Wilsberg – Der Betreuer

Lansink, Korittke, Gundelach, Tarrach, Rensing. Entspannt plätschert die Handlung

Foto: ZDF / Thomas Kost
Foto Tilmann P. Gangloff

Nach einigen überdurchschnittlich guten Krimis erlebt die Reihe „Wilsberg“ gerade einen kleinen Durchhänger. Schon die letzte Episode, „In Treu und Glauben“, tendierte eher in Richtung Komödienkrimi, weil die Krimiebene recht kraftlos war. Auch „Der Betreuer“ rangiert in der Liste der mittlerweile 53 Filme über den Privatdetektiv aus Münster unter dem Durchschnitt: Die Geschichte ist allenfalls mittelprächtig und wird auch durch die Inszenierung nicht gerettet. Einige bemerkenswerte Szenen & Figuren gibt es dennoch.

Wilsberg sucht den Mörder eines Kollegen und gerät mitten in ein Familiendrama; eine alte Frau ist von Erbschleichern regelrecht umzingelt. Regie führte wie schon bei „In Treu und Glauben“ Marc Rensing („Parkour“), dem es erneut nicht gelingt, echte Krimispannung aufkommen zu lassen. Immerhin wartet das Buch des krimiversierten Sönke Lars Neuwöhner (Koautorin: Natalia Geb) mit einer Figur auf, die eine Bereicherung darstellt: Kommissarin Anna Springer muss sich um ihre querschnittsgelähmte minderjährige Nichte kümmern und nimmt das Mädchen mit zur Arbeit, wo die pfiffige Merle für eine Menge Wirbel sorgt. Die junge Janina Fautz macht das derart prima, dass sie unbedingt öfter mitwirken sollte, weil Merle die festgefahrenen Strukturen im Revier auflockert. Außerdem haben ihre Szenen mit Overbeck zur Folge, dass Roland Jankowsky dem stets auf einem schmalen Grat zwischen Größenwahn und Selbstmitleid wandelnden Ermittler neue Seiten abgewinnen kann.

Die wichtigere weibliche Gastrolle spielt allerdings Gudrun Gundelach als Verlegerwitwe Hanni Haffner, die eines Tages in das Antiquariat von Wilsberg (Leonard Lansink) schneit. Er bringt die demente Frau wieder nach Hause, wo er vor dem Bücherregal einen erschlagenen toten Kollegen entdeckt. Weil er den Mann von früher kennt, fühlt er sich verpflichtet, der Sache nachzugehen: Da die Witwe vermögend ist, will jeder nur ihr Bestes, und weil sich alle übertrieben fürsorglich geben, wirken sie ausnahmslos unglaubwürdig; allen voran Gregor Cassell (Stephan Grossmann), der die Betreuung der alten Dame übernommen hat. Dennoch deutlich durchsichtiger sind die Motive ihres notorisch abgebrannten Neffen Guido (Jürgen Tarrach). Der Mann ist ein ungehobelter Flegel, dem die Tante offensichtlich völlig egal ist; mit seiner Behauptung, dass Cassell regelmäßig Geld veruntreut, scheint er allerdings richtig zu liegen. Große materielle Probleme hat auch Großnichte Vanessa (Jasmin Schwiers): Das Möbelhaus, das sie gemeinsam mit ihrem Mann führt, steht vor der Pleite. Und dann ist da noch Hannis Altenpflegerin Friederike (Katharina Spiering), die eine Initiative gegründet hat, um auf den Pflegenotstand hinzuweisen, und deshalb dringend auf Spenden angewiesen ist.

Wilsberg – Der BetreuerFoto: ZDF / Thomas Kost
Sorgen für einige der wenigen Höhepunkte: „Loverbeck“ (Roland Jankowsky) & Springers Nichte, Rollifahrerin Merle (Janina Fautz)

Im Grunde ist dies die ganze Geschichte, weil zu kurz kommt, dass die Ermordung des Privatdetektivs, wie sich schließlich zeigt, mit dem Gezerre um Hanni gar nichts zu tun hat. Natürlich ist es kein Zufall, dass die alte Dame immer wieder nach ihrem Gehstock fragt, zumal das Drehbuch andeutet, sie könne den Eindringling womöglich selbst erschlagen haben; aber eigentlich glaubt der Film das selber nicht. Dank Rensings entspannter Umsetzung plätschert die Handlung ein bisschen zu unaufgeregt vor sich hin; für Spannung sorgt nicht mal die Erschießung des unsympathischen Neffen, die Buch und Regie allen Ernstes ebenfalls der Tante in die Schuhe schieben wollen. Und weil wie stets bei „Wilsberg“ alle Ensemble-Mitglieder irgendwie mit ins Boot geholt werden müssen, hat Alex (Ina Paule Klink) den Rechtsbeistand von Guido Haffner übernommen; er will Cassell vom Hof jagen. Fehlt nur noch Ekki (Oliver Korittke), der jedoch kaum was zu tun hat. Er zieht sich zu Beginn eine Gehirnerschütterung zu, ist fortan krank geschrieben und hat daher Zeit, in Wilsbergs Auftrag Friederike auf den Zahn zu fühlen. Zu der eigentlich erwartbaren Romanze kommt es zwar nicht, stattdessen aber zu einer wenig glaubwürdigen Szene: Ekki soll sich für Friederikes Organisation engagieren und in einem Rollstuhl Passanten ansprechen, was zu einer peinlichen Begegnung mit Merle führt. Als Ekki auch noch versucht, sich mit Taubheitsgefühlen in den Beinen rauszureden, tritt ihm Overbeck mit Schmackes vors Schienbein. Trotz dieses recht rustikalen Auftritts sind die Szenen des Kommissars und seiner jungen „Assistentin“ origineller, witziger und überzeugender als viele andere. Merle findet im Handumdrehen Overbecks Passwort raus („Loverbeck“), entdeckt umgehend die (jugendfreien) Sexfotos auf seinem Computer, hat den Mann fortan in der Hand und wird zu seiner Einflüsterin, weshalb sich der Kommissar schließlich sogar traut, seiner Chefin endlich mal die Meinung zu sagen; wenn auch nur am Telefon und nachdem sie das Gespräch beendet hat. Ein netter Running Gag sind auch die Auftritte von Oliver Fleischer als Gutachter, der Hannis Pflegebedürftigkeit gleich dreimal überprüfen muss und sich spätestens beim dritten Mal verhohnepipelt fühlt.

Dennoch wird die Geschichte vermutlich rasch in Vergessenheit geraten, selbst wenn die Krimiauflösung einigermaßen überraschend ist. Allerdings dauert es erstaunlich lange, bis auch bei Wilsberg der Groschen fällt; dabei hätte gerade ihm, dem Antiquar, schon früh klar sein müssen, dass der Schlüssel zur Wahrheit bei Lord Tennyson zu finden ist. Vielleicht glaubt er deshalb, den Fall am Schluss noch mal erklären zu müssen. Der obligate „Bielefeld“-Gag bezieht sich diesmal auf die Bezeichnung einer Stehlampe, und das eingespielte Ensemble erfreut durch kleine Vertraulichkeiten; wenn Anna Springer zum Tatort kommt, muss sie Wilsberg bloß anschauen, und die Fans der Reihe wissen, dass sie innerlich seufzt, weil der Detektiv wieder mal vor ihr da war. Sehr schön sind auch die gemeinsamen Momente von Leonard Lansink und Gudrun Gundelach: Die alte Dame hält Wilsberg für ihren verstorbenen Gatten, und der geht bereitwillig auf das Spiel ein. Den nachdrücklichsten Augenblick hat jedoch Jasmin Schwiers. Vanessa, die vor einiger Zeit ihr Baby verloren hat, ist ohnehin die tragische Figur der Geschichte; ihr eindringlicher Blick direkt in die Kamera hat eine Intensität, von der der Rest des Films weit entfernt ist. (Text-Stand: 23.12.2016)

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Reihe

ZDF

Mit Leonard Lansink, Oliver Korittke, Ina Paule Klink, Rita Russek, Roland Jankowsky, Gudrun Gundelach, Jürgen Tarrach, Stephan Grossmann, Jamin Schwiers, Janina Fautz, Katharina Spiering, Kai Ivo Baulitz, Oliver Fleischer

Kamera: Lars R. Liebold

Szenenbild: Oliver Klein

Kostüm: Sonia Bouabsa

Schnitt: Florian Drechsler

Musik: Stefan Schulzki

Soundtrack: Stretch („Why Did YouDo It?“), David Gray („Sail Away“)

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Drehbuch: Sönke Lars Neuwöhner, Natalia Geb

Regie: Marc Rensing

Quote: 6,52 Mio. Zuschauer (19,7% MA)

EA: 14.01.2017 20:15 Uhr | ZDF

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