Billi Cramer und Michael Schäffer haben 2004 den Tsunami in Thailand erlebt, sie haben überlebt – und ihre Familien verloren. „Tsunami – Das Leben danach“ erzählt ihre Geschichte und davon, wie man nach einem solchen Schicksalsschlag wieder zurückfinden kann ins Leben. So unbeschreiblich die Naturkatastrophe war, so unbeschreiblich ist die persönliche Katastrophe. Wie das Erlebte in Worte fassen? Wie das Gefühlte mit Bildern erzählen? Autorin Natalie Scharf, Regisseurin Christine Hartmann und Kameramann Alexander Fischerkoesen haben eine sehr „annehmbare“ Form gefunden, um diese Geschichte zu erzählen. Ohne dass einen als Zuschauer das unangenehme Gefühl beschleichen würde, hier habe das Fernsehen ein kollektives Schreckensereignis, das für Millionen Menschen nur ein allenfalls Empathie förderndes Medienereignis war, ein zweites Mal medial vordergründig ausgeschlachtet.
Foto: ZDF / Alexander Fischerkoesen
Der Film steht und fällt mit dem Paar, das sich über das Schreckensereignis gefunden hat. Auch wenn es auf den ersten Blick nach einem Stoff für die bunten Blätter aussieht, so ist es doch faszinierend zu sehen, dass zwei Menschen durch eine solche Tragödie zusammengeführt werden und es schaffen, sich gegenseitig neue Kraft und Lebensmut zu schenken, und schließlich in eine Liebesbeziehung finden. Man könnte schicksalsgläubig werden, wären da nicht die 230.000 Menschen, denen der Tsunami das Leben gekostet hat, und die über 1,7 Millionen Küstenbewohner, die obdachlos wurden. So wie sich Weihnachten 2004 viele Menschen in einer Art kollektiver Trauer befanden, so könnte die Geschichte von Billi Cramer und Michael Schäffer in einem Akt kollektiver Tröstung gipfeln. Nicht ohne Grund nennt das ZDF den Film „ein Melodram nach einer wahren Geschichte“. Die Zuversicht obsiegt über die oftmals (selbst)zerstörerischen Kräfte des Dramas.
Soundtrack: Wham („Last Christmas“), Nelly Furtado („Powerless“), OutKast („Hey Ya“), Air („Kelly watch the stars“), Fischer Z („Crazy Girl“), Fatboy Slim („Praise you“), Biréli Lagrène („La mèr“)
„Tsunami – Das Leben danach“, dieses Melo-Bio-Pic über zwei „normale“ Menschen, denen das Schicksal eine gewisse Popularität gegeben hat, erzählt in der ersten Hälfte von einem tiefen Loch, in das die von Veronica Ferres gespielte Hauptfigur fällt, von einem Graben zwischen ihr und der Welt um sich herum. Billi lebt wie in Trance. Das gesamte Haus ihrer Familie ist eine einzige offene Wunde. Und sie macht sich Vorwürfe: „Burkhard wollte nicht nach Thailand. Ich bin schuld. Ich habe meine drei auf dem Gewissen.“ Doch irgendwann, kommt der Punkt, an dem diese Frau versucht, ihr Leben wieder selbst zu bestimmen. Von der tiefen Depression gelangt sie in einen langsamen Prozess der Selbst-Heilung. Plötzlich kann sie wieder lachen. Doch es gibt auch immer wieder Rückfälle – da kommen alte Bilder hoch, wecken Erinnerungen und lösen bittere Verzweiflung aus. „Wir heirateten – und trotzdem kamen wir uns wie die einsamsten Menschen auf diesem Planeten vor.“
Foto: ZDF / Alexander Fischerkoesen
„Drei Monate vergingen, bis ich begriff, dass Michael nicht nur Therapie für mich war.“ Solche wegweisenden Sätze gibt es einige – ansonsten macht der Film wenig Worte. Insbesondere im ersten Teil geben die Bilder ausschnitthaft emotionale Situationen vor und werden wie Töne angeschlagen. Der „schlimmste Momente“ für die Heldin, sicher zugleich auch einer der schwierigsten für die Regie, der Moment der letzten Gewissheit: die drei Leichensäcke im Raum, die Ehefrau, der beste Freund, die Identifizierung der Toten – diese Szene ist beispielhaft für die sensible Erzählhaltung des Films. Beeindruckend die melodramatisch stimmungsvolle Kamera von Alexander Fischerkoesen. Die in goldgelbes Licht getauchten Bilder in Südfrankreich sind eine Art filmischer Konjunktiv. In ihnen steckt eine romantische Möglichkeit, eine Utopie, die Wirklichkeit werden kann und schließlich auch Wirklichkeit wird. Wer diesem Film Übles nachsagen will – der kann ihn in die Ecke eines „Ratgeberfilms“ rücken. „Tsunami – Das Leben danach“ liefert quasi eine Mut machende Anleitung zum Glücklichsein. Das sollte im Massenmedium Fernsehen erlaubt sein. Außerdem könnte der Film auch dafür sensibilisieren, wie belanglos doch so Vieles ist, über das sich Menschen im Alltag aufregen. Ein sinnvoller Nebeneffekt! (Text-Stand: 18.1.2012)