riedl

Redaktion: Nico Grein

Produktionsfirma: Ziegler Film

Produktion: Regina Ziegler

Drehbuch: Stefanie Veith, Michael Comtesse – nach der Romanvorlage von Vincent Kliesch und der Idee von Sebastian Fitzek

Regie: Gregor Schnitzler

Quote: auf RTL: (1) 1,84 Mio. Zuschauer; (2) 1,39 Mio. Zuschauer

EA: 13.12.2022 10:00 Uhr | RTL+

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