Wilsberg – Nackt im Netz

Lansink, Korittke, Bergmann, Heerwagen, Enlen. Schönheits-OP, Sex-Mobbing, Mord

Foto: ZDF / Thomas Kost
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Vorspann ist neu, aber an den Stärken der Reihe hat sich nichts geändert: rituelle Figuren, sehenswerte Darsteller, süffisant vorgetragene Dialoge, eine originelle Geschichte. Die Episode „Nackt im Netz“ macht dem Kultstatus der „Wilsberg“-Reihe alle Ehre. Die Story besitzt durchaus aktuelle Bezüge, ohne dabei mit dem „Achtung, Relevanz!“-Fähnchen herumzuwedeln. Und zum (satirischen) Schmunzeln gibt es auch mal wieder so einiges.

Der Vorspann ist neu, aber an den Stärken der Reihe hat sich nichts geändert. Großartige Figuren, sehenswerte Darsteller, süffisant vorgetragene Dialoge, eine originelle Geschichte & immer wieder Bielefeld: seiner Abnutzung zum Trotz – hier ist das Prädikat Kult angebracht.

Zu den vielen schönen Einfällen, die die Folge „Nackt im Netz“ sehr sympathisch machen, gehört unter anderem eine im Stil des Heldenkinos gefilmte Zeitlupeneinstellung, in der sich Wilsberg (Leonard Lansink), Kumpel Ekki (Oliver Korittke) und Alex (Ina Paule Klink) als Putzkolonne verkleidet in eine Firma eindringen, um das Problem, dem der Film seinen Titel verdankt, ein für alle mal aus der Welt zu schaffen. Dazu erklingt das durch den Tarantino-Film “Kill Bill 1” bekannt gewordene Stück „Battle without Honour or Humanity“ von Tomoyasu Hotei. Eine große Szene, einerseits natürlich voller Selbstironie, zumal das auf diese Weise eroberte Gebäude in Bielefeld liegt (ein Insider-Gag für die zahlreichen Fans der ZDF-Reihe), andererseits aber auch eine Hommage an das unerschrockene Trio.

Wilsberg – Nackt im NetzFoto: ZDF / Thomas Kost
Steuerprüfung der besonderen Art. Ekki (Oliver Korittke) & Frau Wandchen (Bernadette Heerwagen). „Wilsberg – Nackt im Netz“

Schade bloß, dass die Lösung nur bedingt zur Nachahmung zu empfehlen ist, denn vermutlich haben viele Menschen ein ganz ähnlich ähnliches Problem wie Alex, wenn wohl auch nur wenige derart drastisch: Die Anwältin ist von einer Zufallsbekanntschaft heimlich beim Sex gefilmt worden und kann nun als „Aufriss der Woche“ auf der Internetseite eines örtlichen Pornoproduzenten von jedermann begafft werden. Das ist nicht nur schlecht für ihre Reputation, denn selbst wenn Alex im juristischen Sinn unschuldig ist: Ihr altmodischer Chef hätte kein Verständnis für den Vorfall; und ein missgünstiger Kollege, dem sie einen viel versprechenden Fall weggeschnappt hat, wittert seine Chance. Aber plötzlich hat Alex andere Probleme: Ihr Sexpartner ist erschlagen worden, und nun steht sie unter Mordverdacht.

Die Geschichte ist nicht nur originell, sondern auch aktuell. Geschickt ergänzen die Autoren Arne Nolting und Jan Martin Scharf die Handlung um diverse Seitenstränge, ohne dabei allzu sehr mit dem „Achtung, Relevanz!“-Fähnchen herumzuwedeln; dazu gehören auch die an Mobbing grenzenden anzüglichen Bemerkungen, die sich Alex von den männlichen Kollegen anhören muss. Ähnlich harmonisch integriert ist ein Thema, das zunächst gar keinen direkten Bezug zum Mord zu haben scheint: Kommissarin Springer (Rita Russek) erwägt eine Gesichtsrenovierung und läuft in der Klinik von Norbert Walter (Tim Bergmann) prompt Wilsberg über den Weg. Der hat Hinweise auf einen Streit zwischen dem Schönheits-Chirurgen – Wahlspruch: Walter vor Schönheit – und dem Opfer gefunden.

Ausgesprochen hübsch ist auch Ekkis Beteiligung an den Ermittlungen: Der Steuerprüfer verschafft sich unter dem Vorwand einer Betriebsprüfung Zutritt zum Büro des Pornoproduzenten (Ole Puppe) und wird gemeinsam mit der Buchhalterin (Bernadette Heerwagen als verhuscht erotisches Büromäuschen) kurzerhand als Aushilfe engagiert. Solche Überraschungen hält das von Martin Enlen flüssig inszenierte Drehbuch immer wieder bereit, und natürlich bieten sowohl das Lustspielgewerbe wie auch die Welt der Schönheits-Operationen beste Voraussetzungen für zweideutige Dialoge und satirische Anspielungen; aber auch in dieser Hinsicht überspannen Nolting und Scharf den Bogen nicht. Nebenfiguren wie der „Graf Cock“ genannte Sexdarsteller Rainer Graf (Oliver Breite) sorgen für derart viel Abwechslung, dass Kommissar Overbeck (Roland Jankowsky) diesmal gar nicht dazu kommt, den Chuck Norris von Münster zu mimen. (Text-Stand: 14.12.2013)

Wilsberg – Nackt im NetzFoto: ZDF / Thomas Kost
Ungewohnter Einsatz von Ekki in „Nackt im Netz“: ein Held der (Putz-)Arbeit – erst als Pflegekraft, dann als Porno-Betriebsprüfer.

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Reihe

ZDF

Mit Leonard Lansink, Oliver Korittke, Rita Russek, Ina Paule Klink, Roland Jankowsky, Tim Bergmann, Bernadette Heerwagen, Stefan Gubser, Ole Puppe, Anian Zollner, Michael Abendroth, Oliver Breite, Josephin Busch, Vittorio Alfieri, Dorothea Walda

Kamera: Philipp Timme

Schnitt: Monika Abspacher

Musik: Dieter Schleip

Produktionsfirma: Eyeworks Fiction Cologne

Drehbuch: Arne Nolting, Jan Martin Scharf

Regie: Martin Enlen

Quote: ZDF: 6,27 Mio. Zuschauer (19,3% MA)

EA: 08.01.2014 20:15 Uhr | ZDFneo

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