Yella hat eine Beziehung in den Sand gesetzt. Ihr Ex Ben, der nicht wahrhaben möchte, dass er ihr Ex ist, sitzt darüber hinaus auf einem Haufen Schulden. Nun will es die stille, so beherrschte Frau aus dem Osten jenseits der Elbe besser machen. In Hannover hat Yella eine Anstellung gefunden, gute Firma, krisensicher, fertigt Bauteile für Airbusse, berichtet sie stolz ihrem Vater. In diesem Moment jagt ein Düsenjäger über Wittenberge – und kündigt Unheil an. Als erstes steuert Ben sein Auto vorsätzlich in einen Fluss. Yella kann sich retten. Auch Ben überlebt. In Niedersachsen der nächste Schock: die Firma, in der sie anfangen sollte, gibt es nicht mehr. Doch Ersatz ist in Sicht. „Interessieren Sie sich für Bilanzen?“, fragte sie am Vorabend noch ironisch der geschäftig tuende Mitarbeiter einer Private-Equity-Firma. Jener Philipp merkt schnell, dass sich Yella nicht nur für Bilanzen interessiert, sondern sie auch lesen kann. Sie scheinen ein gutes Team zu sein. Sie kommen sich näher. Doch so richtig sicher, ob man sich gegenseitig wirklich vertrauen kann, ist sich keiner von den beiden.
Yella hat noch ein schlechtes Gewissen wegen ihres Ex („Ich liebe ihn nicht mehr, weil er ruiniert ist, weil er nichts mehr hat“). Ansonsten lernt sie schnell: die Umgangsformen einer Businessfrau, die Täuschung, das Betrügen. Die psychologische Kriegsführung in der gläsern verspiegelten Welt des Risikokapitals, wo jede Geste zählt, scheint ihr zu gefallen. Aber die Vergangenheit wird Yella nicht los. Wird sie von Ben verfolgt? Treibt er sie in die Arme von Philipp? Leidet sie seit dem Unfall unter Wahrnehmungs-Störungen? Oder hat sie eine Art zweites Gesicht? Nina Hoss traumwandelt kühl, geheimnisvoll, schön durch Christian Petzolds „Yella“. Dafür bekam sie den Silbernen Bären auf der Berlinale 2007.
Yella ist eine Grenzgängerin. Nina Hoss macht aus ihr eine Erscheinung im doppelten Sinne. Der Film erzählt von Schuld und Verschuldung in einer ebenso geschichtslosen wie gesichtslosen Bundesrepublik, von einem Mann, der ruinierte Menschen genüsslich über den Tisch zieht und dabei noch reichlich in die eigene Tasche wirtschaftet, und von einer Frau, die ihre Komplizenschaft mit diesem „Gewinner“ zu genießen scheint. Dass sich all das am Ende als eine Art „Erscheinung“ herausstellt, ein Traum von Wirklichkeit – das macht diese Wirklichkeit nicht weniger wahr, den Film dafür umso wahrhaftiger, weil sein Realismus die Erzählkonventionen sprengt. „Yella“ ist ein im besten Sinne typischer Petzold-Film. Der letzte große deutsche Autorenfilmer erweist sich einmal mehr als Phänomenologe, der in den Bildern das Wesen seines Landes entschlüsselt. Indem er Sinn & Sinnlichkeit koppelt, Persönliches & Politisches gegenseitig spiegelt, ist „Yella“ Beziehungsfilm und Gesellschaftsanalyse zugleich.