Wolfsland – Ewig Dein

Catterfeld, Schubert, Neuwöhner, Poser, Erkau. Kommissare gut, Krimifall mau

Foto: MDR / Steffen Junghans
Foto Tilmann P. Gangloff

„Ewig Dein“, der Auftakt zu einer neuen Donnerstagskrimireihe der ARD aus dem sächsischen Görlitz, führt ein reizvolles Ermittlerduo ein, erzählt aber ansonsten eine fast schon uninteressante Geschichte: Ein mit viel zuviel Eifer verkörpertes jugendliches Pärchen spielt ein bisschen Bonnie & Clyde. Viel mehr Funken schlägt die reibungsreiche Ebene mit Götz Schubert als misanthropischem Einheimischen und Yvonne Catterfeld als kühler Hamburgerin, die ein unverarbeitetes alptraumhaftes Erlebnis mit sich herumträgt. Das Paar hat Potenzial, aber die Krimi-Fälle von „Wolfsland“ müssen sehr viel besser werden.

Ein Ermittler hat einen tragischen Verlust erlebt und ist dadurch zu einem Eigenbrötler geworden, dem seine neue Kollegin irgendwann vorwirft, er sei „ein menschenfeindliches, frauenfeindliches, lebensfeindliches Arschloch“: Ganz klar, das ist Hauptkommissar Faber aus dem Dortmunder „Tatort“. Allerdings passt die Charakterisierung genauso gut auf Burkhard „Butsch“ Schulz, männliche Hauptfigur von „Wolfsland“, einer neuen Donnerstagskrimireihe in der ARD aus dem sächsischen Görlitz. Götz Schubert, aufgewachsen im nahen Pirna, verkörpert den einheimischen Antihelden mit der gleichen misanthropischen Hingabe wie Jörg Hartmann den TV-Kollegen aus dem Ruhrgebiet: verletzend, aber auch verletzlich. Seine Partnerin ist wenig überraschend das genaue Gegenstück: Viola Delbrück (Yvonne Catterfeld) kommt aus Hamburg und ist eine moderne Kriminalistin. Auch ihr hat das erfahrene Autorenduo Sönke Lars Niewöhner, Schöpfer unter anderem der ZDF-Miniserie „Morgen hör ich auf“, und Sven Poser, Miterfinder der Krimireihe „Stralsund“ eine Bürde mitgegeben: Viola ist traumatisiert; ihr Ex-Mann sucht sie Nacht für Nacht in Alpträumen heim.

Es sind vor allem die jeweils zweiten Ebenen, die die beiden Figuren interessant machen. Butsch zum Beispiel neigt dazu, Märchen zu erzählen: Wenn er etwas mitzuteilen hat, verpackt er das gern als Geschichte. Der Filmauftakt, bei dem er mit düsterem Gesicht von ausgebrochenen Geistern und verfluchten Menschen spricht, ist nichts anderes als eine Standpauke für zwei Jugendliche, die er mit Drogen erwischt hat. Viola wiederum sieht sich in ihren Träumen, aus denen sie regelmäßig schweißgebadet und schreiend erwacht, nicht nur mit dem gewalttätigen Gatten konfrontiert, sondern auch mit einem aggressiven Wolf. Diese Szenen gehören zu den spannendsten des Films, zumal sie zeigen, dass die ansonsten kontrollierte Kriminalistin unter ihrer kühlen Oberfläche längst nicht alles so im Griff hat, wie sie ihren Kollegen vermittelt; und natürlich wird es seinen Grund haben, warum sie sich vom LKA Hamburg ausgerechnet an die polnische Grenze hat versetzen lassen.

Wolfsland – Ewig DeinFoto: MDR / Steffen Junghans
Die coole Hanseatin und das misanthropische „Arschloch“. Donnerstagskrimi-Einstand für Yvonne Catterfeld und Götz Schubert

Selbst wenn die Entwürfe des Ermittlerduos ebenso wenig originell sind wie die mehrmals gezeigte Krähe als Verkünderin nahenden Unheils, so entsteht doch allein durch das glaubwürdig gespielte Gegen- und Miteinander eine Menge Reibungsenergie, zumal Butsch überzeugt ist, die neue Kollegin sei ihm vom Chef (Andreas Schmidt) als Aufpasserin zur Seite gestellt worden. Anfangs lässt er Viola, die er stur „Hamburgerin“ nennt, einfach stehen und macht sein Ding: Sie will in seinen Wagen steigen, aber der Beifahrersitz ist voller Müll, und weil Butsch keine Lust hat, den Kram wegzuräumen, fährt er davon. Als er später auf ihre Unterstützung angewiesen ist, prallen sie buchstäblich aneinander: Sein Auto springt nicht an, sie schleppt ihn ab und verpasst ihm einen Denkzettel, indem sie kurz auf die Bremse tritt und dann wieder Gas gibt. Als sie kurz drauf einen Wolf sieht und erschrickt, fährt Butsch ihr hinten drauf; der Schaden ist nicht unbeträchtlich, wird aber nicht weiter thematisiert.

Während sich der Film also viel Mühe gibt, das Duo in immer wieder neue Situationen zu schicken, die oft ernst, aber auch mal heiter sind, ist der Fall vergleichsweise unspektakulär: In einem leerstehenden Gutshof ist ein Mann ermordet worden. Butsch und Delbrück brauchen nicht lange, um sich die Hintergründe zu erschließen: Das Opfer hat sich gemeinsam mit einem Freund eine junge Polin als Prostituierte gehalten; nun hat Jenni (Emma Drogunova) das Dienstverhältnis offenbar sehr nachdrücklich beendet. Sie will gemeinsam mit ihrem Freund Marek (Julius Nitschkoff) fliehen, aber nicht ohne ihr Baby, das bei einer Pflegemutter ist. Das Paar spielt ein bisschen Bonnie & Clyde, kommt aber nicht weit. Die entsprechenden Szenen sind ohnehin nicht sonderlich überzeugend; gerade Nitschkoff versieht den jungen Burschen mit viel Zorn und noch mehr Lautstärke. Die einzige Überraschung ist die Auflösung. Ungewohnt heftig für einen Donnerstagkrimi sind im Übrigen die Gewaltszenen.

Wolfsland – Ewig DeinFoto: MDR / Steffen Junghans
Dieser Kommissar kann besser mit Tieren als mit Menschen: Burkhard „Butsch“ Schulz. Götz Schubert in „Wolfsland – Ewig Dein“

Es ist sehr schade, dass die beiden Seiten des Films – hier das Duo, dort der Fall – so stark auseinanderklaffen. Die Erzählebene mit Catterfeld und Schubert entwickelt nicht nur viel größere darstellerische Intensität, sie ist dank eines vielfach bewährten, interessant variierten Strickmusters auch emotional ungleich reizvoller: Ein komplett inkompatibles Team rauft sich spätestens durch gegenseitiges Lebensretten irgendwie zusammen. Möglicherweise liegt es auch daran, dass das Inszenieren von Beziehungsszenen dem Regisseur einfach mehr liegt: André Erkau hat für das „Kleine Fernsehspiel“ des ZDF mit „Selbstgespräche“ (2008) und „Arschkalt“ (2011) zwei bemerkenswerte Komödien und anschließend mit Wotan Wilke Möhring die Kinofilme „Mann tut was Mann kann“ (2012) und „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ (2013) gedreht. Es folgten die „Tatort“-Episoden „Wahre Liebe“ (Köln) und „Schwanensee“ (Münster), in denen Krimispannung ebenfalls nicht an erster Stelle stand.

Ausgerechnet der erfahrene Kameramann Gunnar Fuss sorgt zudem dafür, dass „Ewig Dein“ auch bildsprachlich nicht durchweg überzeugt: Die ständigen ruckartigen Zooms haben zur Folge, dass sich der Film durch eine völlig unangebrachte und aufgesetzt wirkende optische Nervosität auszeichnet, die gerade in den Dialogszenen regelrecht stört. Dafür hat Fuss bei den vielen Nachtbildern für ein interessantes Licht gesorgt; auf diese Weise wirkt das schon tagsüber unbevölkerte Görlitz erst recht wie eine Geisterstadt. Dazu passt auch der gespenstische Schluss, der erfolgreich die Neugier darauf weckt, wie es weitergeht: Delbrück wird erneut, aber nun leibhaftig mit ihrem Alptraum konfrontiert. Eine Woche später zeigt die ARD die zweite Episode der Reihe mit dem Titel „Tief im Wald“. (Text-Stand: 16.11.2016)

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Reihe

ARD Degeto, MDR

Mit Yvonne Catterfeld, Götz Schubert, Emma Drogunova, Julius Nitschkoff, Andreas Schmidt, Jan Dose, Sebastian Nakajew, Johannes Zirner, Marko Dyrlich, Sabine Vitua

Kamera: Gunnar Fuß

Szenenbild: Monika Nix

Kostüm: Sarah Raible

Schnitt: Anke Berthold

Musik: Dürbeck & Dohmen

Produktionsfirma: Molina Film

Drehbuch: Sönke Lars Neuwöhner, Sven S. Poser

Regie: André Erkau

Quote: 4,14 Mio. Zuschauer (13,1% MA)

EA: 08.12.2016 20:15 Uhr | ARD

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