Süddeutschland, 1986. Eine Familie ist umgezogen, will sich gerade einleben am neuen Wohnort – da ereignet sich der Reaktorunfall in Tschernobyl. Das Land, die Medien sind in heller Aufregung. Ausnahmezustand herrscht auch in der vierköpfigen Familie. Geradezu panisch reagiert Mutter Christa. Katastrophenangst, Strahlenhysterie und Verschwörungstheorien verschmelzen bei ihr zu einem wahnhaften Komplex, dem die Ärzte bald auch einen Namen geben: schizophrene Psychose. Der Vater lässt die Kinder über den Zustand ihrer Mutter lange Zeit im Unklaren. Während der Teenager-Sohn Mark nur genervt ist von der „ausgeflippten“ Christa, verarbeitet der 12-jährige Bodo den Schock der plötzlich abwesenden Mutter, indem er sich in eine Welt der extraterrestrischen Botschaften flüchtet.
„U.F.O.“ zeichnet den Zerfall einer Familie nach auf dem Hintergrund der legendären Reaktorkatastrophe und der damaligen Endzeitstimmung. Mutter funktioniert nicht mehr – und jeder hat andere Strategien, damit umzugehen. Besonders tragisch ist die Krankheit für Bodo, denn der U.F.O.-Fan verliert nicht nur seine Mutter, sondern auch die jahrelange Vertraute in Sachen Klingonen-Schlachten und Parapsychologie. Burkhard Feige erzählt die psychische Krankheit seiner Mutter nach, versteht aber nur den Hintergrund, nicht den Film als autobiografisch. Die audiovisuelle Charakterisierung der 1980er Jahre, die liebevoll auf kleine Zeichen setzt, von der Kleidung über die Wohnungseinrichtung und das Farbspektrum des Films bis hin zum Soundtrack, gelingt für einen preiswerten Debütfilm ausnehmend gut. Nicht nur darin erinnert „U.F.O.“ an das preisgekrönte Kleine Fernsehspiel „Paul Is Dead“.
Foto: SWR / Sabine Hackenberg
Burkhard Feige über Reaktorunfall und Psychose:
„Beides kann man nicht sehen, beides ist bedrohlich – sogar lebensbedrohlich. Die Reaktion auf beides umfasst das gesamte Spektrum: von kompletter Verdrängung über sachliche Auseinandersetzung bis hin zur Hysterie.“
Dieses „Debüt im Dritten“ verzichtet auf eine Auslotung des Konflikts und hält den Zuschauer auf Distanz. Das ist offenbar gewollt und geht einher mit der Hauptfigur, die sich ihr Weltbild erst aufbauen muss und aus deren Perspektive der Film erzählt wird. „U.F.O.“ kommt ohne große dramaturgische Wendepunkte aus und verhandelt seine Probleme in den Szenen oft zu minutiös. So muss sich Feige, was die Gefühlsebene angeht, ganz auf die Schauspieler und die Bilder verlassen. Das klappt in der Regel gut: Henry Stange bewältigt seine schwere Rolle großartig und auch Julia Brendler findet den richtigen Ton. Ein starkes Bild: der Showdown auf dem Hochhausdach. Da zeigt Stange Mut zum Gefühl! 15% mehr Hollywood und 15% weniger abgebildete „Authentizität“ hätten der „Rezipierbarkeit“ des Films dennoch gut getan.