Wolfsland – Schwarzer Spiegel

Schubert, Catterfeld, Kampwirth, Neuwöhner, Poser, Zapatka. Macht und Missbrauch

Foto: MDR / Maor Waisburd
Foto Tilmann P. Gangloff

Auf einer Görlitzer Bühne wird ein Stück geprobt, dessen Mitwirkende dem Kripoduo Delbrück und Schulz (Catterfeld & Schubert) verblüffend ähnlich sehen. Tatsächlich basiert „Böses Blut“ auf den Fällen der beiden; es geht um toxische Männlichkeit und um Machtmissbrauch. Zum Krimi wird die 16. „Wolfsland“-Episode mit dem Titel „Schwarzer Spiegel“ (MDR, Degeto / Molina Film), als die Kommissarin den Hauptdarsteller tot im Wald findet. Der Film ist kein Hochspannungs-Thriller wie zuletzt „In der Schlinge“, zumal das Spiel mit Bühne und Realität für einige witzige Momente sorgt, aber die Bildgestaltung ist erneut besonders – und ein sehr gelungener Ausgleich zu den dialogreicheren Szenen.

Nun, da das „dreckige Dutzend“ endgültig Geschichte ist, können sich Viola Delbrück und Burkard Schulz endlich wieder dem ganz normalen Irrsinn widmen. Beim sonntätigen Jogging trifft die Kommissarin (Yvonne Catterfeld) erst ihren neuen Freund Canis Lupus, der ihr mittlerweile fast aus der Hand frisst, erlebt dann jedoch einen erheblichen Schock, als sie ihren Kollegen tot am Fuß einer Klippe entdeckt. Zum Glück erweist sich der kurz drauf eintreffende Partner (Götz Schubert) als quicklebendig; der Tote sieht ihm bloß zum Verwechseln ähnlich. Gäbe es die Gangsterbande noch, wäre die Leiche vermutlich eine Warnung. Dass sie sogar einen „Dienstausweis“ auf den Namen „Butsch“ dabei hat, ist allerdings seltsam. Der Mann war Schauspieler, er gehörte zum Ensemble der Freien Bühne Görlitz. Dort wird gerade ein „Mystery Crime“-Stück mit dem Titel „Böses Blut“ geprobt, wie Delbrück und Schulz erfahren; darin geht es „um die unscharfen Grenzen zwischen echter Schuld und falschem Verdacht“, um toxische Männlichkeit und um Machtmissbrauch. Die beiden Hauptfiguren sind dem Kripoduo nachempfunden, die Autorin durfte mit Erlaubnis von Polizeichef Grimm (Stephan Grossmann) die Akten auswerten.

Wolfsland – Schwarzer SpiegelFoto: MDR / Maor Waisburd
Warum sieht der Tote (Foto oben) aus wie der Kollege? Des Rätsels Lösung: Ein Theaterstück basiert auf Fällen von Delbrück & Schulz. „Butsch“ Bobak (Thomas Limpinsel), Mimi von Kastell (Bea Brocks) & Steinberg (Stephan Kampwirth) bei den Proben.

Das klingt schwer nach Parodie, erst recht im Vergleich zur Thrillerspannung der letzten Episode („In der Schlinge“), aber auch der sechzehnte „Wolfsland“-Film ist trotz einiger heiterer Momente keine Komödie: Das Thema des Stücks ist auch Thema des Films, wie sich nach und nach zeigt. Das Drehbuch stammt erneut von den Reihenschöpfern Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser, die die Bühnenhandlung auf reizvolle Weise mit dem Krimigeschehen verknüpfen. Schon allein die Idee, Delbrück und Schulz mit zwei Doubeln zu konfrontieren, ist originell. „Jessie“ (Bea Brocks) ist eine eher düstere Rolle, aber die Begegnungen Butschs mit seinem Ebenbild sind ziemlich witzig. Jakub Bobak (Thomas Limpinsel) ist die Zweitbesetzung und gilt daher als hochgradig verdächtig, den eigentlichen Hauptdarsteller des Stücks aus dem Weg geräumt zu haben, zumal sich rausstellt, dass die Leiche mit seinem Auto transportiert worden ist.

Die interessanteste Figur des Films ist jedoch der Regisseur. Stephan Kampwirth verkörpert den Mann recht zwielichtig, was durchaus seine Berechtigung hat, wie sich schließlich zeigt: Melchior Steinberg ist an seinem früheren Arbeitsplatz der Vergewaltigung bezichtigt worden; fälschlicherweise, wie er versichert, auch wenn er einräumt, gewisse Fehler begangen zu haben. Das Stück soll ihm seine Rückkehr auf die großen Bühnen ermöglichen. Nebenbei erzählen Neuwöhner und Poser von einer jungen Frau, die zu Beginn himmelhoch jauchzend ist, im Verlauf des Films jedoch zusehends dahinwelkt. Fast quälend lang zögert das Drehbuch hinaus, welchen Bezug sie zur Handlung hat. Die Auflösung ist außerordentlich bedrückend, zumal Anouk Elias ihre Rolle anfangs mit geradezu überschäumender Energie versieht, sodass der Kontrast gegen Ende umso trauriger ist.

Wolfsland – Schwarzer SpiegelFoto: MDR / Maor Waisburd
Echte Aggression oder alles nur ein Spiel? Der Kommissar (Götz Schubert) und der Theatermann (Stephan Kampwirth)

Regie führte wieder Ole Zapatka, der nun fünf „Wolfsland“-Episoden am Stück inszeniert hat. „In der Schlinge“ hatte sich durch eine außerordentliche Kameraarbeit ausgezeichnet. Auch „Schwarzer Spiegel“ ist vortrefflich fotografiert, aber diesmal steht die Bildgestaltung stärker im Dienst der Handlung. Nicht nur wegen der Proben des Stücks, das sich auf Ereignisse aus der siebten Episode („Kein Entkommen, 2020“) bezieht, ist „Schwarzer Spiegel“ deutlich dialogreicher als der letzte Film. Zapatka hat daher diesmal auf eine „handgemachte Kameraführung“ gesetzt: Kameramann Niv Abootalebi ist mit seinem Arbeitsgerät in vielen Szenen ganz dicht bei den Mitwirkenden; mitunter rückt ihnen die Kamera so dicht auf die Pelle, dass im Bild bloß noch Platz für einen Ohrring ist. Bei Befragungen oder Telefonaten gibt es abrupte Wechsel von der Totalen in die extreme Nahaufnahme. So entsteht der Eindruck, als wolle die Kamera den Beteiligten in den Kopf gucken.

Ähnlich interessant ist die Lichtsetzung: Das Theater wirkt mit seiner bronzefarbenen Illuminierung ungemein behaglich und somit exakt wie jener Rückzugsort vor der Unbill der Welt, von dem viele junge Menschen träumen; bis sie erleben, dass ausgerechnet das vermeintliche Refugium ein Ort des skrupellosen Machtmissbrauchs ist. Eher ein Appendix ist dagegen die telefonische Romanze zwischen Grimm und Delbrücks Mutter, von der vor allem die Tochter nichts erfahren soll; das Liebesgeflüster dient offenbar der Anbahnung eines Konflikts, der die psychisch ohnehin angeschlagen wirkende Kommissarin im nächsten Film vollends aus der Bahn werfen könnte. (Text-Stand: 3.10.2024)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto, MDR

Mit Götz Schubert, Yvonne Catterfeld, Stephan Kampwirth, Jan Dose, Pauline Werner, Bea Brocks, Anouk Elias, Stephan Grossmann, Thomas Limpinsel, Thea Rasche, Christina Große, Julika Jenkins, Petra Zieser

Kamera: Niv Abootalebi

Szenenbild: Thilo Mengler

Kostüm: Anne Jendritzko

Schnitt: Friederike Dörffler

Musik: Andreas Weidinger

Redaktion: Sven Dobler (MDR), Katja Kirchen (ARD Degeto)

Produktionsfirma: Molina Film

Produktion: Jutta Müller

Drehbuch: Sönke Lars Neuwöhner, Sven S. Poser

Regie: Ole Zapatka

EA: 31.10.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 07.11.2024 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach