Wilde Jungs und wilde Tiere. Eine Gruppe junger Strafgefangener aus Deutschland muss sich ein Jahr lang in südafrikanischen Familien bewähren. Der 18-jährige Kai landet auf einer Farm, auf der Geparden gezüchtet werden. Helmut, ein Nachfahre deutscher Missionare, und seine Frau Hanna leben dort mit ihren beiden Töchtern und einer schwarzen Haushälterin. Kais provozierendes Auftreten nehmen sie anfangs mit erstaunlicher Geduld hin, auch weil sich vor allem Hanna durch die Teilnahme an dem sozialen Projekt Ablenkung oder gar einen Neuanfang erhofft. Kurz zuvor war ihr gemeinsamer Sohn im Alter von 14 Jahren gestorben.
Die in Südafrika aufgewachsene Autorin und Regisseurin Stefanie Sycholt („Malunde“, „Ellas Geheimnis“) hat ihr Drama vollgepackt mit Motiven und Themen. Neben den großen Linien, der Trauerbewältigung in der Familie und der Resozialisierung des jungen Mannes, werden noch eine Reihe weiterer Aspekte angestoßen: Das Verhältnis von Schwarzen und Weißen, Glauben und Religion, auch der Tierschutz spielen hier eine (Neben-)Rolle. Hannes Jaenicke ist als eine Art Geparden-Flüsterer in seinem Element, und Helmut ist sich auch nicht zu schade, Desi, der schwarzen Nanny, in der Küche zur Hand zu gehen. Desi „gehört zur Familie“, kennt Helmut von klein auf und hilft mit Ratschlägen aus Voodoo-Beschwörungen. Edin Hasanovic ist wie in dem Sühne-Drama „Schuld sind immer die Anderen“ ein junger Straftäter, der hier nach dem Tod der Mutter auf die schiefe Bahn geraten ist und die Chance zur Selbstfindung erhält. Dagegen bilden seine übrigen Knastgenossen nichts weiter als eine üble, gesichtslose Masse, weiße Teufel, die über das afrikanische Paradies herfallen.
Sicher ist in dieser (besonders für den Freitagabend in der ARD) ungewöhnlichen Mischung aus Themenfilm mit sozialen Hintergrund und Familiendrama vor afrikanischer Kulisse manches klischeehaft, vorhersehbar und zu gut gemeint. Doch die inneren Konflikte der Hauptfiguren werden nicht durch plumpe Dialoge hinausposaunt, sondern überzeugend und glaubwürdig ausgespielt – auch dank der herausragenden Darstellerinnen und Darsteller: Anneke Kim Sarnau in einem Degeto-Freitagsfilm, das ist ja nicht das schlechteste Zeichen. Liebesschnulzen vor exotischer Kulisse sind nicht ihr Fach, geerdete, warmherzige Frauen wie Hanna dagegen schon. Für die großen Emotionen als trauernde Mutter und zweifelnde Ehefrau, die sich auf einen Flirt mit dem Sozialarbeiter einlässt, benötigt sie keine großen Gesten. Sarnau passt gut nach Afrika. Davon profitiert an ihrer Seite auch Jaenicke.
Die behutsame Annäherung zwischen Kai und Desis Tochter Nana ist ebenfalls weit entfernt von überzuckerter Filmkost. Dass sich Kai als Zeichen der langsamen Verwandlung irgendwann seines Piercing-Schmucks entledigt, mag ein Zugeständnis ans Publikum sein. Immerhin: Tattoos sind offenbar gesellschaftsfähig. Und wie ein ironischer Kommentar auf die Herz-Schmerz-Musikberieselung in vielen Filmen wirkt es, wenn die Familie am Ende in trauter Einigkeit einen Rammstein-Song grölt. Rammstein am Ende eines Freitagabend-Films, was es nicht alles gibt… Und Afrika? Sycholt setzt immer wieder das Bild der geschmeidigen Geparde ein – eine passende Metapher für niemals vollständig zu zähmende Wildheit. Die hinter Zäunen gehaltenen Raubkatzen sind hier keine mythologisch überhöhten Gestalten, sie lassen sich bisweilen streicheln, sind aber auch keine Schmusetiere, sondern in Freiheit eine Gefahr für die Schafherden der Nachbarn. Kai fühlt sich zu ihnen hingezogen. Der „weiße Loser, der auch noch aussieht wie ein Weihnachtsbaum“, wie Kai zu Beginn von einem schwarzen Arbeiter genannt wird, erwirbt sich Respekt und gewinnt eine neue Perspektive. Soviel Optimismus durfte man erwarten. Ob Kai die Chance nutzen kann, bleibt offen.