Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Die Apfelbäuerin Anna Ingstrup war einst mit 16 Jahren schwanger, hat das Kind bekommen, es aber weggegeben. Ihre Enkelin ist heute in der gleichen Ausgangslage. Sie zweifelt, ob sie das Kind bekommen soll. Für Anna ist das selbstverständlich. Sie hat gerade ihren Mann verloren. Der Schock sitzt tiefer, als sie zugibt. Da kommen ihr die Urgroßmutterfreuden gerade recht. Und Annas Tochter Ines bleibt einmal mehr außen vor. Jo will vorerst nicht, dass sie von der Schwangerschaft erfährt – und Anna hält dicht. Das wiederum birgt reichlich Verletzungsgefahr für ihre Tochter, die lange darunter gelitten hat, ein ungewolltes Kind zu sein. Wäre Ines nicht gewesen, dann hätte sie ihre Mutter wohl nie kennen gelernt. Sie war es, die vor zwei Jahren auf dem Bauernhof der Ingstrups auftauchte und Anna mit dem Satz schockte: „Ich bin Ines Arnold, Ihre Tochter.“
Zu dieser Familienzusammenführung kam es in dem Fernsehfilm „Annas Geheimnis“. Eine „richtige“ Familie sind die drei und Ines’ Vater, Johann Quast, ebenfalls ein Apfelbauer im Alten Land in der Nähe von Hamburg, allerdings längst nicht. Das liegt vor allem an der verschlossenen und recht eigenwilligen Anna. „Annas Erbe“ erzählt davon, wie nun plötzlich diese stille Egomanin auf Familie macht. Soll Jo stellvertretend für sie nun das (aus)leben, was ihr verwehrt blieb? Oder spiegelt sich in diesem Verhalten vielmehr die Unfähigkeit Annas, innezuhalten und den Tod ihres Mannes zu betrauen? Inwieweit geht es ihr überhaupt um Jo? Und weshalb lässt sie ihre Tochter wieder einmal in Unkenntnis? Anna ist eine Frau der Tat. Und die Arbeit am Hof geht weiter. Rein egoistische Motive sind ihr nicht zuzutrauen. Anna wird immerhin gespielt von Jutta Speidel. Wunderbar gespielt. Speidel wird immer besser.
Susanne Schäfer („Der Mörder ist unter uns“) und Anna Hausburg („Leroy“) komplettieren das Dreimäderlhaus auf hohem Dramolett-Niveau. „Anna Erbe“ bleibt aber ein Degeto-Freitagsfilm, weil die dramaturgische Kurve dann eben doch wichtiger ist als die Charakterstärke und der Eigensinn der Figuren und weil die psychologischen Problemlagen doch allzu durchschaubar sind. Man kann es kritisieren, dass diesem Film mit seinen guten Ansätzen es nicht gelingt, ein wirklich gutes (Melo-)Drama zu werden. Oder aber man kann sich über einige stimmungsvolle Szenen freuen, über das starke Trio und eine umsichtige Regie mit einer sich in emotionalen Szenen dezent im Hintergrund haltenden Kamera.