Einst waren es die Piefkes, jetzt schickt der österreichische Schriftsteller Felix Mitterer die Mafia nach Südtirol. Mario Adorf spielt einen Paten im Zwangsexil, der in einer gottverlassenen Gebirgsgemeinde sizilianische Verhältnisse einführt. „Ein Heimatfilm mit satirischen Momenten“ sei dieser ARD/ORF-Zweiteiler mit dem assoziationsreichen Titel „Alle für die Mafia“ geworden, heißt es beim WDR. Doch die Versendung zu später Stunde im Sommerloch lässt vermuten, dass das 7-Millionen-Mark-Projekt vom Wiener Präzisionsfilmer Gernot Friedel („Verkaufte Heimat“) hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.
Ein Mafia-Boss aus dem Süden Italiens wird mit seiner Familie in ein südtiroler Dorf verbannt. Die Geschichte mag man kaum glauben, aber sie basiert auf wahren Begebenheiten. So gab es bis Ende der 1980er Jahre in Italien ein Gesetz, das es dem Staat erlaubte, Mafia-Größen, denen nichts nachzuweisen war, in die Verbannung nach Südtirol zu schicken. „Und alles, jedes Glas Wein, wurde vom Staat bezahlt“, so Friedel. „Für die arme Bergbevölkerung ein rotes Tuch.“ Der soziale Frieden war gestört. Und der Mafiakrieg ging in den Bergen weiter.
Kritik: „Alle für die Mafia“
Was macht ein sizilianischer Pate in einem südtiroler Gebirgsnest? Klar, er spielt Mafia. Insbesondere dann, wenn man ihn hier nicht haben will. In Machtkämpfen um Territorien kennt er sich schließlich aus. Zum Schmunzeln gab’s nicht viel in „Alle für die Mafia“, dieser vermeintlichen Politsatire im Heimatfilm-Ambiente. Auch gab es etliche Längen, aber so schwach, so schräg oder so unpopulär, dass die ARD diese TV-Moritat im Nachtprogramm (und dazu noch im Sommerloch) verstecken musste, war dieser Zweiteiler dann allerdings doch nicht. Vor allem Mario Adorf als Pate, das hat schon was: das hat Größe, ohne ins Pathos abzugleiten. Und Tilo Prückner in einer für ihn ähnlichen Paraderolle als saufender Dorfkasper, damit sorgte er für das nötige Augenzwinkern. Die Aura beider Personen bestimmten denn auch die Tonlage der 180 Minuten. Hier die Regeln der Mafia, der Ernst, das Gesicht eines gebrochenen Padre, dort der Schalk, der sich einen Witz machen will, auf Kosten der anderen. Auch „Alle gegen die Mafia“ versuchte, mehr als eine Karikatur zu sein. Doch, was dieser Film letztlich für ein Genre war, ist schwer zu sagen. Die Grundsituation jedenfalls hatte Witz: das machtpolitische Ränkespiel in einem dramatischen Mikrokosmos, das kennt man schon von Schriftsteller Felix Mitterers „Piefke-Saga“. Sowas kann der Österreicher. Doch an der filmisch sinnlichen Umsetzung krankte es. Zu wenig Atmosphäre, dafür bisweilen zuviel (Bauern-)Theater.
„Dieser Don Michele hat wenig mit meinen früheren Mafia-Rollen zu tun“, sagt Adorf über die Hauptfigur. Ein trauriger, gebrochener Mann, der, gekränkt von dem Hass, der ihm und seiner Familie in der Fremde entgegenschlägt, sich noch einmal die eigene Macht beweisen will. Mit einem Koffer Geld nimmt er Rache, kauft sich die Honoratioren der Stadt. „Er ist ein traditioneller Mafioso, ein ehrenwerter Verbrecher, der sich nicht als Verbrecher empfindet“, betont Adorf, „er glaubt noch an die Gemeinschaft, an Freundschaft und Liebe. „Eine der vielen politischen Absurditäten, die Mitterer in seine Geschichte einbaute, ist das Verhältnis zwischen südtiroler Revanchisten und italienischen Faschisten: „Hier bekämpfen sich zwei ideologisch verwandte Gruppen“, betont Regisseur Friedel. Ob das der von der südtiroler Historie unbelastete Zuschauer immer verstehen wird, ist eher zu bezweifeln.
Einseitige Scherze auf Kosten einer bestimmten Bevölkerungsgruppe seien nicht Mitterers Sache. Adorf: „Vielmehr sind alle Figuren skurril und überzeichnet – der Bürgermeister, der auch noch Bauunternehmer ist, der Lehrer, ein Kinderschänder, der Pfarrer, der einen Eisenbahnvogel und ganz viele Kinder hat.“ Oder aber Sepp (skurril wie gewohnt: Tilo Prückner), der ewig betrunkene Besenbinder und mit seinen Intimkenntnissen über das Dorf des Paten getreuer „Berater“. Bei aller zupackender Direktheit der Inszenierung, die Story sei keine realistische Filmgeschichte, eher eine ironische Parabel, so Adorf.