Junge Scheinehe spart Steuern
Gerade haben sich Moritz und Ines das Ja-Wort gegeben. Doch weshalb knutscht die Braut mit einem Anderen?! Und weshalb nimmt dieser Schnösel auch noch die Hochzeitsnacht für sich in Anspruch?! Der Vater von Ines ist es zufrieden. Er war es, der seine Tochter zu dieser Heirat überredet hat – die Steuerersparnis in Höhe eines fünfstelligen Betrags im Blick. Auch Moritz geht bei dieser Scheinehe nicht leer aus. Ines, Aufsichtsratmitglied eines Finanz-Konzerns, bezahlt ihrem ehemaligen Schulfreund die Hälfte der Miete. Eigentlich ein Klacks. Selbstgenügsam wie Moritz ist, reicht ihm das. Forderungen stellen sind nicht sein Ding – so ist er denn auch im Archiv eines Musikmagazins hängengeblieben, obwohl er das Zeug zum Jazz-Blues-Redakteur hätte. Das „Vorankommen“, von dem Ines spricht, ist nicht sein Weg.
Der freundliche Nachbar vom Finanzamt
Hochzeit als Steuersparmodell – auf diese nicht ganz unrealistische Plot-Idee setzt die ARD-Komödie „Wir tun es für Geld“ nach dem Roman von Matthias Sachau. Für Geld tut es eigentlich nur Ines, Spitzenverdienerin mit Spitzensteuersatz. Auf die Idee gekommen sind ihr Vater und ihr Freund Bernd. Moritz lässt sich auf diesen ganzen falschen Zauber nur ein, weil er der Frau, für die er offenbar seit seiner Jugend Gefühle hegt, einen Gefallen tun möchte. Um die (versteckt) romantische Komödie mit Social Touch weiterzutreiben, kommt ein dritter Protagonist ins Spiel: der penible Pedant Herr Stöckelein-Grummler, Moritz’ neuer Nachbar, offenbar von seiner Frau verlassen – aber vor allem der für die Scheinehe zuständige Finanzbeamte. „Sozialschmarotzer“ habe er gefressen, „man nennt mich die Python von E bis H.“ Moritz wird angst und bange. Und so muss sich Workaholic Ines immer öfters bei ihrem lässigen Scheingatten sehen lassen. Das fängt mit dem Frühstück an und endet nach einem Wasserrohrbruch in der Wohnung des ebenfalls Musik begeisterten Nachbarn, den Moritz freundschaftlich „Ekki“ nennen darf, mit dem lustvollen Stöhnen im gemeinsamen Ehebett.
Foto: Degeto / Hans-Joachim Pfeiffer
Soundtrack: u.a. Songs von Frank Sinatra („On The Sunny Side Of The Street“ / „Bad Bad Leroy Brown“ / „L.A. Is My Lady“ / „The Lady Is A Tramp“)
Witz & Spiel, Situationskomik & „innere Werte“
„Wir tun es für Geld“ ist eine ungemein kurzweilige TV-Komödie, die sich souverän bewegt auf dem glatten Parkett zwischen angenehm altmodischem Boulevard und situationskomischer Charakterkomödie. Die Figuren, insbesondere der von Florian Lukas in seiner unnachahmlichen Art verkörperte freiwillig zu kurz gekommene Moritz, besitzen genügend „innere Werte“ (sprich: Psychologie), um die emotionalen Momente der Geschichte zu motivieren. Aber sie sind auch präzise auf die ästhetischen Spielregeln einer Komödie abgestimmt. Dramaturgisch kommt der für Ludger Pistor so typischen, leicht variierten Rolle des liebenswerten Spießers, der gar nicht so spießig ist, wie er aussieht, eine besondere Bedeutung zu: „Ekki“ ist eben nicht nur der harte Hund, der den Scheinehepartnern auf die Schliche kommen könnte, sondern auch der nette, schrullige Typ von nebenan, ein väterlicher Freund, der ähnliche Macken, Vorlieben und Liebesdefizite wie sein Nachbar hat. So treibt jener Ekkehard Stöckelein-Grummler nicht nur den Steuerhinterziehungserzählstrang voran, sondern fungiert auch als Liebesflüsterer und – ohne es zu wissen – als romantischer Kuppler. Etwas weniger ausgefeilt & stimmig ist die Figur Ines geraten: ein Papa-Mädchen, das Moritz zum „endlich Erwachsenwerden“ auffordert, sich selbst aber von ihrem Übervater nicht freimachen kann. Weshalb entwickelt sie Gefühle für diesen „Loser“? Weil ihr dieser Moritz quasi auf den Bauch gebunden wurde? Oder weil er so locker und komisch ist?
Amfts Ines stöhnt fast so schön wie Sally
Doch wer fragt nach Psychologie, wenn Diana Amft dem Affen Zucker gibt?! Köstlich ist nicht nur die Sequenz, in der Moritz nächtens auf dem Sessel stöhnt, derweil der Nachbar im Nebenzimmer auf der Gästecouch weilt. Das zweideutige Gestöhne veranlasst Ines, Moritz einen Platz im Doppelbett anzubieten. Und was macht sie, in der offensichtlich mehr Anarchisches schlummert, als sie nach außen hin bereit ist zu zeigen: Sie findet Spaß daran, dem vermeintlichen Biedermann Ekki nebenan etwas vorzuspielen – und so beginnt auch sie, lauthals zu stöhnen. Diese Szene korrespondiert wenig später mit einer anderen, in der Freund Bernd Ines in der gemeinsamen Wohnung erwartet: die reale Leidenschaft („Oh, Ines!“) bekommt plötzlich für die Protagonistin (aber auch für den Zuschauer) etwas völlig Albernes. Bernd bekommt zwei Versuche. Jedes Mal kriegt Ines einen Lachkrampf. Diana Amfts köstliches Prusten ist beileibe mehr wert als eine stringentere Psychologie ihrer Figur.
Foto: Degeto / Hans-Joachim Pfeiffer
Das vermeintliche Anti-Traumpaar agiert traumhaft
Dass die Comedy-Queen und Florian Lukas (wann hat dieser Kerl mal was Schlechtes gemacht?!) auf den ersten Blick nicht unbedingt ein Traumpaar abgeben, was ja nicht zuletzt entscheidend der Story geschuldet ist – auch das spricht letztlich für diesen ARD-Dege-to-Freitagsfilm, der sich damit deutlich gegen den romantischen Kitsch vom „Traumpaar“ abgrenzt. „Wir tun es für Geld“ ist insgesamt eine rundum gelungene Sommerkomödie, die mit der für ARD-Verhältnisse jungen Besetzung und der angenehm altmodischen Inszenierung, die sich ganz auf die Schauspieler konzentriert, Jung und Alt gleichermaßen gut unterhalten dürfte. Wie genau sie auch im Detail gearbeitet ist, zeigt die Filmmusik: das ist nicht die übliche Sinatra-Songtapete wie in anderen TV-Movies, die swingenden Frankieboy-Melodien passen sowohl zur Geschichte als auch zum old-fashioned-Look des Films. Und der Score überzeugt mit früh von der Musik aufgenommenen Handlungsmotiven: Melancholisch tönt das Akkordeon, lange bevor im Film Tango getanzt wird. (Text-Stand: 31.5.2014)