Im Sommer 2015 gab es in der Filmakademie in Ludwigsburg einige lange Gesichter. Drei in Kooperation mit ProSiebenSat.1 entstandene Abschlussfilme wurden nicht etwa, wie erhofft, bei einem der beiden großen Sender ausgestrahlt, sondern beim Miniableger Sixx: weil die Produktionen angeblich nicht ins Programm passten. Florian Knittel hat mit „Was kostet die Liebe? Ein Großstadtmärchen“ mehr Glück: Sein Filmdebüt reiht sich bis zur Verwechselbarkeit in die romantischen Komödien ein, die Sat 1 dienstags zeigt.
Um Verwechslungen geht es auch in der Geschichte, die der Nachwuchsregisseur zwar mit sichtbar wenig Geld, aber durchaus flott und ansprechend umgesetzt hat: Eines Tages bekommt die verhuschte Nora (Mira Bartuschek) Besuch von ihrer Cousine (Birte Glang), die nicht nur vorübergehend einziehen will, sondern auch ein Problem hat: Emily arbeitet als Escort-Girl „Beatrice“, kann den abendlichen Auftrag aber nicht wahrnehmen, weil sie sich den Magen verdorben hat. Also lässt sich Nora breitschlagen, für sie unter dem gleichen Pseudonym einzuspringen. Tatsächlich blüht das Mauerblümchen dank Frisur, Kleid und Make-up regelrecht auf (der Arbeitstitel des Films lautete „Cinderella 2.0“). Auf dem langweiligen Empfang, zu dem sie einen ältlichen Herrn begleitet, trifft sie Max (Alexander Khuon), einen jungen Millionär, der die vermeintliche Beatrice so hinreißend findet, dass er sie später ebenfalls bucht. Das Paar verbringt einen romantischen Abend miteinander. Die Stimmung kippt allerdings, als Max wieder einfällt, dass „Beatrice“ ja eine Dienstleisterin ist. Nora will sein Geld jedoch gar nicht und schiebt den Umschlag mit den tausend Euro unbemerkt zwischen die Rücksitze des Autos. Kurz drauf stellt sich heraus, dass Max Noras neuer Arbeitgeber ist, aber in ihrer Alltagsunscheinbarkeit nimmt er sie gar nicht wahr.
Die Gegen-Meinung: „Schablonenhafter Verschnitt aus ‚Pretty Woman‘ und ‚Aschenputtel‘ mit überspannten Charakteren und bemühten Gags“ (TV-Spielfilm)
„Was kostet die Liebe?“ klingt nach der üblichen Aschenputtel-Geschichte: hier der misstrauische Millionär, der zu oft erlebt hat, dass die Menschen bloß an sein Geld wollen, dort die Frau mit dem goldenen Herzen, der innere Werte viel wichtiger sind als schnöder Mammon. Es ist zwar völlig unglaubwürdig, dass Nora in einer Werbeagentur arbeitet, doch andererseits gehört es bei modernen Märchen dieser Art zur Vereinbarung zwischen Film und Publikum, über solche Ungereimtheiten hinwegzusehen. Selbstredend hat Nora brillante Ideen, aber ihre grotesk aufgetakelten Kolleginnen (allen voran Nicole Marischka) lassen sie gar nicht erst zu Wort kommen; und natürlich wird sie am Ende einen skeptischen Kunden überzeugen, der die anderen Kampagnenvorschläge einfallslos findet. Viel wichtiger aber ist naturgemäß die Frage, wie aus den Verliebten tatsächlich ein Paar wird, und nun treiben Knittel und seine Koautorin die Sache die Verwechslungskomödie auf die Spitze. Wie so oft in Geschichten dieser Art spielen bester Freund und beste Freundin (in diesem Fall Cousine) eine entscheidende Rolle: Freddy (Marc Ben Puch) und Emily wollen dem Glück von Max und Nora auf die Sprünge helfen und verlieben sich dabei ineinander. Max, der weder das eine noch das andere ahnt, ist jedoch überzeugt, Freddy habe es auf seine Beatrice abgesehen; und als Emily unfreiwillig in den Armen von Max landet, fühlt auch Nora sich hintergangen.
Es ist durchaus beachtlich, wie plausibel Knittel und Koautorin Regina Dietl die entsprechenden Szenen eingefädelt haben, zumal der Nachwuchsregisseur sie auch angemessen flott inszeniert. Deshalb ist auch verzeihlich, dass Mira Bartuschek schon mal gegen eine Tür laufen muss, damit deutlich wird, wie unsichtbar sie für ihre Mitmenschen ist. Dem Film ist zwar anzusehen, dass nicht viel Geld im Spiel war, aber für die Kameraarbeit konnte Knittel immerhin Marcus Stotz gewinnen, der regelmäßig für Uwe Janson große Bilder kreiert. Knittels Kapital sind zudem die Dialoge, die Details am Rand und die Darsteller, selbst wenn das zentrale Quartett nach Typ besetzt ist und ihre Figuren bis hin zur Prügelei zwischen den Freunden weitgehend überraschungsfrei agieren. Gerade Mira Bartuschek bringt genau das richtige Maß an Attraktivität mit: Einerseits geht sie ohne weiteres als nette Nachbarin durch, andererseits wird sie geschminkt und neu eingekleidet nicht automatisch zum Vamp. Alexander Khuon ist ebenfalls eine überzeugende Besetzung für den sympathischen, bodenständig gebliebenen Selfmade-Millionär, auch wenn nur bedingt nachzuvollziehen ist, dass die Mädels in der Agentur bei seinem ersten Auftritt ausnahmslos feuchte Höschen bekommen. Die beiden wichtigsten Nebenfiguren sind allerdings komplett klischeehaft. Gerade Birte Glang hätte ihre Rolle ruhig etwas weniger grell und laut interpretieren können; andererseits ist sie auf diese Weise das passende Pendant zum gleichfalls ohne Zwischentöne agierenden Marc Ben Puch. Und so unterscheidet sich „Was kostet die Liebe?“ von einem originären Sat-1-Film im Grunde nur durch die Sprache: Die stellenweise drastische Wortwahl ist für eine romantische Fernsehkomödie ebenso ungewohnt wie die Hinweise auf gewisse unappetitliche sexuelle Vorlieben.(Text-Stand: 7.2.2016)