Wir haben gar kein Auto

Speidel, Maccallini, ein Bestseller, seidene Handlungsfäden & nicht nur platte Reifen

Foto: ZDF / Dennis Satin
Foto Rainer Tittelbach

Eine Radtour von München nach Meran wird zur Zerreißprobe für eine Beziehung. Eine Geduldsprobe wird dieser Film für den Zuschauer. „Wir haben gar kein Auto“, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers der Hauptdarsteller, sieht aus wie ein Schlagerfilm (fast) ohne Schlager, wie ein Reisefilm (fast) ohne Auto, wie eine Komödie (fast) ohne einen einzigen guten Witz, wie ein Beziehungsfilm ohne ernsthafte Beziehung, wie ein Vehikel für eine (oft überzeugende) Schauspielerin, die hier nicht(s) zu spielen braucht. Zurück in die 50er!

Es sollte „ein ganz normaler Urlaub“ werden. Was das eben heißen kann bei einer Fahrradtour von München nach Meran. Bruno ist froh, seine Jutta mal von ihrem Wellness-Studio loseisen zu können. Beide machen sich mit einem Geheimnis auf den Weg. Sie hat ihm verschwiegen, dass sie noch eine zweite Wellness-Oase eröffnen wird; er hat ihr noch nicht gesagt, dass seine Kaffeemaschinenfirma pleite und er arbeitslos ist. Jeder hofft nun, dass sich bei dieser romantischen Reise der passende Moment für eine Beichte ergeben würde. Doch alles kommt anders. Entrüstung auf beiden Seiten. Dann der absolute Gipfel: der sparsame Bruno hat einen Fahrradhelm-Camcorder kostenlos erstanden, muss dem Sponsor dafür aber Videomaterial von der Radtour zur Verfügung stellen. Dass durch ein Missgeschick auch die eine oder andere Peinlichkeit ins Internet wandert, das ist für Jutta schon fast ein Trennungsgrund.

Soundtrack: Marino Marini („Guaglione“) & Dean Marin („That’s Amore“)

Dieser Kurzinhalt der ZDF-Komödie „Wir haben gar kein Auto“ täuscht. So dramaturgisch plausibel ist der Film eine ganze Stunde lang nicht. Der Handlungsfaden ist noch dünner als der seidene Faden, von dem die Heldin im Intro spricht, der Faden, an dem die Beziehung des radelnden Paares hängt. Zwischen Neckereien und Eifersüchteleien, zwischen kleinen Pannen und größeren Peinlichkeiten plätschert das Ganze ziellos dahin. Die „Geheimnisse“ zwischen der erfolgreichen Geschäftsfrau und dem kleinen Italiener, der sich manchmal so verloren vorkommt neben seiner übermächtigen Partnerin, werden weiterhin gehütet. Wenn nicht gerade ein Regenschauer die beiden überrascht oder ein Hotel Ruhetag hat, passiert so gut wie nichts: rauf aufs Rad, wieder runter, die Sonne strahlt, so als ob man bei Juttas und Brunos Radtour live dabei wäre. Ein einziger Running-Gag in 90 Minuten ist ein weiblicher Wandervogel, auf dessen Kosten die Zuschauer schadenfroh ablachen dürfen. Diese Komödie hat so viel Esprit wie ein ungeübtes Radler-Pärchen nach einer 100-Kilometer-Tagestour: müde die Witze, müde die Situationskomik, müde der Beziehungs-Clinch. Und platt sind in „Wir haben gar kein Auto“ nicht nur die Reifen. So kann es mit undramatischen Bestseller-Verfilmungen, bei denen die Reise das Ziel ist, auch gehen. Nicht immer muss dabei eine Top-Komödie wie „Ein Mann, ein Fjord“ oder ein kluger Selbstfindungstrip wie „Die Dienstagsfrauen“ herauskommen. Hier geht es einfach um nichts – das ist das Problem.

„Wir haben gar kein Auto“ dehnt eine Idee auf 90 Minuten. Ist das das Comeback des Italienurlaubsfilms der 50er/60er Jahre? Die ZDF-Komödie sieht aus wie ein Schlagerfilm (fast) ohne Schlager, wie ein Reisefilm (fast) ohne Auto, wie eine Komödie (fast) ohne einen einzigen guten Witz, wie ein Beziehungsfilm ohne eine wirklich ernstzunehmende Beziehung, wie ein Vehikel für eine (oft überzeugende) Schauspielerin, ohne dass hier gespielt werden müsste. Die Entscheidung für den Partner kommt am Ende nicht aus der Geschichte, sondern aus dem Herzen. Das wird dem Film Zuschauer bringen. Erfolgreich waren schließlich auch jene Schlagerfilmchen. Den Film macht es nicht besser. (Text-Stand: 7.10.2012)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Jutta Speidel, Bruno Maccallini, Proschat Madani, Michael Greiling, Moritz Lindbergh, Dagmar Sachse

Kamera: Sven Kirsten

Szenenbild: Josef Sanktjohanser

Schnitt: Bettina Vogelsang

Produktionsfirma: Eyeworks Fiction & Film

Drehbuch: Stefan Rogall

Regie: Dennis Satin

Quote: 7,47 Mio. Zuschauer (20,1% MA)

EA: 04.11.2012 20:15 Uhr | ZDF

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